2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen [1984]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. August 2024
Genre: Science Fiction

Originaltitel: 2010: The Year We Make Contact
Laufzeit: 116 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1984
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Peter Hyams
Musik: David Shire
Besetzung: Roy Scheider, John Lithgow, Helen Mirren, Bob Balaban, Keir Dullea, Douglas Rain (Peter Schiff), Madolyn Smith, Dana Elcar, Taliesin Jaffe, James McEachin, Natasha Shneider, Vladimir Skomarovsky, Mary Jo Deschanel, Elya Baskin, Savely Kramarov, Oleg Rudnik


Kurzinhalt:

Missionsleiter Dr. Heywood Floyd (Roy Scheider) wird für das Scheitern der Discovery One verantwortlich gemacht, deren Auftrag es im Jahr 2001 war, das Ziel eines unergründlichen Signals zum Jupiter zu untersuchen. Im Jahr 2010 wird immer noch eine Nachfolgemission vorbereitet, die den Zustand der Discovery One, den Verbleib des Astronauten Dr. Dave Bowman (Keir Dullea) sowie die folgenschwere Fehlfunktion des Computers HAL 9000 (Douglas Rain / Peter Schiff) untersuchen soll. Da die Discovery droht, auf Jupiters Mond Io zu zerschellen, begeben sich Floyd, Ingenieur Walter Curnow (John Lithgow) und der Erfinder von HAL, R. Chandra (Bob Balaban), trotz des andauernden Konflikts zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten auf eine gemeinsame Mission im sowjetischen Raumschiff Leonov unter der Leitung von Kosmonautin Tanya Kirbuk (Helen Mirren). Was sie in der Nähe des Jupiter finden, stellt alles in Frage, was die Menschheit über ihren Platz im Universum zu wissen glaubt …


Kritik:
Basierend auf Arthur C. Clarkes Romanfortsetzung Odyssee 2010 [1982] erzählt Filmemacher Peter Hyams in 2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen einen der einflussreichsten Science Fiction-Meilensteine der Filmgeschichte weiter. Es ist ein Unterfangen, das sich anhört, als wäre es zum Scheitern verdammt, dabei besitzt die gleichermaßen ruhig dargebrachte Geschichte eine Zugänglichkeit, die dem Genre prägenden Vorgänger 2001: Odyssee im Weltraum [1968] fehlte. Man mag ihm das als Schwäche auslegen, tatsächlich ist es seine größte Stärke.

Die Mission der Discovery One, Signale zu untersuchen, die auf den Jupiter gerichtet sind, gilt als gescheitert. Der letzte Funkspruch von Astronaut Dave Bowman, der im Jahr 2001 empfangen wurde, gibt immer noch Rätsel auf und was der schwarze Monolith zu bedeuten hat, der auf dem Mond gefunden wurde, ehe die Crew der Discovery ein weitaus größeres Exemplar entdeckte, ist weiterhin ungeklärt. Um den Verbleib von Dr. Bowman und die Fehlfunktion des fortschrittlichen Computersystems HAL 9000 an Bord der Discovery zu klären, wird eine weitere Mission vorbereitet. Für den Fehlschlag verantwortlich gemacht, musste Missionsleiter Heywood Floyd seinen Posten räumen und selbst neun Jahre später ist die Discovery Two immer noch nicht fertiggestellt. Ungeachtet der stets steigenden Spannungen zwischen der UdSSR und den Vereinigten Staaten tritt der sowjetische Raumfahrtleiter an Floyd heran und schlägt ihm eine Zusammenarbeit vor. Das sowjetische Raumschiff Leonov wird früher startbereit sein, doch die Expertise der amerikanischen Wissenschaftler wird benötigt, HALs Schicksal und die Systeme der Discovery One zu untersuchen. Die Zeit drängt, denn das Raumschiff droht, auf den Jupitermond Io zu stürzen. Tatsächlich dürfen Floyd, Ingenieur Curnow und HALs Erfinder Chandra die Leonov begleiten. Was sie beim Jupiter finden, wirft jedoch nur mehr Fragen auf.

Fragen, deren Beantwortung in 2010 jedoch nicht alleinig der Interpretation des Publikums überlassen wird. Filmemacher Hyams nutzt die Geschichte, die ganz offen vor dem Hintergrund des Kalten Krieges spielt, um der Menschheit nicht nur ein Mysterium zu präsentieren, das es nur lösen kann, wenn ihre Differenzen beigelegt werden, sondern um ihr anhand ihrer Entdeckungen den Platz im Universum zu zeigen. Die Spezies Mensch erhält darin einen Auftrag, der sie im Gesamten anspricht und keinen Platz für eine Unterscheidung nach Herkunft zulässt. Bis es soweit ist, sind die Astronauten und Kosmonauten gehalten, die Feindschaft ihrer Regierungen auszublenden, um gemeinsam daran zu arbeiten, die Geheimnisse der Discovery One sowie des Monolithen zu lüften. Dass das Drehbuch trotz der Verschiedenheiten, die vorgestellt werden, keine Fronten an Bord der Leonov aufbaut, die Story gewissermaßen ohne jeglichen Bösewicht auskommt, ist ihm hoch anzurechnen. Es unterstreicht den Entdeckergeist der Science Fiction-Geschichte, die wie zuvor große Ideen über den Platz des Menschen im Universum und den Beginn der Evolution vorstellt, sie jedoch einem breiteren Publikum zugänglich macht.

Wer Stanley Kubricks 2001 eben für diese transzendentale Zukunftsvision zu schätzen wusste, wird Filmemacher Hyams gleichermaßen eine Simplifizierung vorwerfen, wie ein Übererklären der beabsichtigten Aussagen. Die stammen jedoch gerade in den letzten Minuten unmittelbar aus der Romanvorlage, wenngleich ohne einen Zusatz, der vor dem geopolitischen Hintergrund zumindest als lebensbejahende Botschaft gedeutet werden kann. In den übrigen Ideen, beispielsweise die Einbindung von HAL oder die Erklärung, was mit Astronaut Dave Bowman geschehen ist, bleibt 2010 der Vorlage überraschend treu und in gewisser Hinsicht für ein Gelegenheitspublikum zu abstrakt. Wie gehabt, sind dies Eindrücke und Konzepte, die zum Nachdenken anregen und deren weiterführende Bedeutung über das Geschehen im Film hinausgeht. Sich darauf einzulassen, erfordert daher erneut ein wenig Geduld, zumal es wenige dramaturgische Höhepunkte gibt. Was die Erzählung vorantreibt, ist vielmehr die unbändige Neugier, verstehen zu wollen, was es mit den Geschehnissen auf sich hat und ob sie womöglich Aufschluss darüber geben können, wo wir herkommen – und wohin unsere Reise geht.

In dieser Beziehung ist 2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen tolle Science Fiction im klassischen Sinne. Regisseur Peter Hyams baut auf der Geschichte des ersten Teils auf und erzählt doch seine eigene, die man zusammen mit dem Prolog sogar verstehen kann, ohne den Vorgänger gesehen zu haben. Dass es den Verantwortlichen gelingt, beim Anblick und dem Betreten der Discovery One das Flair des Klassikers aufleben zu lassen, obwohl sie doch sämtliche Kulissen und Sets anhand dessen nachbauen mussten, was in 2001 zu sehen ist, da Kubrick seinerzeit sowohl die Modelle als auch die Pläne hierfür vernichten ließ, ist ihnen hoch anzurechnen. Ebenso, dass sie der ruhigen und auf den Inhalt fokussierten Erzählung treu bleiben, anstatt aus dem möglichen Konflikt an Bord des sowjetischen Raumschiffs einen actionreichen Thriller zu erzählen. Mag sein, dass dem die majestätische Erhabenheit und die verschwenderische Größe fehlen, die den Klassiker gleichzeitig zu einer solch unnachahmlichen Erfahrung gemacht haben. Doch macht ihn das zugänglicher, ohne die Aussagen in Mitleidenschaft zu ziehen.


Fazit:
Konzeptionell bahnbrechend und visionär, steht Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum ungeachtet seiner erzählerischen Unwägbarkeiten unantastbar wie der Monolith im Zentrum des Science Fiction-Genres. Dass Filmemacher Peter Hyams selbst in Zusammenarbeit mit Autor Arthur C. Clarke hier heranreichen könnte, hat wohl niemand erwartet. Doch ist die Fortsetzung mehr, als nur eine Wiederholung derselben Themen und Geschichte. Namhaft besetzt, insbesondere mit Roy Scheider, der die Rolle von William Sylvester übernimmt, und Helen Mirren in ihrem amerikanischen Spielfilmdebüt, nähert sich die Geschichte den bisherigen Botschaften auf eine verständlichere Art und Weise. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges ist dies eine Science Fiction-Story, die die Menschheit als Spezies heraus- und zur Einigkeit auffordert. Unbestritten, es fehlt 2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen die Mystik des Vorgängers und statt poetischer Interpretationsmöglichkeiten, bekommt das Publikum die Aussage eindeutig präsentiert. Deutlicher noch und ein wenig von oben herab, als in der Romanvorlage. Doch das ändert an deren Gültigkeit und ihrer positiven Stimmung nichts. Handwerklich tadellos und mit merklich Liebe zum Detail des alles überstrahlenden ersten Teils zum Leben erweckt, ist dies ein starker Genrefilm, dessen Ideen heute noch bestehen und vielleicht sogar inspirieren können.