Auftrag Rache [2010]

Wertung: 2.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 07. Dezember 2010
Genre: Thriller / Action / Drama

Originaltitel: Edge of Darkness
Laufzeit: 117 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2010
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Martin Campbell
Musik: Howard Shore
Darsteller: Mel Gibson, Ray Winstone, Danny Huston, Bojana Novakovic, Shawn Roberts, David Aaron Baker, Jay O. Sanders, Denis O'Hare, Damian Young, Caterina Scorsone, Frank Grillo, Wayne Duvall


Kurzinhalt:
Der Polizist Thomas Craven (Mel Gibson) freut sich über den Überraschungsbesuch seiner Tochter Emma (Bojana Novakovic), die schon kurz nach der Ankunft erkrankt scheint. Als er sie ins Krankenhaus bringen will, wird sie von einem bewaffneten Mann vor Cravens Haus erschossen und stirbt in Cravens Armen.
Die Polizei geht davon aus, dass Thomas das eigentliche Ziel war, und auch wenn er selbst nicht an den Ermittlungen teilnehmen darf, folgt er einer Spur, die ihn zu Emmas Vorgesetztem Jack Bennett (Danny Huston) führt. Seine Forschungseinrichtung steht in engem Kontakt mit der Regierung und laut Aktivisten gehe es dort nicht mit rechten Dingen zu. Je weiter Craven ermittelt, umso mehr Verdächtige sterben ihm weg.
Als er von dem geheimnisvollen Jedburgh (Ray Winstone) aufgesucht wird, klären sich viele Fragen. Schließlich startet Craven seinen Rachefeldzug, von dem es kein Zurück mehr gibt ...


Kritik:
Es ist letztlich nichts anderes als Rache, die Mel Gibsons Charakter William Wallace in Braveheart [1995] dazu bringt zu tun, was er tut. Und dennoch ist man gefesselt von seiner Entschlossenheit und fürchtet, wozu er deswegen in der Lage sein könnte. In Auftrag Rache treibt die Trauer Thomas Craven dazu, den Tod seiner einzigen Tochter näher zu untersuchen. In Rache wandelt sich seine Absicht erst im Laufe des Films, ohne dass der Moment herausgestellt wird, in dem sich seine Motivation ändert. Nicht nur deshalb bleibt seine Figur unbegreiflich und wozu er in der Lage ist nebensächlich.
Edge of Darkness, so der weniger reißerische Originaltitel, ist ein vorhersehbarer Thriller mit am Reißbrett entstandenen Figuren, dessen größte Unberechenbarkeit darin liegt, dass sich nicht sagen lässt, weswegen so viele namhafte Beteiligte sich in dem Projekt wiederfinden. Basierend auf der 25 Jahre alten Miniserie Die Plutonium-Affäre [1985], ebenfalls unter der Regie von Martin Campbell entstanden, erzählt der Film die Geschichte von Thomas Craven, dessen Tochter Emma unerwartet zu Besuch kommt und vor seiner Haustüre erschossen wird. Der Polizist macht sich daraufhin daran, den Schuldigen zu finden, obwohl er nach den üblichen Polizeiregularien nicht an der Ermittlung mitwirken darf. Was für eine Person Craven ist erfährt man leider nicht. In Rückblenden und Tagträumen sieht man ihn zwar lachen, dass er nach dem Tod seiner Tochter kein Lächeln übrig hat, ist jedoch nachvollziehbar. Wie sehr es ihn als Mensch aber mitnimmt, lässt sich nicht erschließen, da man keinen Vergleich dazu gezeigt bekommt, wie er früher war. Die Polizei geht davon aus, dass er das eigentliche Ziel des Anschlags war – aber tut er das auch? Wortlos vermutet er, dass seine Tochter ermordet werden sollte, nur was bewegt ihn zu dieser Annahme? Und wieso verschweigt er es vor den ermittelnden Beamten? Es wird wohl vorausgesetzt, dass er keine Verhaftungen vornehmen will, sondern den/die Mörder selbst zur Rechenschaft ziehen wird. Nur ist das für einen Polizisten mit so vielen Jahren Diensterfahrung auch ein plausibles Verhalten?

Die Figuren in Auftrag Rache verhalten sich alle unvorhersehbar und unnatürlich, Emmas Vorgesetzter Bennett, der allein auf Grund seiner Art schon verdächtig wirkt, erdreistet sich, Craven bei einer Unterhaltung bezogen auf den Tod seiner Tochter zu fragen, "Wie fühlt sich das an?". Eine Frage, die nicht nur vollkommen absurd und taktlos wirkt, sondern in dem Moment auch nirgendwo hinführt. Ebenso wenig der Moment, als Craven Bennett auf einem Highway stoppt, dessen Fahrer bewusstlos schlägt, bei ihm einsteigt und Bennett eine Waffe an die Schläfe setzt. Craven dreht die Frage um – und verlässt dann das Auto. Auch das ist ein Moment, der kein Ziel verfolgt. Vor dem Haus eines weiteren Verdächtigen sieht Craven einen Wagen, der genauso aussieht wie der, in dem die Mörder seiner Tochter geflohen sind, aber statt den Wagen näher zu untersuchen, fährt Craven einfach weg. Überhaupt scheinen die Schurken nicht besonders klug, wenn sie alle Autos vom selben Hersteller beziehen. Durch die Schnittfolge, die angeblich absichtlich an die der Fernsehserie angelehnt ist, hüpft der Film von einem Drehbuchmoment zum anderen, ohne dass sie tatsächlich miteinander zusammenhängen würden. Schlüsselfiguren wie der Kontaktmann Robinson bekommen einen einzigen Satz zu sagen, was sei preisgeben wird nie bekannt gemacht. Die Dialoge zwischen Craven und seinem Kollegen wirken so hölzern und einstudiert, als würden sich die Personen erst seit wenigen Minuten kennen, und während die politischen Verwicklungen in der Miniserie durchaus Sinn ergeben können, wirken sie hier gekünstelt und klischeehaft. Auch wird nie richtig klar, wer auf wessen Seite für wessen Interessen arbeitet. Die Figur des allwissenden Jedburgh, der so geheim und wichtig ist, dass er allein entscheidet, "was für das Land am besten ist", sind nicht zuletzt durch die philosophischen Faseleien so übertrieben und realitätsfern, dass diesbezüglich auch der übersinnlich angehauchte Schluss nicht mehr auffällt.

Für welches Publikum der behäbig inszeniert und mit einer leidlich spannenden Musikuntermalung versehene Auftrag Rache gedacht ist, sieht man am Finale, das nochmals den Grad der gezeigten Brutalität anzieht, die hier glorifiziert vom Helden der Geschichte ausgeht. So unrealistisch Cravens Rachefeldzug sein mag, wenn man bei der wiederholten Wiederholung von Emmas Ermordung in Zeitlupe ihre Organe aus ihrem Bauch baumeln sieht, weiß man zumindest, welches Zielpublikum die Filmemacher im Blick hatten. Das ist nicht nur unnötig, sondern verkrampft auf einen Schockmoment getrimmt, der einzig die Leidensszenen der berüchtigten Folterpornos vermissen lässt. Hierfür eine routinierte Darbietung von Mel Gibson und eher leidlich motivierte Nebendarsteller einzuladen, ist eine Materialverschwendung.


Fazit:
Der Vorteil von geheimen Regierungsverschwörungen ist, dass ein jeder eine Theorie darüber haben kann und niemand Genaues weiß, denn sie sind ja geheim. Insofern sind sie ein beliebtes Thema, das in Auftrag Rache wohl nur entfernt an die Miniserie angelehnt ist. Was der Film sein will, weiß er nicht so recht, denn für einen Thriller gestaltet sich die Ermittlung wie die Inszenierung zu behäbig. Für ein Drama erfährt man zu wenig über den Protagonisten und für einen Selbstjustizreißer fehlt das Tempo.
Es bleibt ein mäßiger Mischmasch, der Ansätze erkennen lässt, ohne in irgendeinem Bereich zu überzeugen. Wäre Cravens kompromissloser Rachefeldzug beim Finale als Kurzschlusshandlung motiviert, wenn er alle Puzzleteile zusammengesetzt hat, wäre es durchaus packend und nachvollziehbar gewesen – ähnlich wie bei Sieben [1995]. Nur weiß man nie, was in ihm vorgeht, was ihn oder irgendjemand anders im Film motiviert. Das Ergebnis ist nicht nur maßlos enttäuschend, sondern es macht einen richtiggehend wütend.