4400 - Die Rückkehrer [2004]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 27. Mai 2006
Genre: Science Fiction / UnterhaltungOriginaltitel: The 4400
Laufzeit: 230 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Yves Simoneau, Helen Shaver, David Straiton, Nick Gomez, Tim Hunter
Musik: George S. Clinton
Darsteller: Joel Gretsch, Jacqueline McKenzie, Mahershalalhashbaz Ali, Laura Allen, Patrick Flueger, Chad Faust, Kaj-Erik Eriksen, Brooke Nevin, Peter Coyote, Gillian Barber, Bill Campbell, Conchita Campbell, Mark Valley
Kurzinhalt:
Immer wieder verschwinden rund um den Globus Menschen spurlos. Auch der Neffe des Regierungs-Agenten Tom Baldwin (Joel Gretsch), Shawn Farrell (Patrick Flueger), ist urplötzlich nicht mehr aufzufinden – sein Sohn Kyle Baldwin (Chad Faust), der mit Shawn die Nacht am See campen wollte, liegt seither im Koma. Doch als ein geheimnisvoller Himmelskörper auf die Erde zurast, erkennt Tom erst die wahre Größe des vor ihm liegenden Puzzles – aus heiterem Himmel erscheinen aus dem Himmelskörper 4400 Menschen, die zu unterschiedlichen Zeiten, manche vor über 50 Jahren, verschwunden waren. Auch Shawn ist zurückgekehrt und kann sich nicht daran erinnern, was in der Zeit seiner Abwesenheit mit ihm geschehen ist.
Die Behörde des Heimatschutzes unter der Leitung von Dennis Ryland (Peter Coyote) nimmt sich der Rückkehrer an, und zusammen mit seiner neuen Partnerin Diana Skouris (Jacqueline McKenzie) soll Tom die Situation der 4400 untersuchen. Dabei finden sie heraus, dass die Zurückgebrachten über besondere Fähigkeiten verfügen. Die junge Maia (Conchita Campbell) beispielsweise kann mitunter die Zukunft voraussagen und Shawn scheint heilende Fähigkeiten zu besitzen. Aber während die Bevölkerung den Rückkehrern skeptisch und auch hasserfüllt gegenüber steht, stellen sich Tom und Diana nach wie vor die Frage, zu welchem Zweck sie wieder zurück geschickt wurden – und von wem. Dabei ist Tom der Antwort bedeutend näher, als er vermuten würde ...
Kritik:
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo auf der Welt eine geschundene Seele vor das gaffende Publikum einer Talk-Show tritt und über sein Leid klagt, von Außerirdischen entführt worden zu sein. Auch wenn diese über kaum vorstellbare Technologien verfügen, waren sie doch nicht in der Lage, den Probanden so stark zu betäuben, dass dieser sich nicht an sämtliche der an ihm durchgeführten, schockierenden und invasiven Tests erinnern könnte, und seine Erfahrungen und Erinnerungen nun bereit willig mit den Anwesenden zu teilen gedenkt.
Von einer ähnlichen Prämisse ausgehend, macht sich die Mystery-Serie 4400 des Star Trek - Das nächste Jahrhundert [1987-1994] und Star Trek: Deep Space Nine [1993-1999]-Autors René Echevarria auf, das Interesse der Zuschauer zu wecken. Aber während die Quoten in den USA gut genug sind, um inzwischen eine dritte Staffel zu rechtfertigen, scheinen die Zuseher hierzulande nicht sonderlich angetan von den Geschichten und Fähigkeiten der Rückkehrer, und man darf davon ausgehen, dass dieser Trend in Zukunft anhalten wird. Der Grund hierfür ist einfach und bereitete den Autoren der Serie ebenfalls Kopfzerbrechen: Während 4400 – Die Rückkehrer prinzipiell nur als Mini-Serie konzipiert war, wurde das Projekt vom Studio nach der Erstausstrahlung zur Serie umgewandelt – doch da war die Auflösung der Rätselei im letzten Teil des fünfteiligen Serienauftakts ja bereits gegeben. Doch die entpuppt sich nur als eine der vielen Enttäuschungen dieses sehr langen, vier Stunden dauernden TV-Films.
Ohne vorweg zu nehmen, wer oder was sich hinter jenen 4400 zurückgekehrten tatsächlich verbirgt, muss man den Serienerfindern Echevarria und Scott Peters zugestehen, dass es ihnen gelingt, eine bekannte Geschichte mit neuen Ideen zu würzen. Sieht man sich aber die einzelnen Versatzstücke der Grundstory an, kommen einem die Elemente nicht nur erstaunlich bekannt vor, sondern sie scheinen auch auf äußerst billige Art und Weise miteinander verbunden.
Die einzelnen Fähigkeiten der Rückkehrer erinnern ohne Zweifel an das Comic-Franchise der X-Men mit eben jener Unsicherheit in der Anwendung der Superkräfte, wie auch bei den daraus entstehenden Komplikationen im normalen Leben. Das Mystery-Element der Entführungen lässt die Zuschauer dabei sehnlichst an Genreklassiker wie Steven Spielberg Unheimliche Begegnung der dritten Art [1977] zurückdenken und während das Teen-Liebes-Drama im Vergleich selbst Smallville [seit 2001] die Shakespear'sche Lyrik erscheinen lässt, ähnelt die betont langatmige Chronik-Erzählung frappierend an die Mini-Serie Taken [2002].
Was die Macher aber bei dem ganzen Genremix – und das fällt umso mehr ins Gewicht, wenn man sich die ersten fünf Episoden wie die an sich gedachte Mini-Serie vorstellt – zu vergessen scheinen, ist sich auf die durchgängige Geschichte zu konzentrieren, anstatt sich mit dem aus Smallville bekannten "Freak of the Week" zu beschäftigen. So handeln zwei Episoden von Figuren, die im späteren Verlauf der Serie gar keine Rolle mehr spielen und nur einen Aspekt der Rückkehrer verdeutlichen sollen. Dies hätte man nicht nur schneller erklären können, sondern auch geschickter, ohne dass man als Zuschauer zuerst subtil vermittelt bekommt, welchen Sinn und Zweck die Rückkehrer an sich haben, ehe jene Erkenntnis wenig später noch zwei Mal von den Hauptfiguren durchgekaut wird.
Eben dies ist auch ein Problem sämtlicher vorliegender Drehbücher, die eine Entscheidung der Figuren oder eine Eingebung nicht einmal, sondern mehrmals vor der Kamera durchkauen, bis auch der letzte Zuschauer begriffen hat, worum es eigentlich geht. Abgesehen von einer längeren Laufzeit hat das aber nur ein merklich geringeres Erzähltempo zur Folge, wobei selbiges ohnehin auf sträfliche Art und Weise dahinschleicht. Von einer spannenden Mystery-Geschichte ist bei 4400 somit nichts zu sehen, vielmehr verhält es sich bei den schematischen Stories was Atmosphäre oder Dynamik angeht wie bei einer verkrampft ruhigen Soap-Opera. Die Charaktere bleiben auch bei den aufbrausenden Situationen immer ruhig, klischeebeladene Szenen reihen sich brav hinter einander und werden ebenso brav wieder aufgelöst und die Dialoge sind so gestelzt wie abstrus, dabei stellenweise unfreiwillig komisch und altmodisch, sodass eine Glaubwürdigkeit der Figuren überhaupt nie gegeben ist.
Dass das von Genreveteranen wie Ira Steven Behr, Robert Hewitt Wolfe oder eben René Echevarria zu Papier gebracht wurde, ist kaum vorstellbar und ebenso erschreckend wie enttäuschend.
Entsprechend dünn gesät sind auch schauspielerische Glanzlichter, obgleich Joel Gretsch im Gegensatz zu seinem Taken-Auftritt hier deutlich mehr in seinem Element scheint. Würde ihn das Drehbuch auch tatsächlich agieren lassen, wäre bei ihm zweifelsohne eine mitreißende Darbietung möglich, so bemüht sich der Darsteller zwar merklich, hat aber mit einfältigen Dialogen und einer noch schleppenderen, hölzernen Handlung zu kämpfen.
Ähnlich ergeht es Jacqueline McKenzie, die zwar bereits in Deep Blue Sea [1999] einen Auftritt hatte, aber nach wie vor auf ihren großen Durchbruch wartet. Die Australierin vermag zwar zu überzeugen, hinterlässt aber nicht zuletzt auf Grund der nur schleppend in Gang gebrachten Chemie mit ihrem Partner Gretsch einen etwas faden Eindruck.
Mahershalalhashbaz Ali gibt zusammen mit seiner Kollegin Laura Allen hingegen eine deutlich bessere Figur ab und bewahrt sich gekonnt jenen Charme, den man ihm auf Grund der Vergangenheit seines Charakters attestieren würde. Schade nur, dass er als Schauspieler überhaupt nicht gefordert ist und stets mit einer reglosen Mine durch die Kulissen stapfen muss. Allen hat zwar ebenfalls nichts zu tun, wechselt ihren Gesichtsausdruck von "besorgt" zu "belanglos" dafür aber auf Kommando.
Weswegen sich der 1,93m große Bill Campbell in 4400 verirrt hat, kann man sich kaum erklären, er verkörpert den zwielichtigen Bösewicht aber ebenso wenig überzeugend, wie Peter Coyote den Vorsitzenden von Skouris und Baldwin. Während Campbell immer an der Schwelle zum übertriebenen Spiel torkelt, lässt Coyote jegliches Charisma oder gar Autorität völlig vermissen.
Maßlos enttäuschend sind allerdings die Jungdarsteller, von denen sich niemand auch nur im Entferntesten in Regionen nahe Dakota Fanning (Taken) aufhält. Die damals erst neunjährige Conchita Campbell gehört noch zu den überzeugendsten Nachwuchsakteuren, wohingegen Kaj-Erik Eriksen, Chad Faust und Patrick Flueger von Szene zu Szene zwischen durchschnittlich und hoffnungslos an der Rolle vorbei agieren. Auch Brooke Nevin, die auch in Smallville einen Gastauftritt hatte, scheint ihrer Rolle nicht im geringsten gewachsen.
So namhaft die Darsteller auch sein mögen, sie sind entweder nicht gefordert, oder aber nicht in dem Maße von den unterschiedlichen Regisseuren angeleitet, als dass sie wirklich überzeugen könnten. Den besten Eindruck hinterlassen die beiden Hauptdarsteller, die aber beide zu merklich mehr in der Lage wären, würde ihnen das Drehbuch denn einen Grund und eine Möglichkeit hierfür geben.
Auch die handwerkliche Umsetzung der verschiedenen Regisseure vermag nicht zu überzeugen; die Perspektiven-Auswahl beschränkt sich auf 08/15-Fernseh-Kost, die Kulissen erscheinen billig und sehen schon nach Studio-Herkunft aus, und anstatt vermeintlich spannende oder actionreiche Szenen auch so umzusetzen, wird sämtlicher Aufbau durch einen vollkommen wahl- und ziellosen Schnitt zerstört, der keinerlei Rhythmus oder Dynamik erkennen lässt. Die Explosionen sind dementsprechend einfallslos gefilmt, und wenn sich in der zweiten Hälfte ein mit Sprengstoff beladener Truck auf den Weg zu einer Siedlung macht, ist das an Langeweile von der handwerklichen Umsetzung her, kaum mehr zu überbieten.
Von einem Einbruch in eine Hochsicherheits-Einrichtung bekommt man rein gar nichts zu sehen und weswegen sämtliche Nachtaufnahmen bei Tag durchgeführt und mit einem billigen Filter versehen wurden, verstehe außerdem wer will. Nicht nur, dass diese billige Aufnahmetechnik schon daran zu sehen ist, dass Häuser, Bäume und Figuren dunkle Schatten (in der Nacht!) werfen, die Häuser im Hintergrund haben meist nicht einmal Lichter eingeschalten (weswegen auch, wenn bei Tag gefilmt wird?).
Die offensichtlichen Blue-Screen-Aufnahmen sind dabei noch die besten Einstellungen, wie sich 4400 aber sonst präsentiert ist an sich in der heutigen Zeit und bei den hochwertigen Fernsehproduktionen unzumutbar. Ohne persönlichen Stil, ohne Gespür für Spannung oder Szenenaufbau spulen die Regisseure die ohnehin nur leidlich unterhaltsame Geschichte ab, kleiden ihre Erzählung dabei in einfallslose Bilder und versehen das Ganze mit stellenweise seltsamen, meistens aber vollkommen wahllos erscheinenden Schnitten. Erinnert man sich dabei zurück, dass Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI [1993-2002] elf Jahre zuvor den Maßstab für diese Art TV-Serie sehr hoch angelegt hat und Fernseherzählung auf Kino-Niveau einführte, kann man sich kaum vorstellen, dass ein Studio heutzutage mit einem solchen Produktionsstandard um die Gunst der Zuschauerschaft buhlen will.
Die musikalische Begleitung scheint sich jenem Niveau unterordnen zu wollen, auch wenn das Titellied "A Place in Time" von Amanda Abizaid wenigstens ein wenig für unheimliche Stimmung sorgt. Der übliche Score tröpfelt hingegen vor sich hin, lässt keinerlei Struktur oder durchgängiges Thema erkennen, hält sich meistens aber derart im Hintergrund, dass er gleich gar nicht mehr zu hören ist, und unterstützt damit die Szenen auf die am wenigstens hilfreiche Art und Weise, nämlich überhaupt nicht.
Beim Finale des vierstündigen TV-Films soll den Zusehern dann von eindimensionalen Synthesizerklängen ein pseudo-Mystery-Feeling vorgegaukelt werden, das der Soundtrack aber ebenso wenig besitzt, wie die Serie selbst, von einer eindeutigen Handschrift bei der musikalischen Untermalung ganz zu schweigen.
Unterboten wird selbiges nur noch von der deutschen Synchronisation, die von den 4.400 nicht nur als "Vierundvierzighundert" spricht, sondern neben lustlosen oder wenig engagierten Sprechern, die meistens aus der ebenfalls miserable eingedeutschten Mini-Serie Taken bekannt sind, auch mit Stilblüten aufwartet wie "Schaffen Sie mir Washington von meinem Rücken", was im Original sicherlich "Get me Washington off my back" hieß, was aber korrekt (und für den deutschen Sprachgebrauch überhaupt erst verständlich) "Schaffen Sie mir Washington vom Hals" hätte heißen sollen. Dass die übrigen Dialoge gestelzt, trocken und mitunter unfreiwillig komisch klingen, überrascht somit nicht wirklich. Bewies das Deutsche Fernsehen mit Serien wie Emergency Room [seit 2004] oder auch Alias – Die Agentin [2001-2006], dass TV-Serien sehr gut ins Deutsche übersetzt sein können, macht sich 4400 auf, jene Verteidiger guter Synchronarbeiten Lügen zu strafen. Das ist ebenso bedauerlich wie inakzeptabel.
Hat man die doch sehr gemächlichen vier Stunden mit den 4400 Rückkehrern überstanden, stellt man sich als Zuschauer ohne Zweifel die Frage, ob man der kommenden Mystery-Serie denn eine Chance geben sollte. Doch welche Argumente sprechen denn tatsächlich dafür? Von den neuen Ideen ist keine tatsächlich neu, sondern vielmehr nur etwas anders verpackt, wobei dies so ungeschickt geschehen ist, dass die einzelnen Zutaten der Serie nicht nur herausstechen, sondern einen als potentiellen Zuseher auch daran erinnern, dass die geistigen Paten von 4400 – Die Rückkehrer in ihrem einzelnen schon bedeutend besser sind, als die Serie als Summe ihrer Versatzstücke.
Die langweilige Geschichte zusammen mit den unterforderten Darstellern und der mehr als nur durchschnittlichen Umsetzung versetzen der Mini-Serie außerdem den künstlerischen Todesstoß und wem all das nicht genügt, der wird mit einer der erbärmlichsten deutschen Synchronisationen daran erinnert, weswegen OmU (Original mit Untertiteln) immer der deutschen Vertonung vorzuziehen ist.
Fazit:
Die geistigen Väter der Mystery-(Mini-)Serie sind gerade Genrefans durchaus bekannt und ließen im Vorfeld einiges vermuten und noch mehr erhoffen. Dabei hätte man sich einerseits gewünscht, dass sie mehr Mut zur Innovation besitzen, anstatt altbekannte Storyideen neu zu mischen, andererseits hätte man aber auch erwartet, dass es ihnen dann zumindest gelingt, diese zusammen geschusterte Story wenigstens mitreißend zu erzählen.
Doch von alledem ist nichts zu sehen, und so entpuppt sich 4400 – Die Rückkehrer als eine der langweiligsten Mystery-Serien, seit das Genre von Akte X in dem Sinne überhaupt erfunden wurde. Dass die handwerkliche Umsetzung selbst Seifenopern oder Comedy-Serien wie Hollywood-Blockbuster erscheinen lässt, ist beinahe schon erschreckend und nur noch von den belanglosen Stories, den unterbeschäftigten Darstellern und der im deutschen vollkommen indiskutablen Synchronisation überboten. Der größte Vorteil gegenüber dem Genreverwandten Taken ist für Interessenten immerhin, dass die Mini-Serie nur halb so viel Zeit in Anspruch nimmt – aber auch vier Stunden sind im Grunde genommen mindestens die Hälfte zu lang.
In einem Wort: Enttäuschend.