Argo (Extended Cut) [2012]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 10. März 2013
Genre: Drama / Thriller

Originaltitel: Argo
Laufzeit: 129 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2012
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Ben Affleck
Musik: Alexandre Desplat
Darsteller: Ben Affleck, Bryan Cranston, Alan Arkin, John Goodman, Victor Garber, Tate Donovan, Clea DuVall, Scoot McNairy, Rory Cochrane, Christopher Denham, Kerry Bishé, Kyle Chandler, Chris Messina, Zeljko Ivanek, Titus Welliver, Keith Szarabajka, Bob Gunton, Richard Kind, Richard Dillane, Omid Abtahi, Page Leong, Sheila Vand


Kurzinhalt:
Am 4. November 1979 wird die US-Botschaft in Teheran von Aufständischen gestürmt. Mit den mehr als 50 Geiseln wollen sie die USA dazu bewegen, ihren ehemaligen Unterdrücker Mohammad Reza Schah Pahlavi Schahanscha, der nach Amerika geflohen ist, auszuliefern. Sechs Angehörige der Botschaft konnten fliehen und kommen im Haus des kanadischen Botschafters Ken Taylor (Victor Garber) unter. Doch dort können sie nicht bleiben. Einerseits, weil die politische Situation im Iran immer schwieriger wird und andererseits, da –sollten sie entdeckt werden – nicht nur die Flüchtigen als Spione hingerichtet werden würden, sondern auch das Schicksal des kanadischen Botschafters als Mitwisser entschieden wäre. Darum entschließt sich die US-Regierung dazu, eine Rettungsaktion für die sechs Mitarbeiter in die Wege zu leiten.
Der CIA-Agent Tony Mendez (Ben Affleck), der schon viele solcher Einsätze hinter sich hat, kommt auf die Idee, sich selbst und die sechs Botschaftsangehörigen als Film-Team auszugeben, das im Iran nach Drehorten für einen Science Fiction-Film sucht. Um die Tarnung glaubhaft zu machen, holt er Make-up-Designer John Chambers (John Goodman) und Produzent Lester Siegel (Alan Arkin) ins Boot, die in wenigen Tagen eine Produktion auf die Beine stellen müssen, sollten sich die iranischen Behörden nach der Echtheit von Mendez' Tarnung erkundigen. Denn tritt er erst einmal die Reise nach Teheran an, ist Mendez auf sich allein gestellt, auch wenn sein Kollege Jack O'Donnell (Bryan Cranston) ihn vom CIA-Hauptquartier aus nach besten Möglichkeiten unterstützt. Auch müssen die sechs Botschafts-Mitarbeiter ihre Tarnungen in- und auswendig kennen, wenn der Plan Erfolg haben soll. Nicht nur, dass das iranische Militär die geschredderten Unterlagen wiederherstellen lässt, um so ein Bild aller Botschaftsmitarbeiter zu bekommen, Taylors Haushälterin, die Iranerin Sahar (Sheila Vand) hat inzwischen herausgefunden, wer die sechs Gäste des kanadischen Botschafters tatsächlich sind ...


Kritik:
Das politische Geschichtsdrama Argo ist nach Gone Baby Gone - Kein Kinderspiel [2007] und The Town - Stadt ohne Gnade [2010] die dritte Regiearbeit von Hauptdarsteller und Regisseur Ben Affleck. Sieben Oscarnominierungen erhielt der Film und konnte die Trophäe sogar drei Mal gewinnen, darunter auch für den besten Film. Affleck selbst war nicht nominiert, auch nicht für die Regie. Nicht nur, dass ihm ein sehenswertes und spannendes Werk gelungen ist, am Ende wird deutlich, mit welchem Aufwand er sein Drama umgesetzt hat. Dass bereits zur Veröffentlichung Kritik an der Darstellung der Ereignisse laut wurde, welche die Beteiligung der kanadischen Behörden an der Rettungsaktion von sechs in einer Botschaft versteckten US-Bürgern geringer angab, als sie tatsächlich war, liegt in der Natur der Sache. Kein Kinofilm, auch wenn er noch so sehr auf wahren Ereignissen beruht, kann sich die Zeit nehmen, die Dinge so ausführlich und komplex darzustellen, wie sie in Wirklichkeit waren. Dies würde einerseits den Zeitrahmen sprengen und andererseits die Aufmerksamkeit beim Publikum strapazieren. Regisseur Ben Affleck lenkte bei der Kritik jedoch ein und passte die Texttafeln am Ende des Films entsprechend an.
Alle Kritik ändert jedoch nichts daran, dass Argo hervorragend umgesetztes Geschichtskino darstellt, mit dem der Regisseur erneut beweist, dass er ein überaus talentierter Filmemacher ist, der sich sowohl auf eine packende Erzählung, wie auch auf erstklassige Charaktermomente versteht.

Im November 1979 stürmen Aufständische die US-Botschaft in Teheran als Vergeltung für die Einmischung der amerikanischen Geheimdienste und Regierung in die Angelegenheiten des Landes. Sie nehmen über 50 Personen als Geiseln, um mit ihrer Hilfe die US-Regierung dazu zu bewegen, den aus dem Land geflohenen und in den USA wegen der Behandlung einer Krebserkrankung untergekommenen Mohammad Reza Schah Pahlavi Schahanscha auszuliefern, der das Volk jahrzehntelang unterdrückt hat. Sechs Angehörige der Botschaft können jedoch fliehen und finden im Haus des kanadischen Botschafters Ken Taylor Unterschlupf. Es ist erstaunlich, dass Regisseur Affleck kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn er die Verwicklungen der amerikanischen Politik in die Geschicke des Iran jener Zeit anspricht. Auch unterstreicht er, welche Gefahr der kanadische Botschafter selbst einging, als er den sechs Amerikanern Zuflucht bot. Während die Milizen sich aufmachen und die geschredderten Unterlagen wieder zusammensetzen, um so ein Bild der tatsächlichen Angestellten der Botschaft zu erhalten, durchsuchen sie die Häuser, um eventuell im Land befindliche US-Bürger ausfindig zu machen. Würden die sechs entdeckt, würden sie vermutlich als Spione eingestuft und hingerichtet. Darum fasst man in Washington doch den Plan, die sechs aus Teheran zu bringen. Nur wie?
Manchmal klingt eine Geschichte so absurd, dass man sie selbst dann nicht glauben mag, wenn sie wahr ist. Tarnidentitäten waren in einem faktisch abgeriegelten Land nur schwer zu etablieren und so kommt der Spezialist für solche Rettungsmissionen, Tony Mendez, auf die Idee, sich selbst und die sechs übrigen als Filmcrew zu tarnen, die im Iran nach geeigneten Drehorten sucht. Um das glaubhaft zu machen, sollten die iranischen Behörden recherchieren, muss in kürzester Zeit ein Hollywood-Projekt aus dem Boden gestampft werden samt Produzent, Drehbuch, Darstellerriege, Plakat und allem, was dazu gehört.

So unterhaltsam dies in der ersten Filmhälfte noch erscheint dank der lockeren Dialoge und der abstrus erscheinenden Entscheidung, so unpassend mag man es auch empfinden für die Situation der Geiseln in der Botschaft und der sechs Flüchtlinge. Beinahe unsichtbar gelingt es Regisseur Ben Affleck, die Stimmung von Argo zu drehen und so wird die Bedrohung für die Personen, darunter auch Mendez, der sich auf den Weg nach Teheran macht, sehr greifbar, ehe das letzte Drittel die Spannung merklich anzieht und zu einem packenden Finale bündelt. Dass das Drehbuch immer wieder die Zeit findet, sich auf die verschiedenen Figuren zu konzentrieren, ihre Angst deutlich zu machen und gleichzeitig die Ausweglosigkeit ihrer Situation vorzustellen, ist ihm hoch anzurechnen. Ebenso zeichnen den Film die aussagekräftigen Bilder aus, deren Bedeutung glücklicherweise nicht kommentiert wird, sondern die sich dem Zuschauer selbst erschließen soll.
Sieht man sich die heutigen Nachrichten an, kommen einem viele Parallelen zu jener Zeit in den Sinn und Bilder aus jener Region scheinen damals wie heute ähnlich auszusehen. Das so lange unterdrückte, gespaltene Volk wird glücklicherweise nicht als Kollektiv verteufelt, vielmehr zeigt der Film am Beispiel der Haushälterin des kanadischen Botschafters, Sahar, dass die Menschen in jenen Gebieten meist die größten Opfer erbringen.


Fazit:
Statt als Thriller schildert Regisseur Ben Affleck die Ereignisse jener Zeit als charakterbezogenes Drama, in dem einerseits die Situation der sechs geflohenen Botschafts-Angehörigen beleuchtet wird, andererseits aber auch die Gefahr, in die sich der Leiter der Operation, Tony Mendez, begibt. So unterhaltsam die Vorbereitungen mit der improvisierten und eilig zusammengestellten Filmproduktion sein mögen, so bedrückend ist die Atmosphäre der zweiten Filmhälfte angesichts der immer konkreter werdenden Bedrohung für die Personen. Die Spannungsschraube zieht der Filmemacher in der letzten halben Stunde merklich an, so dass man als Zuseher sehr unterschiedliche Eindrücke während der etwas mehr als zwei Stunden erhält.
Mit welchem Detailaufwand Argo umgesetzt wurde, erkennt man nicht zuletzt am Ende, wenn den Aufnahmen aus dem Film tatsächliche Fotos jener Momente gegenüber gestellt werden. Und auch, wenn der damalige US-Präsident Jimmy Carter, der während des Abspanns kurz zu hören ist, in einem Interview betont, dass ein Großteil der Rettungsinitiative von den Kanadiern und nicht von der CIA ausging, kann man das dem Film schon deshalb verzeihen, weil er nie aus den Augen verliert, dass es die Menschen und nicht die Organisationen sind, die so eine Operation überhaupt möglich machen.