Buried - Lebend begraben [2010]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 17. November 2010
Genre: Drama / ThrillerOriginaltitel: Buried
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: Spanien / USA / Frankreich
Produktionsjahr: 2010
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Rodrigo Cortés
Musik: Víctor Reyes
Darsteller: Ryan Reynolds, José Luis García Pérez, Robert Paterson, Stephen Tobolowsky, Samantha Mathis, Ivana Miño, Warner Loughlin, Erik Palladino, Kali Rocha
Kurzinhalt:
Paul Conroy (Ryan Reynolds) erwacht in absoluter Finsternis. Eingeschlossen in einen Sarg und lebend begraben findet er neben einem Feuerzeug auch ein Handy. Er wurde entführt und als der Entführer (José Luis García Pérez) ihn anruft, fordert er ein Lösegeld von fünf Millionen Dollar. Andernfalls bleibt Paul vergraben. Paul bleibt wenig Zeit und Luft in der Holzkiste und seine ersten Anrufe zur Firma, für die er arbeitet, laufen wenig erfolgreich. Auch seine Frau ist nicht zu erreichen.
Schließlich wird er mit Dan Brenner (Robert Paterson) verbunden, einem Spezialisten für Geiselnahmen im Irak. Von Pauls Hilfskonvoi, der von Aufständischen überfallen wurde, ist wohl außer ihm niemand übrig geblieben. Brenner macht Paul Mut, man werde ihn finden, auch wenn die US-Regierung kein Lösegeld an Terroristen zahlen werde. Doch je schneller die Zeit verrinnt, umso hohler klingen Dans Versprechungen. Und umso schlimmer werden die Forderungen des Entführers, der durch seinen Führerschein auch die Adresse von Pauls Familie kennt ...
Kritik:
Es ist eine Horrorvorstellung, aufzuwachen, ohne zu wissen, was passiert ist, um festzustellen, dass man in einem Sarg unter der Erde eingeschlossen ist. Paul Conroy geschieht genau dies in dem klaustrophobischen Gesprächsdrama Buried. Er erwacht in absoluter Dunkelheit und entdeckt bei sich ein Feuerzeug. Im Licht der flackernden Flamme bestätigt sich, was man als Zuschauer schon weiß, wenn man den Kinosaal betritt: Conroy wurde lebendig begraben. Seine Reaktion auf diese Erkenntnis hin zu sehen, ruft einem jedoch auf eine unmittelbare Art und Weise ins Gedächtnis, was dies tatsächlich bedeutet. Regisseur Rodrigo Cortés erzählt seinen eineinhalb Stunden dauernden Film einzig aus der Sicht von Paul, wie er versucht, die wenige Zeit, die ihm bleibt zu nutzen, um mit einem Handy, das die Entführer ihm überließen, Menschen zu erreichen, die ihm helfen können. Er ruft das FBI an, seine Frau, seinen Arbeitgeber. Er lässt nichts unversucht, jemanden dafür zu interessieren, was mit ihm geschieht. Dann rufen die Entführer an und verlangen ein Lösegeld. Er soll mit der Handykamera ein Video drehen, das sie veröffentlichen – der Einsatzleiter für das Sonderkommando Geiselnahmen Dan Brenner, den er nach einer halben Ewigkeit endlich ans Telefon bekommt, rät ihm davon ab. Was hat Paul für eine Wahl? Zumal die Entführer seinen Führerschein aus der Brieftasche entwendet haben und wissen, wo er und seine Familie wohnen.
Was in Buried alles geschieht, kann man sich kaum ausmalen, doch es ist vermutlich nicht einmal unrealistisch. Cortés packt den Film trotz des sehr begrenzten Raumes, in dem Paul agieren kann, voller Wendungen, versieht die Dialoge mit einer Dringlichkeit, die man Paul sehr gut nachempfinden kann. Keine einzige Einstellung außerhalb des Sarges zu zeigen, nie für einen Moment an das andere Ende der Leitung zu springen, um die Sachbearbeiter zu zeigen oder Pauls Ehefrau Linda, ist eine mutige Entscheidung. Sie verleitet den Zuschauer aber gleichzeitig dazu, sich selbst darüber Gedanken zu machen, was dort geschehen könnte und wie diejenigen Personen reagieren. Es versetzt einen dabei umso mehr in die Lage von Paul, unterstreicht seine Isolation und lässt seine Verzweiflung spürbar werden, wenn er irgendwo in eine Warteschleife gesetzt wird, während ihm die Luft ausgeht und die Zeit durch die Finger rinnt.
Dabei interessiert es nicht, ob Paul ein guter Mensch ist, oder nicht. Man erfährt, dass er im Irak den Truck eines Hilfskonvois gefahren hat, der überfallen wurde. Er verlor das Bewusstsein und als er wieder zu sich kam, war er in dem Sarg eingeschlossen. Es wird angedeutet, er habe eine Affäre mit einer Kollegin gehabt. Doch ob es sein Schicksal weniger ergreifend macht? Ryan Reynolds verkörpert Paul Conroy auf eine beeindruckende Art und Weise. Seine eineinhalbstündige One-Man-Show wirkt nie überzogen und erschüttert sogar in der panischen Entschlossenheit, zu der seine Hoffnung auf Rettung ihn bewegt. Es ist ein physischer wie mimischer Kraftakt, der umso mehr Anerkennung verdient, wenn man sich den begrenzten Raum ansieht, in dem spielen darf. Der Sarg ist zwar von den Entführern etwas größer gewählt, damit Paul mehr Luft bleibt, aber selbst das Umdrehen in der Holzkiste ist eine Qual.
Regisseur Rodrigo Cortés fängt den begrenzten Raum, in dem sich Paul aufhält, einfallsreich ein und erzeugt ein Tempo, das erst mit dem Abspann wieder nachlässt. Dabei mögen Kamerafahrten um den Sarg herum, oder aus dem Sarg heraus in das Schwarz, das über ihm liegen mag, einer künstlerischen Freiheit entsprechen, sie unterstreichen aber stets Pauls Einsamkeit.
Geiselnahmen sind in den derzeitigen Kriegsgebieten dieser Welt ein boomendes Geschäft. Mitunter sind die Geiselnehmer ebenso verzweifelt wie die Menschen, die sie in diese Situation hinein ziehen. So deprimierend der Ausgang des packenden Dramas ist, er ist vermutlich nicht selten. Das macht es nicht einfacher, Buried zu verarbeiten.
Fazit:
Luft, der Ladezustand des Handy-Akkus, das Feuerzeugbenzin, Zeit – Paul Conroy hat viele Dinge, die ihm in dem Sarg rasant zur Neige gehen. Nur eines wächst: seine Verzweiflung. Dagegen kommen auch die Hoffnung machenden Beteuerungen Dan Brenners nicht an. Einzig, dass die Entführer ein Lösegeld verlangen und das werden sie nur bekommen, solange Paul lebt. Buried gestaltet aus der minimalistischen Ausgangslage ein packendes, deprimierendes Szenario, das keinen Zuschauer loslässt, der sich ernsthaft mit Pauls Situation beschäftigt.
Von Ryan Reynolds intensiv gespielt und ebenso spannend wie perspektivenreich gefilmt zählt der überraschend temporeiche Film zu den anstrengendsten Dialogfilmen. Weniger auf Grund der Gesprächsinhalte, als vielmehr wegen des schonungslos realistischen Settings. Das Ende macht es nicht leichter, Pauls Tortur so unmittelbar beizuwohnen.