Cat Person [2023]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 29. Oktober 2023
Genre: Unterhaltung / Thriller

Originaltitel: Cat Person
Laufzeit: 118 min.
Produktionsland: USA / Frankreich
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Susanna Fogel
Musik: Heather McIntosh
Besetzung: Emilia Jones, Nicholas Braun, Geraldine Viswanathan, Isabella Rossellini, Hope Davis, Fred Melamed, Christopher Shyer, Liza Koshy, Josh Andrés Rivera, Isaac Cole Powell, Liza Colón-Zayas, Michael Gandolfini


Kurzinhalt:

Es beginnt mit einem harmlosen Satz, als die Studentin Margot (Emilia Jones) bei ihrem Nebenjob im Kino den etwas älteren Robert (Nicholas Braun) auf seine Gewohnheiten bei den Snacks anspricht. Robert besucht die Vorstellungen der Filmklassiker allein und Margot ertappt sich dabei, dass sie an dem zurückhaltenden, groß gewachsenen Robert interessiert ist. Als er sie um ihre Nummer bittet, beginnt eine Phase des Kennenlernens, in der Margot nach dem Rat ihrer Freundin Taylor (Geraldine Viswanathan) nicht zu viel preisgeben soll, um die Zügel nicht aus der Hand zu geben. Tatsächlich ertappt sich Margot immer wieder dabei, dass sie sich die schlimmsten Szenarien ausmalt, was Robert für ein Mensch sein könnte. Nach einer gemeinsamen Nacht scheinen sich ihre Befürchtungen zu bestätigen, so dass die Situation nicht nur stetig bedrohlicher wird, sondern schnell eskaliert …


Kritik:
Susanna Fogels Cat Person erzählt mit einer unerwarteten Leichtigkeit von den unterschiedlichen Erwartungen und Befürchtungen, wenn sich Menschen treffen und verlieben. Dabei gelingt der Filmemacherin ein teils amüsanter, mitunter bedrohlicher Thriller, der das Dilemma, insbesondere von Frauen, in einer stets vernetzter und doch isolierter werdenden Welt auf den Punkt bringt und aktueller kaum sein könnte. Toll gespielt und inszeniert, bleibt das Drehbuch ausgewogener, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

Im Zentrum der Geschichte steht die 20jährige Margot, die abends in einem Kino jobbt, um sich ihr Studium zu finanzieren. Eines Tages wird sie auf den groß gewachsenen Robert aufmerksam, der regelmäßig alleine die Vorstellungen der Filmklassiker besucht. Irgendwann bittet Robert sie, ihm ihre Telefonnummer zu geben und auch bei dem darauffolgenden Austausch der Textnachrichten verstehen sich die beiden gut. Margots Freundin Taylor, die sich als Moderatorin eines Onlineforums für Frauenrechte einsetzt, ist Robert gegenüber skeptisch und bittet Margot, bestimmte Regeln zu beachten, so dass sie die Kontrolle über die sich anbahnende Beziehung nicht aus der Hand gibt. Doch Margot ist sehr an Robert interessiert und es führt eines zum anderen. Eine Frage, die sie sich dabei immer wieder stellen muss, wenn sie mit Robert allein an der Universität ist, mit ihm in seinem Auto zum Essen fährt, oder ihn nach Hause begleitet, ist allerdings, wie gut sie diese Person wirklich kennt. Sie weiß nicht einmal, was Robert beruflich macht und sämtliche Vorstellungen von ihm, die sich Margot sogar bildlich vor Augen führt, basieren darauf, was sie aus seinen Textnachrichten herausliest.

So endet ein gemeinsamer Abend, bei dem sich Margot eingestehen muss, dass ihr altklug wirkendes Auftreten eine tieferliegende Unsicherheit kaschiert, auf eine für beide Seiten so unangenehme wie peinliche Art und Weise. Margot sieht sich dabei selbst, wie sie sich beobachtet und ihr Handeln, ihre Entscheidungen hinterfragt, zu denen auch zählt, nicht nein gesagt oder ein voriges „Ja“ nicht zurückgenommen zu haben. Es ist ein Dialog, der so unvorstellbar ehrlich und entblätternd zugleich ist. Der Moment ist mehr stellvertretend als traumatisch und führt Cat Person zu einer zweiten Hälfte, die anfangs so verläuft, wie man erwarten würde, ehe die Story vollkommen unabsehbare Richtungen einschlägt. Denn eher unfreiwillig bereitet Margot durch Taylors Zutun der Beziehung ein Ende, was zu einer Eskalationsspirale führt, in der es am Ende auf Grund der schlimmsten Befürchtungen auf beiden Seiten keinen Weg zurück mehr gibt. Regisseurin Fogel lässt das Publikum dies aus Sicht von Margot erleben, die sich eingangs schuldig fühlt, Roberts Gefühle verletzt zu haben, dann jedoch immer öfter einen Blick über ihre Schultern wirft, wenn sie nachts allein nach Hause geht.

Ihre anfängliche Skepsis, was für eine Art Mensch Robert ist, wird für sie in dem Moment bestätigt, dass sie in seinem Haus keine Katzen vorfindet, obwohl er doch im Vorfeld sagte, er habe zwei. Taylor begründet das damit, dass Männer mit Katzen harmloser erscheinen würden, als wäre Robert jemand, der sich kümmert. Nur, wenn er wegen der Katzen gelogen hat, was kann Margot ihm dann überhaupt noch glauben? Sowohl sie als auch Robert erzeugen im Vorfeld durch ihren digitalen Austausch nicht nur ein Bild des anderen für sich selbst, sondern auch eine Vorstellung ihrer Person vor dem geistigen Auge des jeweils anderen. Je mehr Margot über sich verrät, umso verletzlicher macht sie sich damit und lässt laut Taylor zu, dass Robert die Kontrolle über die Unterhaltung erlangt. Die Phase des Kennenlernens schildert Cat Person nicht als eine Zeit der Neugier und Überraschung, sondern eines still ausgefochtenen Kampfes, eines Taktierens und auf Distanz Haltens. Das wirkt im ersten Moment ernüchternd, doch wird Margot zumindest auf den ersten Blick bestätigt, als Robert auf die Zurückweisung so reagiert, wie er es tut.

Es wäre nun einfach, Frauen stets als Opfer in Beziehungen darzustellen und Robert stellvertretend für gewaltbereite, besitzergreifende und manipulative Männer. Aber obwohl Cat Person aus Margots Sicht geschildert ist, hinterfragt die Erzählung, wie viel dessen, was geschieht, Margot selbst provoziert und ob sie sich überhaupt der Tatsache bewusst ist, wie sie auf Robert wirkt. Es ist ein Blick auf unsere Gesellschaft und die Art und Weise, wie sich Menschen kennenlernen, die entblättert und das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen spürbar offenlegt. Anstatt bitter und einseitig, gerät die Geschichte oftmals leichtfüßig und amüsant. Doch das wiegt nur bedingt auf, dass insbesondere die zahlreichen bildlichen Vorstellungen Margots, was für ein Mensch Robert ist, den Film nur länger machen und das letzte Drittel, so gut der Stimmungs- und Genrewechsel funktioniert, ein ganz anderes Publikum anspricht. Bedenkt man dann noch, dass Margot als Figur selbst kaum vorgestellt und nie deutlich wird, ob ihre Horrorvorstellungen einer früheren Beziehung entspringen, muss man sich letztlich fragen, wie gut man von Seiten des Publikums Margot überhaupt kennt.


Fazit:
Sieht man die junge Margot auf der einen Seite, die sich lebenserfahrener gibt, als sie ist, und hinter deren Fassade eine große Unsicherheit steht, während der freundlich auftretende, aber distanzierte Robert nicht nur älter ist, sondern sie auch physisch spürbar überragt, dann könnte der Kontrast größer kaum sein. Filmemacherin Susanna Fogel nähert sich der grundlegenden Frage, wie sehr man die Person am anderen Ende des Bildschirms kennt, mit einer geradezu greifbaren Authentizität. Rekapituliert Margot, was sie in eine Situation gebracht hat, aus der sie am liebsten verschwinden möchte, dann ist das nicht nur ehrlich, sondern auf eine beinahe schmerzliche Art und Weise entlarvend. Es sind diese Aspekte, die den skeptischen Liebesfilm mühelos zu einem durchaus packenden Thriller im letzten Drittel werden lassen. Handwerklich toll eingefangen, unterstreichen die Perspektiven nicht nur Margots Isolation auf den dunklen Straßen, sondern auch, wie sehr sie in den Bildschirm des Mobiltelefons gezogen wird. Engagiert und greifbar gespielt, ist Cat Person ein nachdenklich stimmender und stellenweise beunruhigender, relevanter Thriller, der keine einfachen Antworten liefert, sondern dem Publikum die Fragen mit nach Hause gibt. Dass er dabei etwas zu lange geraten ist, verzeiht man gern.