Cloud Atlas [2012]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 06. Oktober 2013
Genre: Science Fiction / Drama / Thriller / ActionOriginaltitel: Cloud Atlas
Laufzeit: 172 min.
Produktionsland: Deutschland / USA / Hong Kong / Singapur
Produktionsjahr: 2012
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Tom Tykwer, Andy Wachowski, Lana Wachowski
Musik: Reinhold Heil, Johnny Klimek, Tom Tykwer
Darsteller: Tom Hanks, Halle Berry, Jim Broadbent, Doona Bae, Hugo Weaving, Jim Sturgess, Ben Whishaw, Keith David, James D'Arcy, Xun Zhou, David Gyasi, Susan Sarandon, Hugh Grant, Robert Fyfe, Martin Wuttke
Kurzinhalt:
Bei der Rückkehr von einem Auftrag für seinen Schwiegervater wird der junge Anwalt Adam Ewing (Jim Sturgess) nach seinem Zusammenbruch vom Arzt Henry Goose (Tom Hanks) gepflegt – der aber eigene Pläne verfolgt. Sie sind, zusammen mit Ewings Entscheidung für oder gegen den als blinden Passagier an Bord befindlichen, geflohenen Sklaven Autua (David Gyasi), der erste Schritt einer Kettengeneration, die mehr als ein halbes Jahrtausend überdauert. In den 1930er Jahren trifft der Komponisten Robert Frobisher (Ben Whishaw) eine folgenschwere Entscheidung im Streit mit seinem alternden Kollegen Vyvyan Ayrs (Jim Broadbent), für den er als Assistent gearbeitet hat, ehe er sein eigenes "Wolkenatlas-Sextett" zu schreiben begann.
Es sind Klänge, die im Jahr 1973 nicht nur die Journalistin Luisa Rey (Halle Berry) wiedererkennt, sondern auch der Physiker Rufus Sixsmith (James D'Arcy), der sich ihr anzuvertrauen versucht, um die Pläne seines Arbeitgebers Lloyd Hooks (Hugh Grant) zu durchkreuzen. 2012 wird der Verleger Timothy Cavendish (Jim Broadbent) von seinem Bruder Denholme (Hugh Grant) ausgetrickst, dessen Abenteuer im Jahr 2144 Sonmi~451 (Doona Bae) inspiriert. Dass ihr Name auch zwei Jahrhunderte später nicht vergessen sein wird, zeigt umso mehr, dass alles miteinander verbunden ist ...
Kritik:
Wie erzählt man eine Geschichte, die sich über fünf Jahrhunderte erstreckt? Und wie gelingt es, in dieser Story Darsteller in mehr als eine Handvoll Figuren schlüpfen zu lassen? Es gibt bei Cloud Atlas so Vieles, was hätte schief gehen können – nicht zuletzt, wenn drei Regisseure den Film in unterschiedliche Richtungen entwickeln wollen. Dass sich für die Verfilmung des preisgekrönten Romans von Autor David Mitchell kein Studio fand, verwundert nicht. Auch nicht, dass der Film international gerade einmal seine Produktionskosten wieder einnahm. Dabei ist Cloud Atlas viel mehr, als man in einfache Worte fassen kann und es fällt nicht schwer, den Film zu bewundern, ohne ihn vollkommen zu verstehen.
Die einzelnen Storystränge sind folgende:
Eine Pazifiküberfahrt im Jahr 1849, bei welcher der junge amerikanische Anwalt Adam Ewing den entflohenen Sklaven Autua als blinden Passagier an Bord entdeckt. Auf dem Weg zu seinem Schwiegervater muss sich Ewing entscheiden, ob er Autua an den Kapitän ausliefert, oder sich für ihn einsetzt, während er laut dem Arzt Henry Goose an einem seltenen Wurm erkrankt ist und zunehmend schwächer wird.
Im Jahr 1936 bietet sich Robert Frobisher dem alternden Komponisten Vyvyan Ayrs als Assistent an und beginnt wenig später, sein eigenes Meisterwerk, das "Wolkenatlas-Sextett", zu komponieren. Dabei gerät Frobisher nicht nur auf Grund seiner Liebschaft zu Rufus Sixsmith in Bedrängnis, als Ayrs Frobishers Komposition für sich beansprucht.
In San Francisco im Jahr 1973 stößt die Journalistin Luisa Rey nach einer folgenschweren Begegnung mit einem Physiker namens Sixsmith auf ein Komplott, für dessen Geheimhaltung Lloyd Hooks auch über Leichen geht.
In Großbritannien des Jahres 2012 gerät der Verleger Timothy Cavendish in Bedrängnis, als der inhaftierte Autor Dermot Hoggins Einnahmen seines Buches durch seine Handlanger eintreiben lässt. Auf der Flucht vor ihnen bringt ihn sein Bruder Denholme in einer Einrichtung unter, aus der Cavendish aber nicht mehr abreisen kann.
In Neu Seoul des Jahres 2144 wird Sonmi~451 vom Archivar über ihre Erlebnisse befragt und schildert, wie sie aus ihrem Alltag, für den sie erschaffen wurde, mit Hilfe von Commander Hae-Joo Chang geflohen ist. Als sie die Wahrheit über ihr Leben und das ihrer Leidensgenossinnen erfährt, kann sie nicht anders, als sich den Rebellen anzuschließen.
Im Jahr 2321 sind 106 Winter seit dem Fall vergangen. Auf der großen Insel lebt Zachry im Tal als Ziegenhirt. Er wird in Halluzinationen von "Old Georgie" verfolgt, der ihn dazu drängt, seinen Ängsten nachzugeben. Umso mehr, als Zachry einwilligt, Meronym, eine der 'Prescients', mit denen sein Volk Handel betreibt, auf einen hoch gelegenen Berg zu führen. Er ahnt nicht, dass der Kona-Stamm unterdessen einen Angriff auf sein Tal plant.
Als würden die Geschichten für sich genommen nicht schon seltsam genug klingen, scheint es noch unvorstellbarer, dass sie in gewissem Sinn alle zusammenhängen. Die Kernaussage von Cloud Atlas lautet "Alles ist verbunden". Es ist ein Mantra, das die Macher auf so vielfältige Weise beherzigen, dass die offensichtlichen Verweise wie das Reisetagebuch von Adam Ewing, das mehr als 80 Jahre später Robert Frobisher als Inspiration dient, oder Cavendishs mutiger Entschluss, durch den sich Sonmi~451 angesprochen fühlt, nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Das Wolkenatlas-Sextett zieht sich ebenso wie ein roter Faden durch die Geschichte wie kleine Details, beispielsweise ein Firmenlogo in Neu Seoul, das auf das Jahr 1973 verweist oder ein Knopf, der insgesamt 500 Jahre überdauert.
Die Regisseure Tom Tykwer und die Wachowski-Geschwister Andy und Lana erwecken mehr als eine bloße Geschichte zum Leben; es ist eine Philosophie, dass jede gute Tat und jeder Fehler, den man begeht, nicht nur die Menschen um einen herum, sondern auch die zukünftigen Generationen beeinflussen kann. Dabei kann es durchaus gewollt sein, dass manche Darsteller sowohl sympathische, als auch unsympathische Charaktere verkörpern. Wir bestimmen unseren Charakter durch unsere Entscheidungen – es ist vielleicht die einzig wahre Freiheit, die wir überhaupt besitzen.
Wer nach den ersten Minuten des knapp drei Stunden dauernden Epos das Gefühl hat, er verstehe nicht, worum es in Cloud Atlas geht, der sollte sich nicht wundern, wenn dieser Eindruck bis zur zweiten Filmhälfte andauert. Die Filmemacher springen von einer Zeitepoche zur nächsten, erzählen ihre Handlungsstränge gleichzeitig weiter und bringen sie im Einklang regelmäßig an Punkte, die packend und spannend sind. Erst im letzten Drittel fügen sich die Mosaikteile zusammen und ergeben ein Gesamtbild, dessen Feinheiten man nach dem ersten Ansehen vermutlich trotzdem nicht ganz begreift. Auch entgehen einem viele der Zusammenhänge und Verweise zwischen den einzelnen Geschichten. Dass sie zusammengehören steht außer Frage, das spürt man sogar schon zu Beginn.
Cloud Atlas ist wie ein Gemälde, dessen viele Deutungen und Schichten einem eingangs verborgen bleiben. Je mehr man sich damit beschäftigt, umso faszinierender und aussagekräftiger ist es. Dass sich hierfür kein großes Publikum findet, ist zwar verständlich, aber dennoch bedauerlich. Es ist eine der anspruchsvollsten und aufwändigsten Produktionen der letzten Jahre, die sich jeder Einteilung in ein Genre entzieht.
Fazit:
Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass man weder Tom Hanks, noch Halle Berry, Jim Broadbent, Hugo Weaving, Jim Sturgess, Doona Bae, Ben Whishaw, Keith David, James D'Arcy, Xun Zhou, David Gyasi, Susan Sarandon oder Hugh Grant jemals so gesehen hat, wie hier. Der international handverlesene Cast ist herausragend ausgewählt und geht in sämtlichen der mehrfachen Rollen ausnahmslos auf. Sieht man beim Abspann, welche Figuren unter anderem von ihnen verkörpert wurden, kann man es kaum glauben. Die Masken sind so gelungen, dass die Verwandlung vollkommen ist. Auch die unsichtbaren Spezialeffekte setzen neue Maßstäbe, von den Bauten und der Größe der hier erschaffenen Welt und Zeiten abgesehen. In jeder der insgesamt sieben Zeitebenen bleibt das Gefühl, als würde in Cloud Atlas eine eigene Welt existieren, in die die Macher nur einen kurzen Blick werfen.
Auch die musikalische Untermalung von Reinhold Heil, Johnny Klimek und Tom Tykwer ist anders als alles, was man mit einem solchen Epos verbinden würde. Den Filmemachern gelingt hier eine Vision, die nachwirkt und reift, je mehr man sich mit ihr beschäftigt. Dass die Geschichte allein schon sehr anspruchsvoll ist, steht außer Frage. Durch die künstlerische Umsetzung und den verschiedenen Ebenen, die gleichzeitig erzählt werden, werden die Regisseure ihr nur gerecht. Das Ergebnis ist in jedem Sinn beeindruckend und die Aussage, dass wir mit unseren Entscheidungen nicht nur unser Leben, sondern auch das zukünftiger Generationen beeinflussen, ein wichtiger Appell.