21 Bridges [2019]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 15. August 2020
Genre: Action / Krimi

Originaltitel: 21 Bridges
Laufzeit: 99 min.
Produktionsland: China / USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Brian Kirk
Musik: Henry Jackman, Alex Belcher
Besetzung: Chadwick Boseman, Sienna Miller, J.K. Simmons, Stephan James, Taylor Kitsch, Keith David, Alexander Siddig, Louis Cancelmi, Victoria Cartagena, Gary Carr, Morocco Omari


Kurzinhalt:

Der New Yorker Polizist Andre Davis (Chadwick Boseman) ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten und hat inzwischen den Ruf, insbesondere bei Tätern, die Polizisten getötet haben, zuerst zu schießen und später Fragen zu stellen. Gerade erst wurde seine Arbeit von einer Kommission untersucht, da wird er an den Tatort eines tödlichen Überfalls gerufen. Polizeicaptain McKenna (J.K. Simmons) hat acht tote Polizistinnen bzw. Polizisten zu beklagen. Die Täter sind mit 50 Kilogramm Kokain geflohen. Da sie offenbar nach Manhattan geflüchtet sind, macht Davis einen brisanten Vorschlag: Er will die Insel abriegeln und im Anschluss mit einem Polizeiaufgebot fluten. Zusammen mit der Drogenfahnderin Frankie Burns (Sienna Miller) bleiben ihm nur die wenigen Stunden, in denen die Sperre aufrechterhalten werden kann. Unterdessen sind die Täter Ray (Taylor Kitsch) und Michael (Stephan James) auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Was Davis nicht ahnt: Im Hintergrund ist bereits abgesprochen, dass die Täter nicht lebend gefasst werden – und das nicht nur, weil sie Polizistenmörder sind …


Kritik:
Die Enttäuschung am Ende des Action-Krimis 21 Bridges ist nicht allein deshalb so groß, weil der Film trotz des Talents vor und hinter der Kamera nie über das Mittelmaß einer Videoproduktion hinauswächst, sondern weil nicht nur mit wenig Änderungen ein bedeutend besseres Ergebnis hätte erzielt werden können. Tatsächlich steht sich Regisseur Brian Kirk zu größten Teilen selbst im Weg, was auch deshalb erstaunt, weil die ersten knapp 45 Minuten überaus vielversprechend sind. Doch danach lässt der Film stark nach und in einem Tempo, das umso mehr erstaunt.

Die Geschichte beginnt mit einem Prolog, bei dem der dreizehnjährige Andre gezeigt wird, der der Beerdigung seines Vaters beiwohnt. Der geachtete Polizist wurde ermordet und auf Grund von dessen Integrität und Beliebtheit, ist Andre sein künftiger Werdegang gewissermaßen in die Wiege gelegt. Knapp 20 Jahre später muss er sich als Detective vor einer Untersuchungskommission dafür rechtfertigen, weshalb er in seiner Laufbahn erneut einen Kriminellen erschossen hat. Als Polizist hat sich Andre den Ruf eines Cop-Killer-Killers angeeignet, was wohl auf sein traumatisches Erlebnis mit seinem Vater zurückzuführen ist. Die ersten Minuten, in denen er unter anderem seine pflegebedürftige Mutter besucht, sind alles – wirklich alles – was Hauptfigur Andre in 21 Bridges an Charakterisierung widerfährt. Das Publikum soll sich offenbar auf die Geschichte konzentrieren, anstatt durch die Figuren abgelenkt zu werden.
Die eigentliche Story setzt schließlich mit einem Überfall der beiden Kriminellen Michael und Ray an, die im Keller des Objekts, in das sie eindringen, Kokain finden, wie von ihrer Quelle angegeben. Als unerwartet die Polizei eintrifft, beginnt ein blutiger Schusswechsel, bei dem insgesamt acht Uniformierte sterben. Als klar wird, dass sich die beiden Täter in Manhattan befinden, schlägt der ermittelnde Andre vor, sämtliche Verbindungen zur Insel zu kappen, so dass niemand über die insgesamt 17 Brücken und vier Tunnel, oder über den Seeweg, die U-Bahn oder sonst wie die Insel verlassen kann. Zusammen mit einer ganzen Schar an Polizisten bleiben ihm und der Ermittlerin des Drogendezernats, Frankie, nur wenige Stunden, um die Polizistenmörder zu finden.

Auf dem Papier klingt das überaus viel versprechend: Ein zeitlich kompakter Krimi in einem ebenso begrenzten wie weitläufigen Areal, bei dem Andre früh merkt, dass die außer ihm eingesetzten Polizisten nicht daran interessiert sind, die Täter lebend zu fangen. Dass dahinter mehr steckt, als nur der Wunsch nach Rache für die getöteten Kolleginnen und Kollegen, weiß das Publikum bereits, noch bevor die Jagd auf Ray und Michael beginnt. Es dauert jedoch erstaunlich lange, ehe Andre diesbezüglich ein Licht aufgeht. Ihn als Figur einzuschätzen fällt entsprechend schwer, da es bei ihm keine nennenswerte Entwicklung gibt und er auch keine Ecken und Kanten zugeschrieben bekommt. So passend Hauptdarsteller Chadwick Boseman für eine solche Rolle im Grunde ist, er agiert hier vollkommen emotionslos, als würde ihn nichts hiervon berühren. Rennt er einem Verdächtigen hinterher, ist er danach nicht außer Atem, wird auf ihn von allen Seiten geschossen, bleibt er vollkommen ruhig, und erkennt er ein Muster beim Verhalten der übrigen Polizisten, scheint ihn dies nicht zu berühren. Gleichermaßen ergeht es seiner Kollegin Frankie, geradezu emotionslos gespielt von Sienna Miller. Einzig bei dem gejagten Michael ist erkennbar, dass für ihn etwas auf dem Spiel steht.

Produziert von Anthony und Joe Russo, den beiden Regisseuren, unter anderem von Avengers: Infinity War [2018] und Avengers: Endgame [2019], sind es aber die handwerklichen Unzulänglichkeiten, die gerade bei der Action den Spaß am Zusehen nehmen. Ist insbesondere der Überfall selbst packend inszeniert und wartet die erste Dreiviertel Stunde mit einfallsreichen Perspektiven auf, ist es, als hätte Filmemacher Kirk im Anschluss das Interesse an einem solchen Szenenaufbau verloren. So enthält er seinem Publikum für den Rest des Films nicht nur ständig bestimmte Übergänge vor, so dass beispielsweise keine Übersicht gegeben ist, welche Person sich bei einer Verfolgungsjagd wo befindet, oder weshalb Figuren von einem Perspektivenwechsel auf den nächsten urplötzlich deutlich weiter entfernt sind. Es fehlen auch schlicht wichtige Szenen. Bei einem der vielen, vielen Feuergefechte beispielsweise hält ein Polizist urplötzlich eine blutende Hand vor die Kamera – wie das passiert ist, bekommt das Publikum jedoch nicht zu sehen. Kurz danach wird eine weitere Figur angeschossen, durch wen und wie, wo die Person doch zu dem Zeitpunkt hinter einem Auto in Deckung steht, verstehe wer will. Diese handwerklichen Ungereimtheiten nehmen im weiteren Verlauf nur noch zu, bis selbst die Stunts an sich vollkommen verschenkt sind. Wenn zum Beispiel Andre Michael durch ein Gebäude hindurchjagt, bei dem die Decke unvorstellbar niedrig scheint, sie über Regale und Gerümpel rennen müssen. In welcher Umgebung man sich in dem Moment aber befindet, wird nie klar. Dass Michael durch eine Scheibe springt, ist an sich ein guter Stunt, doch nicht einmal eine halbe Sekunde lang wird gezeigt, wie er auf der anderen Seite auf dem Boden aufkommt.

21 Bridges ist immer Verlauf zunehmend um eine temporeiche Inszenierung bemüht, dass die Macher zu vergessen scheinen, dass schnelle Szenen ohne Zusammenhang noch keine mitreißende Erzählung ausmachen. Folgt Frankie einem der beiden Täter in ein Kühlhaus, könnte das eine spannende Szene sein. Doch anstatt die ungewohnte Umgebung aus ihrer Sicht zu zeigen, das Publikum an ihre Stelle zu setzen, zeigt Regisseur Brian Kirk ständig ihr Gesicht, geht vor ihr weg. Das erzeugt keine Spannung, es erzeugt an sich überhaupt nichts. Dass das Drehbuch außerdem der Meinung ist, die erweiterte Hintergrundstory um einen Geldwäscher mit brisanten Informationen und Polizisten, denen mehr daran gelegen ist, die zwei Täter tot als lebend zu fassen, wäre einfallsreich oder unvorhersehbar, macht die weit absehbaren „Twists“ nur umso weniger erfrischend. So ist die größte Überraschung hier, wie wenig überraschend der Ablauf des Action-Krimis am Ende ist. Das klingt nach zu wenig – und ist es am Ende auch.


Fazit:
Der an sich einzige Kniff des Konzepts hier ist die Tatsache, dass für die Suche nach den Tätern die Insel Manhattan abgeriegelt wird. Doch aus dem Titel selbst macht Filmemacher Brian Kirk erstaunlich wenig. Im Gegenteil: Die Gesuchten unternehmen nicht einmal den Versuch, Manhattan zu verlassen. Stattdessen ist das Drehbuch sichtlich darum bemüht, zusätzlich zur eigentlichen Hatz die Story um eine „Verschwörung“ zu erweitern. Bedauerlich ist hier, dass nicht nur die Ausgangslage, sondern auch die Ausführung zu leicht durchschaubar sind. Überrascht wird man hier allenfalls dadurch, wie wenig kompetent oder mitreißend die Action, insbesondere in der zweiten Filmhälfte, inszeniert ist. Die durchweg unterkühlten Figuren mit einem ebenso unnahbaren wie unverwundbaren Helden im Zentrum machen es überdies schwer, bei 21 Bridges mitzufiebern. Dessen Prolog ist ebenso wenig ergreifend, wie überhaupt notwendig. Dieselbe Information wird in mehreren Dialogen wiederholt, was inhaltlich vollkommen ausreichen würde. Immerhin ist die Story ständig in Bewegung, so dass es nie wirklich langweilig wird. Sieht man sich aber nicht nur die Unzulänglichkeiten in der Umsetzung, sondern auch die Möglichkeiten für einen packenden Crime-Thriller an, macht das die Enttäuschung nur umso größer.