Beckenrand Sheriff [2021]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 29. August 2021
Genre: Komödie

Laufzeit: 114 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Marcus H. Rosenmüller
Musik: Andrej Melita
Besetzung: Milan Peschel, Dimitri Abold, Sebastian Bezzel, Gisela Schneeberger, Johanna Wokalek, Sarah Mahita, Rocko Schamoni, Thomas Mraz, Rick Kavanian, Frederic Linkemann, Daniel Holzberg, Sebastian Gerold, Bless Amada, Tina Pfurr, Thomas Schmauser, Justine Hauer


Kurzinhalt:

Seit Jahrzehnten ist der übergenaue und rau auftretende Karl Kruse (Milan Peschel) Schwimmmeister des sanierungsbedürftigen Freibads im oberbayerischen Grubberg. Doch seinem Idyll droht ein jähes Ende, denn die Bürgermeisterin (Gisela Schneeberger) entscheidet in Anbetracht der finanziellen Situation, das Freibad zu schließen, so dass Bauunternehmer Dengler (Sebastian Bezzel) dort teure Häuser bauen kann. Unerwartete Hilfe bekommt Karl durch seinen neuen Azubi, den Geflüchteten Sali (Dimitri Abold), der sich mit ihm für einen Erhalt des Freibads engagiert. Dabei stellt sich heraus, dass Sali hervorragend als Torwart für die Wasserballmannschaft unter Trainerin Silke (Johanna Wokalek) geeignet wäre. Während die Medaillenschwimmerin Lisa (Sarah Mahita) Sali dafür das Schwimmen beibringt, macht sich Karl an die Rettung des Freibads. Dabei ahnt er nicht, dass Sali insgeheim eine Flucht nach Kanada geplant hat, weil sein Asylantrag wohl abgelehnt wird …


Kritik:
Marcus H. Rosenmüllers Beckenrand Sheriff versucht, ein wenig von allem zu sein. In bisschen Integrationsgeschichte, ein wenig Kultur-Clash, ein Hauch von Gesellschaftskritik und ein Prise Liebesgeschichte. Das Ergebnis ist zumindest in der ersten Hälfte durchaus unterhaltsam, allen voran dank der gelungenen Besetzung. Aber auch, weil man davon ausgeht, dass all dies letztlich irgendwo hinführt. Die Richtung, die die Verantwortlichen im letzten Drittel aber einschlagen, ist so albern, dass es die gelungenen Ansätze beinahe mit Füßen tritt.

Der Titel gebende Beckenrand Sheriff ist Karl Kruse, Schwimmmeister in zweiter Generation und keinesfalls nur „Bademeister“ im bayerischen Grubberger Freibad. Mit ernster Mine geht er seiner täglichen Arbeit nach, höchst akkurat und um jeden Zentimeter einer jeden Liege bemüht. Selbst wenn kaum Gäste im Freibad sind, versucht er, das Kraulverbot auf Bahn sechs durchzusetzen, immerhin gibt es Regeln, und davon nicht zu wenige. Auch die Verweildauer auf dem Sprungturm wird kontrolliert – es ist ja schließlich kein Stehturm. Doch droht Karl und den Gästen, zu denen auch das skurrile, vom Dorfpfarrer angeführte und von Trainerin Silke zur Höchstleistung angespornte Wasserballteam gehört, Ungemach, denn die Bürgermeisterin will das Freibad aus Kostengründen schließen lassen. Bauherr Dengler plant stattdessen, „Townhouses im Landhausstil“ zu errichten, was könnte es im oberbayerischen Gemeindeidyll auch Passenderes geben? So sieht sich der mürrische Karl gezwungen, aktiv zu werden und versucht, mit einer Unterschriftenaktion sein Freibad zu retten. Ausgerechnet er, als nicht einmal gebürtiger Bayer, der auch nach Jahrzehnten noch so etwas wie ein Außenseiter im Dorf ist.

Diesen Aspekt unterstreicht Filmemacher Rosenmüller weiter, indem an Karls Seite der aus Nigeria geflüchtete Sali gestellt wird. Sali wartet darauf, dass über seinen Asylantrag entschieden wird, wobei er insgeheim zusammen mit einem Freund über einen Schlepper die Flucht nach Kanada geplant hat. Für das notwendige Startkapital kann Sali im Freibad arbeiten und außerdem schwimmen lernen, denn er wäre bei seiner Flucht aus Afrika nach Europa beinahe ertrunken. Sali entpuppt sich dabei gleich in mehrfacher Hinsicht als Gewinn, denn nicht nur, dass die Wasserballmannschaft mit ihm als exzellentem Torwart eine reelle Chance hat, das kommende Finale zu gewinnen, er erkennt auch, dass Karl und Trainerin Silke ineinander verliebt sind, obwohl sich das beide nicht eingestehen wollen. So sagt Karl zu, Sali das Schwimmen beizubringen, so dass dieser als Torwart in der Mannschaft spielen kann, wenn das Wasserballteam ihm bei seinen Unterschriften hilft.
Die Ideen, die Beckenrand Sheriff hierbei aufgreift, sind nicht nur überaus interessant, sondern auch dank des charmanten Lokalkolorits eingängig präsentiert. Dass der skeptische Karl mit Sali zusammenarbeiten muss, sich beide Außenseiter für die Rettung des Freibads einsetzen, ist ein schönes Bild. Allerdings verliert das Drehbuch die eigentliche Geschichte mit vielen Nebenschauplätzen schnell aus den Augen.

So ist es nicht Karl, der Sali das Schwimmen beibringt, sondern Lisa, eine preisgekrönte und in Ungnade gefallene Schwimmerin, die heimlich abends trainiert. Dass sie und Sali sich anfreunden, missfällt ihrem Vater sichtlich, und der ist niemand geringeres als der Bauunternehmer Dengler. Gleichzeitig verwirft die Geschichte die Aufgabe, Unterschriften für ein Bürgerbegehren zu sammeln, unmittelbar danach gleich selbst, wenn die Bürgermeisterin ihren Einfluss nur andeutet, dass Mitglieder der Wasserballmannschaft Nachteile erleiden könnten, wenn sie sich für das Freibad starkmachen. Anstatt eine gleichmäßige Balance zwischen den verschiedenen Anteilen der Story zu finden, ist es, als würde die Drehbuchvorlage immer einen Aspekt fertig erzählen, ehe man sich dem nächsten widmet. Sie es das Date zwischen Karl und Silke, oder wie Lisa mit Sali das Schwimmen übt. Der Handlungsstrang um die Rettung des Freibads kommt gewissermaßen zum Erliegen, wenn es darum geht, das Wasserballteam zum Sieg zu führen, und nach einem kurzen Moment zu Beginn, wird die Flucht Salis aus Deutschland gewissermaßen vergessen. Sein Alltag als Geflüchteter, wie er in der Unterkunft lebt, wird erst dann geschildert, wenn er seinen Plan bereits in die Tat umsetzt. Ein Gefühl für die Situation, in der er sich befindet, weckt Beckenrand Sheriff nicht.

Dass dies über weite Strecken dennoch funktioniert, ist den urigen Figuren, bis in die Nebenrollen, zu verdanken und der toll zusammengestellten Besetzung, die sie zum Leben erweckt. Vor allem Milan Peschel als Karl, Dimitri Abold als Sali, aber auch Sebastian Bezzel als Bauherr Dengler, Sarah Mahita als dessen Tochter und Johanna Wokalek als verschrobene Puzzlemeisterin und Trainerin Silke bleiben in Erinnerung. Dass sich die inhaltlichen Schwerpunkte innerhalb der spürbaren zwei Stunden Laufzeit verschieben, ist dabei im Grunde auch keine Kritik. Nur bauen diese nicht stimmig aufeinander auf. Wenn mitten im Film beim Interview durch ein Fernsehteam Chaos ausbricht, gerät die Komödie urplötzlich so sehr zum Klamauk, dass es einen beinahe aus der Geschichte reißt. Doch ist das nur ein Ausblick darauf, was einen am Ende erwartet. Das tut letztlich weder den Figuren, noch der Geschichte selbst gut und es schmälert den Spaß am Zusehen unnötig.


Fazit:
Der grantelige Humor um Schwimmmeister Karl besitzt ebenso viel Charme wie die Ansätze der Liebeskomödie, die aber unnötigerweise (und in keinem der beiden Fälle ausreichend) bei zwei Pärchen geschildert wird. Die Idee, die ungleichen Karl und Sali zu Verbündeten zu machen, die einander dringend brauchen, ist nicht nur gut gemeint, sondern funktioniert überraschend gut. Wenigstens so lange, ehe sich die Geschichte in Nebenschauplätzen verliert. Wie sehr sie sich zum Schluss hin selbst ins Abseits manövriert, sieht man nicht nur daran, dass eine Figur voller Selbsterkenntnis festhält, jetzt würde es aber lächerlich. Man kann es auch daran erkennen, dass es urplötzlich eine belehrende Stimme des Gewissens aus dem Off benötigt, um irgendeine Charakterentwicklung in Gang zu bringen und die vielen Handlungsfäden zu einem halbwegs vernünftigen Abschluss für zahlreichen Figuren zu bringen. Nach dem einzigen, kurzen, dramatischen Moment rutscht der Humor vom unterschwellig Zynischen im letzten Drittel in hanebüchene Blödelei ab, die sich am ehesten für ein ganz junges Publikum eignet. Bei allen guten Absichten und ebenso gelungenen Ansätzen, ist Beckenrand Sheriff schließlich ein Film, der sich ganz am Ende selbst im Weg steht, und so auch den Figuren nicht gerecht wird. Als sommerliche Komödie eignet sich das daher nur bis zu einem gewissen Grad.