Alien: Romulus [2024]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 14. August 2024
Genre: Science Fiction / Horror

Originaltitel: Alien: Romulus
Laufzeit: 119 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Fede Álvarez
Musik: Benjamin Wallfisch
Besetzung: Cailee Spaeny, David Jonsson, Archie Renaux, Isabela Merced, Spike Fearn, Aileen Wu


Kurzinhalt:

Als Rain (Cailee Spaeny) erfährt, dass sie die Jackson-Minenkolonie der Weyland-Yutani Corporation doch nicht verlassen darf, wie ursprünglich angekündigt, ist sie am Boden zerstört. Auch die Aufmunterungen des defekten Androiden Andy (David Jonsson), den Rains Vater aus dem Abfall gerettet und so programmiert hat, dass er Rain beschützt, helfen nicht. Als Tyler (Archie Renaux), der Bruder ihrer Freundin Kay (Isabela Merced), vorschlägt, mit einem kleinen Shuttle in den Orbit zu fliegen, um dort in einem verlassenen Schiff von Weyland-Yutani nach Komponenten zu suchen, mit denen sie sich in Tiefschlaf versetzen und so die lange Reise zu einer anderen Kolonie unternehmen könnten, geht Rain darauf ein. Mit dabei sind auch Bjorn (Spike Fearn) und Navarro (Aileen Wu). Doch das verlassene Schiff entpuppt sich als Raumstation, die in Kürze vernichtet werden wird. Was die sechs jungen Kolonisten an Bord finden, ist ein Horror jenseits ihrer Vorstellung …


Kritik:
Filmemacher Fede Álvarez ist bei seinem alleinstehenden und doch innerhalb des etablierten filmischen Universums angesiedelten Science Fiction-Horror Alien: Romulus nicht selbstsicher genug, dass sein überaus einfallsreicher und handwerklich beeindruckender Beitrag wirklich für sich selbst stehen kann. Dabei richtet sich die Geschichte sowohl an diejenigen, die mit den übrigen Teilen vertraut sind, als auch an ein Publikum, das noch keine Berührungspunkte damit hatte. Im Ergebnis ist das gelungen und doch beinahe ein wenig enttäuschend.

So universell bekannt dass Furcht einflößende außerirdische Wesen, das Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt [1979] seinerzeit der Welt präsentierte, so bekannt ist nach inzwischen sechs Filmen der Reihe auch, was seine Besonderheiten sind und was es mit den armen Seelen anrichtet, die ihm begegnen. Eine der großen Herausforderungen, denen diejenigen gegenüberstehen, die einen neuen Eintrag der inzwischen beinahe ein halbes Jahrhundert alten Filmreihe erzählen wollen, besteht darin, nicht nur die Figuren die Besonderheiten jenes Wesens zum ersten Mal entdecken zu lassen, sondern dabei auch dem Publikum einen neuen Ansatz zu bieten. Alien: Romulus gelingt dieser Spagat überraschend gut. Die Geschichte beginnt in einer Minenkolonie der Weyland-Yutani Corporation auf einem Planeten, auf dem es keine einzige Sonnenstunde im Jahr gibt. Die Bedingungen sind gesundheitsschädlich und gefährlich und da die Firma keine Anstalten macht, die dort Stationierten den Planeten verlassen zu lassen, entscheiden sechs junge Kolonisten, auf einem zufällig im Orbit entdeckten Schiff der Firma nach einer Möglichkeit zu suchen, mit der sie sich in Kryo-Schlaf versetzen können, um dann eine weiter entfernte Kolonie in der Hoffnung auf ein besseres Leben zu erreichen.

Doch das Schiff entpuppt sich als die Titel gebende, scheinbar verlassene Raumstation, die sich im Sinkflug befindet und in 36 Stunden auf den Ringen des Planeten zerschellen wird. Das allein wäre bereits Herausforderung genug, aber wie die Kolonisten feststellen, sind sie auf der Station nicht allein. Weshalb sich in Alien: Romulus, der zeitlich zwischen Teil eins und Aliens - Die Rückkehr [1986] angesiedelt ist, überhaupt das außerirdische Wesen an Bord der Forschungsstation befindet, ist eine der zahlreichen guten Ideen, mit denen Filmemacher Fede Álvarez seine Geschichte mit den übrigen Teilen verknüpft. Weitere Verbindungen sind neben dem erstklassigen Design, das im besten Sinne aus Ridley Scotts Genre prägendem Alien stammen könnte, die gezeigte Technik, die an den richtigen Stellen dezent modernisiert wurde, aber auch mehrere, überraschende Verweise auf den Ursprung des Xenomorph genannten Aliens, die zu Scotts eigenen Prequels führen. Hinzu kommen zahlreiche Dialoge als Hommage an die vorigen Filme, ein unerwarteter, gelungener Gastauftritt und eine starke weibliche Hauptfigur, die über sich hinauswachsen muss.

Doch so sehr die vielen Anleihen Fanherzen im ersten Moment höher schlagen lassen und ein nicht in den Vorgängerfilmen versiertes Publikum ebenso erfreuen werden, sie klingen objektiv gesehen in manchen Momenten aufgesetzt. Als sollte eben dieser Fanmoment bedient werden und nicht, als wäre dies der beste oder natürlichste Dialog für diesen Augenblick. Man denke an Andys geliehenen Einzeiler in einer entscheidenden Szene. Damit untergräbt Alien: Romulus unnötiger Weise seine eigenen Stärken. Denn die Stimmung ist vom ersten Augenblick an nicht nur im Einklang mit den übrigen Filmen der Horror-Reihe, sondern so unheimlich wie bedrückend. Das abgewohnte, schmutzige Aussehen der Minenkolonie, die Gänge, Räume und Korridore der Romulus-Station sowie das Alien selbst sehen großartig aus. Die engen Räumlichkeiten in der Station bieten dabei die beste Gelegenheit, die Stärken jener Furcht erregenden Kreatur zur Geltung kommen zu lassen. Dass sich die Verantwortlichen mehr als ein Drittel der Laufzeit herausnehmen, diese Welt und die Umgebung vorzustellen, ehe der Horror überhaupt entfesselt wird, ist eine gute Idee, die außerdem zur tollen Atmosphäre beiträgt.

Dem gegenüber steht jedoch eine Klangkulisse, die stellenweise auf extrem laute Geräusche setzt, selbst wenn diese nicht einmal als Schreckmoment genutzt werden. Es scheint, als ginge es allein um den Kontrast der Stille gegenüber den mechanisch-kratzenden Geräuschen. Fans werden viele musikalische Themen wiederkennen, von der Geräuschkulisse im Allgemeinen ganz zu schweigen. Doch ein ausgewogenerer Soundmix, bei dem auch die Dialoge besser zur Geltung kommen, wäre wünschenswert. Zudem ist Alien: Romulus ein merklich dunkler Film, mehr noch, als die ersten drei Teile der Reihe. Dass es keinen Moment mit Tageslicht zu sehen gibt, ergibt sich aus der Story heraus. Doch wünscht man sich buchstäblich in zahlreichen Situationen, dass die Figuren eine Taschenlampe zur Hand nehmen würden, so dass man von dem erstklassigen Design auch mehr zu sehen bekommt. Die größte Enttäuschung ist jedoch eine nach dem eigentlichen Finale auf der Station nachgelagerte Konfrontation, die gleich in mehrerlei Hinsicht Erinnerungen an Alien - Die Wiedergeburt [1997] weckt. Nicht nur, dass dies – von der darin präsentierten und erkennbaren inhaltlichen Verknüpfung zur großen Hintergrundgeschichte abgesehen – dem Franchise keine neuen Impulse hinzufügt, es zögert einen Abschluss des Films hinaus, der 15 Minuten zuvor ein überaus passendes Ende gefunden hätte. Es erweckt den Anschein, als wollte Regisseur Álvarez dem Film damit nicht nur seine eigene Handschrift verleihen, sondern sich mit der Art des Horrors bewusst von den übrigen der Reihe abheben. Das ist ihm gelungen, gelungen ist es aber nicht.


Fazit:
Dass die Figuren nur wenig ausgearbeitet werden, kann man dem Drehbuch kaum zum Vorwurf machen. Die Charakterisierungen reichen aus, dass man mit der kleinen Crew mitfiebert, wobei der beschädigte Androide Andy, wandelbar gespielt von David Jonsson, neben Hauptfigur Rain die meisten Sympathien auf sich vereint. Filmemacher Fede Álvarez präsentiert eine Geschichte, die ebenso eindeutig Teil der Alien-Saga ist, wie sie für sich allein steht. Die handgemachten Sets und Trickeffekte verleihen dem Gezeigten eine Authentizität, die man heutzutage nur selten sieht, und selbst wenn viele Ideen bekannt klingen, sie sind so frisch und einfallsreich präsentiert, dass sie dennoch mitreißen, wozu auch der Countdown bis zum Einschlag der Station beiträgt, der zusätzlich Spannung erzeugt. Die Verknüpfungspunkte mit den übrigen Filmen sind überraschend, aber allesamt gelungen und das Finale in Schwerelosigkeit gehört zu den besten Einfällen der gesamten Reihe. Umso bedauerlicher, dass das aufgesetzte Ende hiervon wieder ablenkt oder einige Anleihen an die übrigen Filme unnatürlich erzwungen erscheinen. Alien: Romulus ist ein guter, in vielerlei Hinsicht erstklassiger Eintrag der langlebigen Filmreihe, bei dem Fans viel entdecken können und der sich für alle anderen als ein handwerklich fantastisch gemachter, düsterer wie stimmungsvoller Science Fiction-Horror-Film präsentiert. Das ist mehr, als viele erwarteten und es macht durchaus Lust auf Mehr.