Cars [2006]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. Februar 2008
Genre: Animation / Unterhaltung

Originaltitel: Cars
Laufzeit: 116 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2006
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: John Lasseter, Joe Ranft
Musik: Randy Newman
Originalstimmen: Owen Wilson (Daniel Brühl), Paul Newman (Friedrich Schoenfelder), Bonnie Hunt (Bettina Zimmermann), Larry The Cable Guy (Reinhard Brock), Cheech Marin (Gudo Hoegel), Tony Shalhoub (Rick Kavanian), Guido Quaroni (Marcantonio Moschettini), Jenifer Lewis (Sandra Schwittau), Paul Dooley (Ekkehardt Belle), Michael Wallis (Jochen Striebeck), George Carlin, Katherine Helmond (Nadja Tiller), John Ratzenberger, Joe Ranft, Michael Keaton (Christian Tramitz), Richard Petty (Niki Lauda), Jeremy Piven, Michael Schumacher


Kurzinhalt:
Es ist das Finale des Piston-Cup, und Rennwagen Lightning McQueen (Owen Wilson / Daniel Brühl) hat die Möglichkeit, das Rennen als Neueinsteiger für sich zu entscheiden. Doch durch seine Arroganz, alles allein meistern zu können, reicht es zwischen ihm, Titelverteidiger The King (Richard Petty / Niki Lauda) und Chick Hicks (Michael Keaton / Christian Tramitz) nur für ein Unentschieden. Eine Woche später soll in Kalifornien das Entscheidungsrennen stattfinden – und McQueen will gewinnen, um als Titelwagen für den Sponsor Dinoco verpflichtet zu werden.
Doch unterwegs strandet er in dem Nest Radiator Springs an der Route 66 und wird dort vom ansässigen Richter und Arzt Doc Hudson (Paul Newman / Friedrich Schoenfelder) dazu verurteilt, den Schaden, den er an der Stadtstraße verursacht hat, wieder zu reparieren. Während der etwas langsame Abschlepptruck Mater (Larry The Calbe Guy / Reinhard Brock) den roten Sportflitzer McQueen sofort in sein Herz schließt, ist die Anwältin Sally (Bonnie Hunt / Bettina Zimmermann) vorsichtiger. Und in der Tat verkündet McQueen immer wieder, wie viel besser er es da hat, wo er hin möchte. Doch bis er aufbrechen kann, lernt er Radiator Springs und dessen Einwohner kennen – und ein Leben, das nicht ständig auf der Überholspur geführt wird. Sehr zum Bedauern von Doc Hudson ...


Kritik:
Regisseur John Lasseter war 38, als er für den abendfüllenden, computergenerierten Spielfilm Toy Story [1995] den Oscar für Besondere Leistungen bekam; zuvor hatte er die Trophäe bereits für den Kurzfilm Tin Man [1989] mit nach Hause nehmen dürfen. Seither war er als Regisseur und/oder Produzent aller weiteren Filme der Animationsschmiede Pixar Animations verantwortlich. Das Studio, dessen Filme nach wie vor von Walt Disney vertrieben werden, haben in den letzten 13 Jahren mehr als 4,3 Milliarden Dollar an den Kinokassen weltweit eingenommen – die Video- und Spielzeugvermarktung ist da noch nicht einmal inbegriffen. Kein Wunder, dass man es sich bei Disney zweimal überlegte, ob man die erfolgreichen Pixelkünstler zu einem anderen Vertrieb ziehen lassen sollte.
Mit Cars übernahm Lasseter nach sieben Jahren seit Toy Story 2 [1999] zum ersten Mal wieder die Regie bei einem Pixar-Film. Im Vorfeld war auch manch einer skeptisch, ob die Geschichte um die sprechenden Autos überhaupt ein Publikum finden würde, zumal der Streifen mit einem Budget von 120 Millionen Dollar zum ersten Mal in der Pixar-Geschichte den Sprung jenseits der magischen 100 Millionen Grenze schaffte. Zu Beginn waren die Zuschauerzahlen auch alles andere als viel versprechend, zumal sie nach dem immens erfolgreichen Findet Nemo [2003] einen Rückschritt bedeuteten. Insgesamt konnte Cars aber mit mehr als 450 Millionen Dollar die Kassen doch noch einmal klingeln lassen, auch wenn der Film den Oscar für den "Besten Animationsfilm" an die Musicalkomödie Happy Feet [2006] abgeben musste. Woran man allerdings merkt, dass sich Cars, ebenso wie Die Unglaublichen – The Incredibles [2004] und Findet Nemo vom konventionellen Animations- oder Zeichentrickfilm, verabschiedet, ist die Lauflänge des Films. Mit knapp zwei Stunden liegt er deutlich über dem durchschnittlichen Zeichentrickfilm von 90 Minuten. Glücklicherweise merkt man dem erstklassig gemachten Rennabenteuer (nebenbei der erfolgreichste Autorennfilm aller Zeiten) die Lauflänge nicht an. Im Gegenteil.

Was bei Pixar-Filmen zumeist verwundert ist die Tatsache, aus wie vielen Beiträgen das Drehbuch besteht; im Falle von Cars steuerten immerhin 13 (!) Autoren ihre Ideen und Konzepte zum endgültigen Film hinzu. Für jede normale Filmproduktion bedeuten schon mehr als drei Autoren den künstlerischen Kollaps. Und doch macht der Film nicht den Eindruck, er wäre episodenhaft zusammen gestückelt oder wirke nicht aus einem Guss, vielmehr zeichnet sich das Drehbuch durch interessante Figuren, eine witzige, wenn auch leider vorhersehbare Geschichte und drei sehr wichtige, wenn auch mitunter versteckt angesprochene Aussagen aus.
So wird der Rennwagen Lightning McQueen von Beginn an gar nicht als ein Sympathieträger vorgestellt; vielmehr scheint er als verzogener, arroganter Schnösel, der es gar nicht erwarten kann, seinen Ursprüngen, die ihm seine Karriere überhaupt erst ermöglicht haben, zu entkommen. Und dafür ist ihm jedes Mittel recht. So nehmen die Autoren dem in der Öffentlichkeit stehenden McQueen die Fassade und ersetzen sie durch eine egoistische Persönlichkeit, die im Leben der heutigen Stars vermutlich gar nicht so selten ist.
Auch wie die übrigen Figuren, insbesondere die vielen Einwohner der Kleinstadt Radiator Springs, vorgestellt werden, ist äußerst gelungen. So vermitteln die Autoren einem auch ein Gefühl dafür, wie das Leben in der inzwischen verlassenen Stadt früher einmal gewesen sein muss. Dank der ausgefeilten, stellenweise sehr witzigen Dialoge und der Charakterisierungen von Figuren wie Doc Hudson oder auch Sally Carrera gewinnt Cars das Herz all derjenigen Zuschauer für sich, die sich auf eine Geschichte mit etwas mehr Tiefgang einlassen. Dass die Geschichte grundsätzlich etwas konventionell ausgefallen ist, die Wendungen in der Story meist absehbar sind, und auch das Ende nicht wirklich überrascht, nimmt man dank der liebenswerten Charaktere gern in Kauf.
Dafür sorgen viele Einfälle innerhalb der Szenen, der Skurrilitäten der Einwohner von Radiator Springs oder der Geschehnisse im Hintergrund. Allein zu sehen, wie sich die Autos in Cars zu helfen wissen, sich der Alltag auch aus Sicht eines Autos meistern lässt (oder dass selbst die fliegenden Käfer tatsächlich VW Käfer sind), entschädigt für die absehbare Handlung.

Womit Lasseters Film außerdem aufwartet ist eine tadellose, stellenweise schlichtweg atemberaubende technische Umsetzung. Dank des erstklassigen Tons kommen kleinste Geräusche wie auch die Motoren hervorragend zur Geltung, bei den Rennen kann man sogar die Schmutz- und Sandkörnchen surren hören, von den Grillen und Fliegen im Hintergrund der kargen Landschaft um Radiator Springs ganz zu schweigen. Für eine Heimkinoanlage ist der Film somit ein Traum.
Die Bilder stehen dem in kaum etwas nach. Man wird bei Pixar das Gefühl nicht los, als würden die Macher von Film zu Film eine bestimmte Technik ausprobieren und perfektionieren. Waren es bei Findet Nemo die Kameraeinstellungen und Kamerafahrten, sind es in Cars Licht und Spiegelungen. Was den Zuschauer hier erwartet ist nicht nur verblüffend, sondern insbesondere bei manchen Landschaftsaufnahmen wie der Spazierfahrt von Sally und Lightning absolut fotorealistisch. Sowohl was die Farben, als auch das Aussehen angeht, gibt es hier keinen Unterschied mehr zur Realität. Weswegen dies nicht im Rest des Films ebenso gelungen ist, ist insofern etwas verwunderlich – man weiß allerdings auch nicht, was Pixar diesbezüglich noch aus dem Ärmel schütteln möchte.

Zur Geltung kommt die bahnbrechende Technik durch eine erstklassige Inszenierung, die Realfilmen in nichts nachsteht – sondern sie stellenweise sogar übertrifft. Sowohl bei den Rennen, als auch bei den ganz gewöhnlichen Einstellungen überzeugt Cars durch eine Optik, die in Bezug auf Kamera und Schnitt, Zeitlupen und Blickwinkel einem echten Rennfilm näher kommt, als es die meisten selbst tun.
So hat man als Zuschauer immer einen Überblick über das Geschehen, die dynamische Kamera mit den leichten Wacklern, wenn ein Auto dicht daran vorbeifährt, oder den Kamerafahrten, die in Realfilmen nur schwer umzusetzen wären, besticht durch eine Lebendigkeit und Bildkomposition, dass andere Regisseure vor Neid erblassen sollten. Mehr kann man nicht erwarten, weder von einem Animationsfilm, noch einem anderen. Dass sich Pixar wie meistens die Mühe gemacht hat, Zeitungsartikel, Schriften und vieles andere für die deutsche Filmfassung zu übersetzen, ist nicht nur lobenswert – es verdeutlicht den hohen Standard der Filmproduktion, die über den amerikanischen Horizont hinaus geht.

Wovon ein Animationsfilm selbstverständlich lebt, sind die Sprecher, die den Figuren Leben einhauchen. Die deutsche und englische Fassung sei hier einmal getrennt betrachtet.
Mit Owen Wilson, Paul Newman und Bonnie Hunt konnte man in der US-Fassung einige namhafte Darsteller für die Hauptrollen gewinnen, die sich auch alle merklich Mühe geben, ihre Figuren zur Geltung kommen zu lassen. Auch Wilson, der seither durch private Schwierigkeiten gebeutelt wurde, macht seine Sache gut, mit dem rauchigen Newman wurde Doc Hudson exzellent getroffen und auch Bonnie Hunt macht ihre Sache gut – und doch kommen beide gegen die legendäre Besetzung Findet Nemos mit Albert Brooks und Ellen DeGeneres nicht an. Dafür schient 2003 die Chemie zwischen den beiden Sprechern auch besser zu stimmen, als bei Wilson und Hunt. Larry The Cable Guy sorgt in der Tat für die meisten Lacher, auch wenn er durch den starken Akzent mitunter schwer zu verstehen ist; Cheech Marin und Tony Shalhoub sind nur für wahre Fans wiederzuerkennen, wohingegen Jeremy Piven und Michael Keaton kaum Dialog besitzen. Anders hingegen John Ratzenberger, der sich beim Abspann wenigstens selbst auf die Schippe nehmen darf und kritisiert, dass Pixar immer dieselben Sprecher verpflichte (er war bislang in allen acht Filmen zu hören). Michael Schumacher darf sich sogar im englischen Original selbst sprechen – und überraschenderweise gelingt ihm dies besser, als bei der deutschen Fassung.
Auch wenn die US-Fassung mit vielen bekannten Namen aufwartet, in Nebenrollen auch Rennlegenden wie Mario Andretti zu bieten hat, im Deutschen müssen sich Fans des Rennsports nicht mit weniger zufrieden geben. So ist eben auch Schumacher zu hören, oder Niki Lauda. Und auch die beiden Rennmoderatoren dürften bekannt sein. Zwar scheinen sie alle nicht so talentiert wie professionell ausgebildete Sprecher, doch wird dieser Unterschied bei nichts deutlicher, als bei den Hauptfiguren selbst. Während Daniel Brühl und Bettina Zimmermann also ganz solide Arbeit leisten (ebenso wie Reinhard Brock), werden sie von dem bekannten und alt eingesessenen Synchronsprecher Friedrich Schoenfelder mühelos in den Schatten gestellt. Da fallen auch Nebenrollen wie diejenige von Gudo Hoegel nicht weiter auf, der einmal mehr gute Arbeit leistet.
Insgesamt kann sich somit auch die deutsche Synchronfassung sehen lassen, die nicht weniger prominent ausfällt, dafür immerhin auf die üblichen, überschätzten Comedy-Akteure verzichtet und deutlich professioneller erscheint, als bei Die Unglaublichen.

Bereits für Toy Story war der Musiker Randy Newman als Komponist verantwortlich – und brachte ihm seine siebte und achte Oscarnominierung ein. Sowohl für die Musik, als auch für das beste Lied. Es sollten noch sieben weitere folgen, ehe er die Trophäe für den Song zu Die Monster AG [2001] mitnehmen konnte. Auch für Cars war sein Song erneut nominiert – für den Score selbst hat er noch keinen Oscar bekommen. Sein Cousin Thomas Newman, der unter anderem für den kommenden Pixar-Film WALL·E [2008] verantwortlich sein wird, hat die Trophäe bislang ebenfalls noch nicht verliehen bekommen.
Sieht man sich Randy Newmans Filme an, ist dies kaum verständlich, zumal auch der Score zu Cars ebenso temporeich wie melodische gelungen ist, so orchestral wie Country-lastig. Die verschiedenen Themen vereint Newman gekonnt und verleiht zusammen mit den exzellent ausgewählten, gesungenen Liedern und Popsongs dem Film einen leicht zugänglichen musikalischen Hintergrund, der die CD zum Film auch für diejenigen interessant macht, die mit rein orchestraler Musik sonst weniger anfangen können.

Die beinahe zwei Stunden von Cars vergehen in der Tat wie im Flug; und es ist erstaunlich, dass Pixars siebter Film in Folge einen so hohen Erzähl- wie Produktionsstandard offenbart. Zwar ist die Geschichte etwas konventioneller geraten, und die sprechenden Autos sind einfach nicht so knuffig wie behaarte, blaue Monster oder goldig in die Kamera blinzelnde Zierfische, doch ist es die Aussage, die John Lasseter zusammen mit seinem langjährigen Geschäftspartner und Co-Regisseur, Sprecher und Autor Joe Ranft hier publik macht, die gerade in unserer schnelllebigen Welt Gehör finden sollte.
Statt den Film ständig auf der Überholspur spielen zu lassen, schalten die Macher regelmäßig einen Gang herunter und betonen die ruhigen Momente. Das ist zwar nicht so lustig wie bei Die Unglaublichen oder Toy Story 2, aber sehenswert und technisch in jedem Fall atemberaubend.
Gewidmet ist Cars Joe Ranft, der vor Fertigstellung des Films bei einem Autounfall ums Leben kam.


Fazit:
Sieht man, wie eilig wir es jeden Tag haben, um von A nach B zu kommen, alles so schnell wie möglich zu erledigen und den nächsten Termin immer im Nacken, sind zwei Stunden, die man sich gönnt, um einen Film wie Cars anzusehen beinahe so etwas wie Erholung – oder ein Kurzurlaub.
Umso schöner ist es, dass die Macher die Zuschauer hier darauf hinweisen, dass das Leben nicht immer so schnell und hektisch war. Und angekommen ist man damals trotzdem. Themen wie Freundschaft, Teamgeist und Uneigennützigkeit werden oft mit dem großen Zeigefinger in Filmen aufgegriffen, doch John Lasseter lässt seine Hauptfigur Lightning McQueen diese Lektionen lernen, ohne uns zu verurteilen. Dass er dies in eine lustige, wenn auch nicht zum brüllen komische Geschichte verpackt, die mit etwas weniger Überraschungen daher kommt, als man von den letzten Pixar-Filmen gewohnt war, stört nicht. Dies wird durch die exzellenten, für staunende Gesichter sorgenden Bilder wieder wettgemacht.
Und doch ist es die Geschichte, die am Ende im Gedächtnis bleibt. Und diese ist einfach sehenswert.