6 Underground [2019]

Wertung: 2 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 5. November 2022
Genre: Action / Komödie / Thriller

Originaltitel: 6 Underground
Laufzeit: 128 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Michael Bay
Musik: Lorne Balfe
Besetzung: Ryan Reynolds, Mélanie Laurent, Manuel Garcia-Rulfo, Ben Hardy, Adria Arjona, Corey Hawkins, Lior Raz, Peyman Maadi, Dave Franco, Yuri Kolokolnikov, Kim Kold, James Murray, Elena Rusconi


Kurzinhalt:

Nachdem Milliardär Magnet S. Johnson (Ryan Reynolds) selbst mitansah, wie der Diktator Rovach Alimov (Lior Raz) Grausamkeiten am eigenen Volk in Turgistan verübt, gründete er eine anonyme Spezialeinheit, bestehend aus ihm selbst und fünf weiteren Personen. Zu dem Team, dessen Mitglieder nur „Geister“ genannt werden und Nummern statt Namen tragen, gehört die ehemalige CIA-Agentin Zwei (Mélanie Laurent), der Auftragskiller Drei (Manuel Garcia-Rulfo), Profi-Dieb Vier (Ben Hardy) und die Ärztin Fünf (Adria Arjona). Das Ziel von Johnson – Eins – ist ein Umsturz in Turgistan, um dort den Bruder des Machthabers, Murat Alimov (Peyman Maadi), einzusetzen. Beim ersten Einsatz der Geister in Florenz stirbt ein Teammitglied, weshalb Eins den Scharfschützen Sieben (Corey Hawkins) rekrutiert. Das Zeitfenster, die Mission auszuführen, ist klein und die Chance auf Erfolg scheint kaum vorhanden …


Kritik:
Michael Bays erster Film, der unmittelbar für einen Streamingdienst produziert wurde, 6 Underground, wurde im Vorfeld mit zahlreichen Superlativen belegt, nicht zuletzt dem immens hohen Budget, das Streaminganbieter Netflix bereitstellte. Dabei ist die Action-Thriller-Komödie mehr Konzept denn wirklicher Film und es verrät viel, dass sogar die Verantwortlichen sich entschlossen haben, die Franchise-Pläne nach aktuellem Stand wohl nicht umzusetzen. Zumal das Konzept selbst nicht wirklich mitreißt.

Die Geschichte, die inmitten eines Materialinfernos beginnt, handelt von einer Gruppe, die von einem Milliardär ins Leben gerufen und angeführt wird. Die einzelnen Mitglieder haben nur Nummern und sie alle mussten ihren Tod vortäuschen, um Teil der Einheit zu werden, denn nur dann seien sie wirklich frei. Ihre Aufgabe ist es, die Welt zu einem „besseren Ort“ zu machen und dabei Grenzen zu überschreiten, die offizielle Stellen nicht überschreiten dürfen. Dementsprechend legen sie zu Beginn weite Teile der Innenstadt von Florenz in Schutt und Asche, liefern sich mit namen- wie gesichtslosen Schurken, denen sie mitunter Körperteile entfernt haben, eine Verfolgungsjagd, bei der Zivilisten als Kanonenfutter herhalten müssen, oder schlichtweg plattgewalzt werden. Sowohl von den Schurken wie auch den „Helden“. Das große Ziel von „Eins“, wie der Milliardär sich nennt, ist ein Putsch im fiktiven zentralasiatischen Turgistan, wo der Diktator Rovach Alimov Verbrechen gegen die Menschlichkeit und am eigenen Volk begeht. Eins will dessen Bruder, den demokratiefreundlichen Murat, an seiner Stelle installieren, muss dafür jedoch Alimovs militärischen Arm zuerst ausschalten.

So begibt sich die Gruppe, deren Mitglieder sich „Geister“ nennen, auf eine Mission, in deren Verlauf sie morden, foltern und ein Ziel verfolgen, das nicht von einer übergeordneten Stelle legitimiert wurde, sondern von Eins vorgegeben. Sieht man demgegenüber das Team aus den Mission: Impossible-Filmen, werden schnell die inhaltlichen Unterschiede zu 6 Underground deutlich. Während dort eine Einheit in offiziell-inoffiziellem Auftrag unterwegs ist, um Leben zu schützen, sind hier Menschenleben dann entbehrlich, wenn sie dem höheren Ziel geopfert werden. Das wird schon daran deutlich, wenn man sich ansieht, was für ein Team Eins zusammenstellt. Darin findet sich eine CIA-Agentin, ein Auftragskiller, ein Parcours-Läufer und Dieb, eine Ärztin und ein Scharfschütze. Nach welchen Kriterien Eins seine Mitglieder ausgesucht hat, ist selbst dann noch undurchschaubar, wenn für beinahe jeden ein Rückblick eingestreut wird, wie er bzw. sie angeworben wird. Diese Hintergründe der Figuren in den Beginn eines solchen Franchise einzuweben, bläht das Geschehen dabei nur zusätzlich auf, zumal die ständigen Rückblicke das Tempo wiederholt aus der Erzählung nehmen.

Damit die von den Hauptfiguren ausgeübte, brutale Selbstjustiz nicht zu negativ aufgenommen wird, werden bedeutungsschwangere, aber undefinierte Bilder eines unterdrückten Volkes oder explizite Gewaltdarstellungen regelmäßig mit „coolen“ Sprüchen aufgelockert. Selbst dann, wenn es ein Teil des Titel gebenden Teams dahingerafft hat, darf dies die Stimmung nicht länger als eine Szene trüben, ehe Ryan Reynolds in der Hauptrolle etwas Witziges sagt. Ganz zu schweigen von Nebenhandlungen wie einer Lovestory innerhalb des Teams, an der auch der inkompetent und aufdringlich unangenehme Auftragskiller „Drei“ beteiligt ist. Die ist inhaltlich nicht nur vollkommen unwichtig, da das Drehbuch die Liebesbeziehung nicht einmal heranzieht, um eine Figur um das Leben der anderen fürchten zu lassen, sie erscheint so aufgesetzt, dass viele Momente wie eine Parodie wirken.

Die inhaltlichen Defizite fallen zu Beginn nicht einmal in dem Maße auf, da Regisseur Bay seinen Film – wie so oft – in geradezu überfordernder Art und Weise umsetzt. Der Auftakt scheint sogar recht vielversprechend, ehe der (zu) temporeichen Inszenierung so etwas wie eine Story an die Seite gestellt wird. Denn bei aller Kritik, im Gegensatz zu vielen anderen Actionfilmen der heutigen Zeit ist das Inferno, das 6 Underground beispielsweise in Florenz inszeniert, echt. Die Stunts bei der halsbrecherischen Autoverfolgungsjagd sind so schweißtreibend wie greifbar, weil das Gezeigte eben nicht am Computer entstand, sondern mit sichtbarem Aufwand gedreht wurde. Das schmälert nicht die Enttäuschung in Anbetracht des dürftigen Gesamteindrucks, zumal die unzählig vielen Produktplatzierungen von Uhren, Autoherstellern und Alkohol, die hier allesamt für Sekunden in Großaufnahme gezeigt werden, sichtlich stören. Aber es unterstreicht, dass Michael Bay wie kaum ein zweiter Action inszenieren kann. Doch Action allein ist noch kein Garant für gute Unterhaltung. Oder ein ausreichendes Fundament für ein Franchise.


Fazit:
Wollte man 6 Underground zusammenfassen, könnte man sagen, dass der Action-Thriller ein Team ähnlich wie bei Mission: Impossible vorstellt, das von einem einflussreichen Milliardär angeführt wird und Ziele verfolgt, die diese Einzelperson vorgibt. Bei deren Erfüllung entpuppen sich die Teammitglieder, angeblich Expertinnen und Experten ihres Fachs, als so überschätzt wie inkompetent, denn anstatt ihre Mission im Verborgenen mit möglichst wenig Kollateralschaden durchzuführen, sprengen sie alles (und jeden) in die Luft, selbst wenn die Zivilbevölkerung darunter leidet. Dafür präsentiert Filmemacher Michael Bay seine Heldentruppe mit viel vermeintlichem Wortwitz, der situationsunpassend eingestreut wird, Logik wie Physik ad absurdum führenden Actioneinlagen. Die sind wenigstens aufwändig in Szene gesetzt, aber meist so halsbrecherisch eingefangen und geschnitten, dass nur wenig Übersicht aufkommt. So fehlt dem Gezeigten trotz des unübersehbaren Pathos vor allem ein menschlicher Ankerpunkt, mit dem das Publikum mitfiebern kann. Entsprechend zäh erscheinen die zwei Stunden, so laut und klischeebeladen sie auch sein mögen.