Bokeh [2017]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 1. Mai 2017
Genre: Drama / Science Fiction

Originaltitel: Bokeh
Laufzeit: 92 min.
Produktionsland: Island / USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt

Regie: Geoffrey Orthwein, Andrew Sullivan
Musik: Keegan DeWitt
Darsteller: Maika Monroe, Matt O'Leary, Arnar Jónsson, Gunnar Helgason, Berglind Rós Sigurðardóttir


Kurzinhalt:

An sich sollte es ein romantischer Urlaub für Jenai (Maika Monroe) und Riley (Matt O'Leary) auf Island werden. Doch als sie eines morgens aufwachen, stellen sie fest, dass niemand sonst mehr da ist. Alle Menschen sind spurlos verschwunden, die Welt – nach allem, was sie in Erfahrung bringen können, ist bis auf sie beide leer. Nach dem anfänglichen Schock, versucht Riley, das beste aus der Situation zu machen, und Jenai mit regelmäßigen Tapetenwechseln abzulenken. Er ist der Meinung, dass sie sich nun in einer Welt, die ihnen allein gehört, ausleben können. Doch Jenai wird von der Einsamkeit zunehmend erdrückt und stellt sich immer öfter die Frage, ob sie für etwas auserwählt wurden – oder bestraft werden ...


Kritik:
Die Ausgangslage bei dem minimalistischen Science Fiction-Drama Bokeh ist so vielversprechend, dass es umso mehr enttäuscht, wie wenig die beiden Filmemacher Geoffrey Orthwein und Andrew Sullivan davon nutzen. Vor der Kulisse Islands, die erscheint, als stamme sie aus einer anderen Welt, entdeckt das Pärchen Jenai und Riley und einer unvorstellbaren Einsamkeit sich selbst. So beängstigend die Idee, so flach sind jedoch die kaum ausgeschmückten Figuren vor einer malerischen Landschaft.

Die Geschichte erzählt davon, dass die beiden – für den größten Teil des Films einzigen – Figuren Urlaub auf Island machen. Eines Morgens erwachen sie in ihrem Hotel und stellen fest, dass niemand anderes mehr da ist. Nicht nur in der Stadt, sondern auf der ganzen Welt. Die gesamte Menschheit ist schlichtweg verschwunden. Was sich für manche womöglich im ersten Moment wie der perfekte Urlaub anhört, besitzt in Wirklichkeit eine beängstigende Endgültigkeit. Wenn niemand mehr da ist, was wenn man erkennt, dass die Person, mit der man gestrandet ist, niemand ist, mit der man allein sein möchte? Oder schlimmer noch, was wenn man erkennen muss, dass man selbst diese Person ist?

Es gibt viele Möglichkeiten, in welche Richtung sich die Geschichte von hier entwickeln kann. So könnte man Bokeh tatsächlich als Science Fiction-Film erzählen und Jenai und Riley auf die Suche nach der Ursache der Geschehnisse schicken. Der erste offensichtliche Ansatzpunkt wäre in diesem Fall doch, dass sich die beiden ein Gebäude mit einer Überwachungskamera suchen und die Aufzeichnungen der Nacht durchsehen. Doch daran scheinen sie selbst irgendwie nicht interessiert. Überhaupt können sich die Regisseure, die beide das Skript verfassten, nicht entscheiden, was ihre Figuren eigentlich wollen. Während Jenai immer wieder anklingen lässt, dass sie nach Hause möchte, bemüht sie sich nie wirklich selbst darum und wenn sie später endlich Eigeninitiative zeigt und nach Überlebenden sucht, verfliegt ihr Tatendrang nach wenigen Minuten. Riley auf der anderen Seite spricht immer wieder davon, dass ihnen nun diese Welt gehört und sie sie nutzen sollen – nur macht er viel zu spät Anstalten, selbiges zu tun.

Die Figuren in Bokeh verhalten sich nicht so, wie man es an ihrer Stelle tun würde. Das beginnt damit, dass Jenai ihrem Partner nicht erzählt, was sie in der Nacht gesehen hat. Auch machen sie nie wirklich Pläne, die Insel zu verlassen, oder, wenn sie sich zum Bleiben entscheiden, vorzusorgen. Die verderblichen Lebensmittel in den Supermärkten werden nicht ewig genießbar bleiben. Wenn sich Jenai und Riley damit abfinden, auf der Insel zu bleiben, sollte man meinen, dass sie sich besser zu organisieren wissen, einen Plan für das Überleben schmieden. Doch der Film wirft diese Themen nicht einmal auf.

Das Skript könnte die Ausgangssituation auch nutzen, um in eine philosophische Richtung zu marschieren und existenzielle Fragen zu stellen. Das beginnt damit, ob einen die Tatsache, dass man allein auf der Welt ist, von der Verantwortung entbindet, den Planeten und die Tiere entsprechend zu behandeln. Aber bis überhaupt Tiere zu sehen sind, vergehen zwei Drittel des Films und auch hier stellen sich die Gestrandeten nie die Frage, was beispielsweise aus den Nutztieren wird, um die sich niemand kümmert.
Von offensichtlichen Fragen, wie was aus den Atomkraftwerken rund um die Welt wird, wenn niemand dort ist, um sie zu warten, ganz zu schweigen. Selbst aus dieser Situation, die Figuren in eine gewisse Existenzangst zu versetzen, hätte man etwas machen, eine Aussage gewinnen können. Doch auch hier enttäuscht Bokeh. Der einzige Moment, in dem dies anklingt ist, wenn sich Riley auf Grund eigener Unachtsamkeit verletzt und sie erkennen, dass es niemanden gibt, der ihnen hilft.

Das ist wohl auch das vorherrschende Thema, denn außer um sich selbst, sorgen sich die beiden Figuren um niemanden. Dabei scheinen sie einander nie vollends sympathisch, oder liebevoll mit einander umzugehen. Für ein Pärchen wirken sie in ihrer eigenen Gesellschaft stets unterkühlt und sich im Laufe des Films weiter voneinander zu entfernen, um in der nächsten Szene wieder gemeinsam etwas zu unternehmen. Nur, wieso, arbeiten die Filmemacher nicht heraus. Es ist eine Beziehung, bei der man gar nicht weiß, wer der aktivere von beiden ist und die Richtung vorgibt. Ebenso wie beim Film an sich.


Fazit:
Obwohl die Regisseure gewisse Dinge ansprechen, wie weshalb Riley stets Bilder macht, ohne je eines davon zu entwickeln, sie lösen diese Fragen nie auf. Die Dynamik zwischen den Figuren bleibt ebenso undurchschaubar wie ihre Motivation unklar. Sie scheinen von der Chemie her überhaupt nicht zueinander zu passen. Wird Riley in einem Moment von der Einsamkeit beinahe erdrückt, ist im nächsten Moment alles wie gehabt und er scheint genau das zu wollen, nur warum? Dass die Darbietungen über ein solides Mittelmaß nicht hinausgehen, liegt vor allem daran, dass das Skript den Darstellern bis auf ein paar Aufnahmen zu wenig zu tun gibt. Die Inszenierung baut zum größten Teil auf die traumhafte Landschaft, die mit ihren Gegensätzen zur unwirklichen Atmosphäre des Films beiträgt. Die Perspektiven selbst sind teils so unglücklich gewählt, dass was man sehen möchte unmittelbar außerhalb des Bildes liegt und wenn wiederholt wichtige Dialoge im Off stattfinden, wirkt das wie ein Trick, um dem Gesprochenen eine visuelle Bedeutung zu verleihen.
So sehr ich den Film auf Grund der Ausgangslage auch mögen wollte, am Ende ist Bokeh ein orientierungslos erzähltes Drama, das Island als Sehenswürdigkeit in den Mittelpunkt rückt, dessen Geschichte jedoch dahindriftet, so dass die Figuren und ihr Schicksal nicht ansatzweise interessieren oder mitreißen würden. Im Gegenteil, man hat beinahe das Gefühl, als wären sie von einander selbst gelangweilt.