Catch Me If You Can [2002]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 02. Februar 2003
Genre: Unterhaltung / Drama / Krimi

Originaltitel: Catch Me If You Can
Laufzeit: 141 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Steven Spielberg
Musik: John Williams
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Tom Hanks, Christopher Walken, Martin Sheen, Nathalie Baye, Amy Adams


Kurzinhalt:
In den 1960ern reißt der minderjährige Frank Abagnale Jr. (Leonardo DiCaprio) von zu Hause aus, als seine Eltern sich scheiden lassen wollen. Sein Vater (Christopher Walken) ist finanziell am Ende, und der Sohn möchte auf seiner Erkundungsreise durch die USA das Leben für den Vater zurückerobern, das dieser verloren hat.
Doch dafür benötigt er Geld; früh hat Frank gelernt, dass er gut im Beobachten und Imitieren ist, und als die Zeit kommt, erkennt er sein nächstes Talent: Das Fälschen!
Schecks, die so perfekt gefälscht sind, dass die Banken sie nicht mehr unterscheiden können, bringen dem Ausreißer einen gewissen Lebensstil, aber auch Ärger mit dem Gesetz.
Das FBI und insbesondere Ermittler Carl Hanratty (Tom Hanks) machen Jagd auf ihn, doch noch ist Frank ihnen immer einen Schritt voraus. Einmal als Pilot, dann als Arzt oder auch Anwalt zieht er durch die USA und betrügt die Banken um mehrere Millionen Dollar.
Aber sein eigentliches Ziel, nämlich den Traum seines Vaters zu erfüllen, hat er noch nicht erreicht.


Kritik:
Wer sich heute Trailers zu kommenden Filmen ansieht, sieht in aller Regel in großen Lettern den Namen des Hauptdarstellers, beziehungsweise der Hauptdarsteller von der Leinwand prangen. Sie sind die Kassenmagneten, sie ziehen die Zuschauer.
Aber es geht auch anders: Wer hört, dass ein Film von Steven Spielberg stammt, wird ihn sich kaum entgehen lassen wollen, wenn er oder sie an guter Filmunterhaltung interessiert ist. Vor kurzem 56 Jahre alt geworden repräsentiert Spielberg im Filmbusiness alles, was ein Studio sich wünschen kann – und ein Zuschauer ansich auch. Innovative Filme und eine intelligente Inszenierung kombiniert mit sehr guter Darstellerführung machen ihn zu einem der einflussreichsten Männer Hollywoods.
Doch auch er hat in letzter Zeit mit den ausbleibenden Zuschauern zu kämpfen: Während Der Soldat James Ryan [1998] noch das Dreifache seiner Produktionskosten von 70 Millionen Dollar in den USA einspielte, ging es nach Spielbergs dreijähriger Pause nicht so erfolgreich weiter. Das von dem verstorbenen Stanley Kubrick übernommene Projekt A.I. - Künstliche Intelligenz [2001] konnte nicht einmal die Kosten von 90 Millionen Dollar in die Kassen holen und auch Minority Report [2002] ist mit 102 Millionen Dollar Herstellungskosten und 130 Millionen Einspielergebnis nicht sehr erfolgreich gewesen – definitiv aber hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Mit Catch Me If You Can sieht es dagegen wieder besser aus, allerdings kostete der Film "nur" 50 Millionen Dollar; über 150 Millionen spielte er bislang in den USA wieder ein.
Und dabei hätte Steven Spielberg ursprünglich gar nicht Regie führen sollen!

Gore Verbinski, Regisseur von Mäusejagd [1997] und dem in Kürze anlaufenden The Ring [2002], sollte das auf dem Leben des echten Frank Abagnale, Jr. basierende Drehbuch verfilmen, mit Leonardo DiCaprio, der schon von Beginn an feststand und sich um das Projekt bemühte. Doch dann musste DiCaprio Szenen zu Gangs of New York [2002] nachdrehen und alles kam anders, als gedacht. Durch die Verzögerung sah sich Gore Verbinski gezwungen aussteigen, und auch James Gandolfini, der ursprünglich den FBI-Agenten Hanratty spielen sollte, sagte ab, da er für die Serie Die Sopranos [seit 1999] wieder vor die Kamera musste.
Einige Regisseure waren im Gespräch für den Posten, Tom Hanks hatte bereist sicher zugesagt, dass er die Rolle des Hanratty übernehmen wolle. Für den Regiestuhl waren unter anderem David Fincher, Cameron Crowe und Lasse Hallström vorgesehen, ehe Steven Spielberg zusagte.

Das Gerangel hinter den Kulissen merkt man dem Film glücklicherweise nicht an; ganz im Gegenteil: Man hat den Eindruck als hätte Spielberg bei diesem Film mehr Spaß gehabt und sich mehr Zeit genommen, als bei seinen letzten beiden.

Das Drehbuch beschreibt das Leben des wahren Frank Abagnale, Jr., der in den 1960ern beim FBI gar nicht gern gesehen war, da er zahlreiche Banken um hohe Geldbeträge geprellt hatte. Heute ist er vor allem dafür bekannt, dass er den "falschungssicheren Scheck" erfunden hat und zahlreiche Firmen dabei unterstützt, gegen Fälscher vorzugehen. Seine persönlichen Erfahrungen, die ihn ab dem 21. Lebensjahr fünf Jahre hinter Gitter brachten, waren der Grund dafür, wieso er vorzeitig aus dem US-Gefängnis entlassen wurde.
Aber nicht nur seine Jugend wird in Catch Me If You Can beleuchtet ,sondern auch der Mann, der ihn letztendlich geschnappt hat: Carl Hanratty. Abagnale hat ihm nicht nur Spott und schlaflose Nächte bereitet, sondern ihn später auch in vielen Fällen bei der Betrugsabteilung des FBI unterstützt.
Der Film beschreibt die Katz-und-Maus-Jagd, die sich der Mann und der Jugendliche geliefert haben.
Gleichzeitig stellt das Drehbuch allerdings auch den Charakter von Abagnale in den Vordergrund und zeigt ohne klischeehaft oder aufdringlich zu sein, wieso er zum Betrüger wurde, und wieso er nicht damit aufhören konnte. Es wird ein junger Mann geschildert, der seit jeher seinen Vater als Vorbild hatte und erkennen musste, dass dieser so Vieles in seinem Leben nicht erreichen konnte. Manches war sicherlich reines Pech, anderes selbst verschuldet. Auf jeden Fall zerbrach die Welt von Frank Abagnale, Sr. Stück für Stück und damit auch diejenige von Frank, Jr.. Nachdem er von zu Hause ausgerissen war, meldete er sich immer wieder bei seinem Vater, machte ihm Geschenke oder versuchte, die Ehe zwischen ihm und seiner Mutter zu kitten.
Doch manche Dinge, das musste Frank, Jr. erkennen, lassen sich nicht mit Schecks kaufen.
Immer weiter verstrickte er sich in seine Betrügereien, gab sich einmal als Lehrer aus, dann als Arzt und dann wieder als Anwalt. Dabei war er allerdings kein bösartiger Mensch, sondern immer noch darauf bedacht, anderen nicht zu schaden, sondern ihnen bisweilen sogar zu helfen.
Bis er eines Tages aufwachte und dieses Leben nicht mehr wollte – doch so einfach ist das nunmal nicht.
Im Gegenteil, sein Vater ermutigte ihn noch dazu, damit weiter zu machen, da er der Meinung war, dass sein Sohn all das erreicht hätte, was ihm selbst nie gelungen war: Erfolg und Freiheit.

Basierend auf dem Roman von Frank Abagnale, Jr. und Stan Redding, gelang Drehbuchautor Jeff Nathanson eine beeindruckende Hommage an die 1960er Jahre, ohne nur verklärend darauf zurückzublicken. Er lässt die Details, die Gegebenheiten dieser Ära für sich arbeiten und schafft es gerade durch kleine Szenen – wie diejenige, in der sich Abagnale als Lehrer ausgibt –, eine Chemie zwischen den Filmcharakteren und dem Publikum aufzubauen.
Mit Tom Hanks Figur gelingt das spätestens, wenn er Frank zum ersten Mal erwischt – und ihn wieder laufen lässt, unbeabsichtigterweise. Sicherlich hat sich Nathanson einige Freiheiten genommen, schon allein der Dramaturgie halber – schließlich ist Catch Me If You Can in erster Linie ein Unterhaltungsfilm und keine Biographie – aber im Großen und Ganzen orientiert sich der Film recht nahe an den wahren Geschehnissen.

Es werden neben Hanks und DiCaprio viele Charaktere vorgestellt, man hat jedoch nie das Gefühl, als wären ihre Rollen zum Wohl der anderen Nebencharakteren heruntergefahren worden.
Da gibt es Franks Vater, von Christopher Walken anfangs gut, später sehr gut gespielt; dann die junge Brenda (Amy Adams), deren Leben Frank, Jr. wohl am meisten beeinflusst. Und noch viele weitere.

Im Vordergrund steht eindeutig das Zusammenspiel zwischen Leonardo DiCaprio und Tom Hanks, die zwar beide schon größere Rollen hatten, die ihnen mehr abverlangten, aber in diesem Film passen sie zusammen wie Tom & Jerry. Sie spielen natürlich, eindringlich, ohne verkrampft oder gekünstelt zu wirken und lassen eine Zeit aufleben, die schon 40 Jahre zurückliegt.
Es gibt einige sehr nette Szenen zwischen den beiden und besonders bei DiCaprios Frank, Jr. ist der Einschnitt und die charakterliche Änderung, die der Gefängnisaufenthalt auf ihn gehabt hat, deutlich zu sehen und auch sehr gut gespielt.

Dabei macht der Film glücklicherweise nicht den Fehler, Abagnales Verhalten zu glorifizieren oder seine Verbrechen zu verharmlosen, vielmehr wird gezeigt, dass auch an ihm die Spuren seines Verhaltens nicht einfach so vorüber gegangen sind und er trotz seines Lebensstils, oder gerade auf Grund der Tatsache, dass er nie sesshaft werden konnte, ansich ein bemitleidenswerter Mensch war, der seinen Platz im Leben nicht gefunden hatte.

Die Nebenrollen sind ebenfalls exzellent besetzt, und zu sehen, dass Darsteller wie Frank John Hughes, bekannt aus der von Steven Spielberg produzierten Miniserie Band of Brothers [2001], auf der Kinoleinwand – wenn auch nur in kleinen Rollen – zu sehen sind, ist für Genrekenner ein Schmunzeln wert. Auch in seinem letzten Film Minority Report schleuste Spielberg einen Darsteller der Mini-Serie mit ein: Neal McDonough.

Die Musik stammt wie bei Steven Spielberg typisch aus der Feder von John Williams, der für Catch Me If You Can ein auf den ersten Blick eher ungewöhnliches Thema geschrieben hat; bei näherer Betrachtung muss man allerdings feststellen, dass sämtliche Motive aus bekannten Williams-Kompositionen stammen, das Haupt-Thema beispielsweise stammt, leicht abgewandelt, aus JFK – Tatort Dallas [1991] und Jurassic Park [1993].
Allerdings muss man eingstehen, dass sein Score deutlich erfrischender und besser ist, als derjenige zu Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger [2002], auch wenn man das Gefühl nicht los wird, Williams fehle in jüngerer Zeit bei der Menge an Aufträgen die Inspiration und der Elan.
Trotzdem passt die Musik gut zum Film und fällt in keiner Situation negativ auf.

Kameramann Janusz Kaminski verzichtet in Catch Me glücklicherweise überwiegend auf seine Weichzeichnerfilter, rückt allerdings wie bei ihm bekannt das Geschehen in teils recht ungewohnte aber nicht weniger passende Einstellungen und dezente Kamerafahrten. Eine lange, ausgedehnte Einstellung wie in Vergessene Welt – Jurassic Park [1997] oder Minority Report gibt es zwar nicht, aber das war bei einem solchen Film auch gar nicht nötig. An der Kameraarbeit gibt es ebensowenig wie am Schnitt von Michael Kahn etwas auszusetzen, sie beide leisten eine gute, routinierte Arbeit.

Erwähnt werden sollte auf jeden Fall die Titelsequenz, die interessant animiert ist und Teile der Geschichte schon mit Schablonenmännchen erzählt. Entgegen Spielbergs Tradition, gleich mit dem Film anzufangen, oder den Vorspann in das Filmgeschehen zu integrieren, gibt es in Catch Me endlich wieder eine klassische Titelsequenz, die sich als wahrer Augenschmaus erweist.
Ebenso ein Blickfang ist zweifelsohne die Ausstattung, von den Autos über die Kleidung, die Inneneinrichtung der Gebäude bis hin zu den Frisuren der Leute – es scheint alles authentisch zu sein und man hat nie das Gefühl, als wäre der Film 2002 gedreht worden.

Wie bei jedem Film, gibt es auch bei Catch Me If You Can unzählige Anekdoten, von denen einige erwähnt werden sollen; so drehte Jennifer Garner ihre Szene im Film an nur einem Tag ab und der echte Frank Abagnale, Jr. war bis zu dem Zeitpunkt, da er Leonardo DiCaprio in den ersten Szenen sah, nicht davon überzeugt, dass der junge Darsteller ihn entsprechend verkörpern könnte.
Für Fans von Tom Hanks sind sicherlich die Anspielungen im Film interessant, die sich auf andere seiner Projekte beziehen: der fliegende Dollarschein beispielsweise ist eine Anlehnung an Forrest Gump [1994]; auf einer Tafel gegen Ende des Films schreibt Hanks, während man am Rand lesen kann "Steven and Tom's 4th project" – es war die vierte Filmzusammenarbeit zwischen Hanks und Spielberg.
Und ein weiteres Element aus Forrest Gump fand Einzug in den Film: zu Beginn ist ein Ausschnitt aus der Fernsehsendung "To Tell the Truth" zu sehen, in der Leonardo DiCaprio als Frank Abagnale, Jr. auftritt – der Ausschnitt selbst ist echt und wurde vor über 20 Jahren so live gesendet. Mittels derselben Technik wie in Forrest Gump wurde DiCaprio in die Szenen hineinkopiert – übergangslos, wohlgemerkt. Es ist in der Tat nicht zu erkennen, dass DiCaprio nicht wirklich in der Fernsehaufzeichnung enthalten war.

Wer an einen Steven-Spielberg-Film denkt, dem fallen für gewöhnlich ein furchteinflößender Killerhai, wieder zum Leben erweckte Dinosaurier, futuristische Städte, Raumschiffe, die von einer einfachen aber einprägsamen Melodie untermalt rhythmisch leuchten, ein kleiner runzeliger Außerirdischer, der Fahrräder zum Fliegen bringt oder verwaschene, manchmal auch in schwarzweiß gehaltene Bilder von den Schrecken des Krieges ein.
Aber es sollte ein solch "normaler" Film sein, viel billiger als seine letzten und um ein Haar gar kein Spielberg-Film, in dem der Regisseur allein durch die Inszenierung und den Detailgrad so viel zum Ausdruck bringt. Es ist vielleicht nicht Spielbergs bester Film, aber sicherlich einer der besten und ein Film, bei dem man Spaß hat, ihn sich anzusehen und für mehr als zwei Stunden, die wie im Flug vergehen, in eine Zeit versetzen zu lassen, die auf der Zeitskala gar nicht so weit weg, vom Zeitgeist her allerdings schon 1000 Jahre vergangen scheint.


Fazit:
Mit Catch Me If You Can gelang Regisseur Spielberg ein "kleiner", leiser Film, der neben dem Talent des Regisseurs zwei sehr gut aufgelegte Darsteller präsentiert und den Zuschauer sofort dem typischen Sixties-Charme erliegen lässt.
Die Gratwanderung zwischen Unterhaltung und Charakterstudie kann restlos überzeugen, spannende Szenen gibt es einige. Wer auf Action- oder Effektschlachten aus ist, wird allerdings enttäuscht. In diesen Film hätte das nun aber wirklich nicht gepasst.
Ein sehenswerter Film und Spielbergs bester in den letzten 4 Jahren.