Coraline [2009]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Dominik Starck  |   Hinzugefügt am 21. August 2009
Genre: Animation / Fantasy

Originaltitel: Coraline
Laufzeit: ca. 101 Min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2009
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Henry Selick
Musik: Bruno Coulais, They Might Be Giants
Originalstimmen: Dakota Fanning (Luisa Wietzorek), Teri Hatcher (Bettina Weiß), Dawn French (Katja Nottke), Keith David (Reiner Schöne), John Hodgman (Patrick Winczewski), Robert Bailey Jr. (Hannes Maurer), Ian McShane (Klaus-Dieter Klebsch)


Kurzinhalt:
Die 11-jährige Coraline Jones (Dakota Fanning / Luisa Wietzorek) fühlt sich gestraft. Das eigenwillige Mädchen leidet unter dem Umzug der Eltern zu einem abgelegenen und baufälligen alten Haus, umgeben von einem Garten voller toter Pflanzen und mit Wohnungen, die von merkwürdigen Leuten bewohnt werden. Auch wird sie weitgehend ignoriert, doch als sie auf Erkundungstour durch das Haus geht, macht sie eine interessante Entdeckung. Mit Tapete verklebt findet sie einen kleinen Durchgang, der anfangs zugemauert ist, bei ihrem zweiten Besuch jedoch einen geheimnisvollen Tunnel preis gibt.
Neugierig geht Coraline durch ihn auf die andere Seite und findet sich in einer beinahe identischen Parallelwelt wieder. Auf teils subtile, teils deutliche Weise ist hier alles anders; die Farben sind heller, alles ist phantastischer, ihre Eltern lesen ihr jeden Wunsch von den Augen ab, das Leben ist geradezu paradiesisch. Da ignoriert Coraline sogar, dass alle Bewohner dieser Welt Knöpfe anstelle ihrer Augen haben. Doch bei ihren wiederholten Besuchen wird ihr langsam klar, welcher Preis von ihr verlangt wird und dass ihr wirkliches Leben in Gefahr gerät ...


Kritik:
Die Vorlage für den Film Coraline war das erfolgreiche gleichnamige Buch von Neil Gaiman (Der Sternwanderer [1999]), welches sich seit 2002 über neun Millionen Mal in über 30 Sprachen verkaufte. Eine weitere Adaption gibt es (in Deutschland seit Februar 2009 erhältlich) in Form eines Comic-Buches, in dem sich auf 196 toll gestalteten Seiten P. Craig Russell sehr erfolgreich des Stoffes annahm. Auch ein Bühnen-Musical existiert bereits, das vom MCC Theater in New York mit Musik von Stephin Merritt (The Magnetic Field) produziert wurde.
Die Erwartungshaltung an die filmische Umsetzung war dementsprechend sehr hoch, zumal sich mit Henry Selick jemand des Materials annahm, der mit seinen Traumwelten in Nightmare Before Christmas [1993] nachhaltig Millionen begeisterte. Schon früh war klar, dass Selick das Drehbuch nach Gaimans "Gutenachtgeschichte" selbst schreiben, und den Film erneut als Stop-Motion-Animation drehen würde. Hinzu kam dann, dass für den Film eine neuartige Stereoscopic-3-D-Technik zum Einsatz kam, die ein bisher einzigartiges Ergebnis liefern würde – zumindest in entsprechend ausgestatteten Kinos.

Selick hatte bis in die frühen 90er Jahre gerade mal zwei Kurzfilme auf der Vita, doch mit Nightmare Before Christmas setzte er sich praktisch selbst ein Denkmal, auch wenn der Erfolg des Filmes oftmals Produzent Tim Burton zugeschrieben wird. Ein weiterer Animationsfilm (James und der Riesenpfirsich [1996]) und ein Realfilm (Monkeybone [2001]) folgten, doch seither herrschte relative Ruhe um Selick. Abgesehen vom bisher noch nicht in Deutschland veröffentlichten Kurzfilm Moongirl [2005] ist Coraline nun sein erster Kinofilm seit acht Jahren.
Wie in vielen seiner vorherigen Projekte trat er gleich in mehreren Funktionen in Erscheinung und war so neben der Position als Regisseur und Autor auch als ausführender Produzent, sowie als Produktionsdesigner beschäftigt, was zu einem Film führt, der wie "aus einer Hand" wirkt.

Anfangs war noch vorgesehen, dem Film einen leichteren und auch deutlich musikalischeren Touch zu verleihen, weswegen die Band They Might Be Giants auch satte zehn Songs für ihn schrieb. Durch den stimmungsmäßigen Richtungswechsel im Laufe der Produktion verschwand hiervon nahezu alles aus dem Film, wobei die Band inzwischen bekannt gab, die Songs dennoch zu veröffentlichen.
Die Produktionsdaten sind wahrlich gigantisch: zwei Jahre Vorproduktion, ein 18 Monate dauernder Dreh auf über 130 verschiedenen Sets, ein Budget von etwa 60 Millionen Dollar und ein Füllhorn an kleinen Insider-Gags und Zitaten aus Selicks Filmen oder auch anderen Quellen (wie William Shakespeare, aus dessen Hamlet [1601] ein bekannter Monolog vorgetragen wird).

Für die ganz kleinen Besucher ist der an Alice im Wunderland [1865] erinnernde Trip von Coraline indes wohl etwas zu gruselig und düster geraten, obwohl die skurrilen Welten des Henry Selick sehr wohl einen märchenhaften Charakter besitzen. Zudem ist er mit einer Laufzeit von 101 Minuten vielleicht einen Hauch zu lang geraten – darf sich nun aber auch bisher längster Stop-Motion-Film überhaupt nennen.
Der Film bietet aber vor allem auch dem anspruchsvolleren, etwas älteren Publikum große Schauwerte und dem jugendlichen Publikum einiges an Identifikationsfläche. Das Fluchtbedürfnis Heranwachsender ist weit verbreitet, sich von den Eltern distanziert zu fühlen nichts Ungewöhnliches. Coraline flüchtet sich nur zu gerne in eine Welt, in der sich alles wieder zentral um sie dreht und der Spaß vorherrscht. Schließlich aber wird sie jedoch mit dem Preis dessen, was sie vor ihre leuchtenden Augen gehalten bekommt, konfrontiert und gezwungen, eine Entscheidung zu treffen und ihre Familie zu retten.

Die wunderbare Bildsprache und kaum vorstellbare Detailliebe sieht man den Animationen von John Allan Armstrong in jeder Aufnahme an und wird in der fantastischen Welt von Coraline gefangen, auch wenn es der Geschichte an wirklich neuen Inhalten mangelt.
In der englischsprachigen Originalfassung sind Dakota Fanning als Coraline, "Desperate Housewive" Teri Hatcher (mit ihrer ersten Animations-Stimmrolle) als Mutter, Keith David als Katze und Ian McShane (Deadwood [2004-2006]) als Nachbar Sergei Alexander Bobinsky zu hören. Doch auch die deutsche Sprachausgabe weiß zu gefallen. Luisa Wietzoreck macht in der Titelrolle einen guten Job, Hatchers Synchronsprecherin Bettina Weiß übernimmt auch hier Teris Part und der unverwechselbare Reiner Schöne ist als sprechende (nein, nicht Grinse)Katze an Bord.


Fazit:
Auch wenn die schräge Reise von einer skurrilen Welt in eine noch unglaublichere Parallelwelt für die kleinsten der Zuschauer eine Spur zu unheimlich und lang geraten sein dürfte, haben dafür auch etwas ältere Zuschauer noch ihren Spaß daran. Coraline gibt sich als ein fantasievolles Märchen, das zwar eine universelle und damit nicht wirklich neue Geschichte erzählt, diese aber in einzigartiger Optik präsentiert.