Daniel H. Wilson: "Robocalypse" [2011]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 9. September 2018
Urheberrecht des Covers liegt bei
Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG
ISBN: 978-3-426-50905-0 (Taschenbuch); Preis € (D) 9,99.
Verwendet mit freundlicher Genehmigung.
Genre: Science Fiction / Thriller
Originaltitel: Robopocalypse
Originalsprache: Englisch
Gelesen in: Englisch
Ausgabe: E-Book
Länge: 352 Seiten
Erstveröffentlichungsland: Großbritannien
Erstveröffentlichungsjahr: 2011
Erstveröffentlichung in Deutschland: 2011
ISBN-Nr. (gelesene Ausgabe): 978-0-85720-415-8
Kurzinhalt:
Nachdem die 14. Inkarnation der Künstlichen Intelligenz Archos sich seiner selbst bewusst wird, steht für sie außer Frage, dass um die Welt und die Natur zu beschützen, die Menschen auf dem Planeten vernichtet werden müssen. Deshalb infiziert Archos alle zugänglichen elektronischen Geräte mit einem Virus und plant von langer Hand einen Großangriff auf die Menschheit. Anfangs mit vereinzelten Versuchen und schließlich mit einem verheerenden Schlag, bei dem sich die Technologie gegen die Menschen wendet. Das Ergebnis ist der sogenannte Neue Krieg, der nicht nur astronomisch viele Opfer fordert, sondern die überlebenden Menschen in ein technologisches Mittelalter zurückwirft. Während Archos immer neue Roboter entwickelt und nach Experimenten an Menschen völlig ungeahnte Ziele verfolgt, formiert sich auf Seite der Überlebenden Widerstand. Nicht nur bei den Menschen – auch andere Roboter, die ein Bewusstsein entwickelt haben, lehnen sich gegen Archos auf. Dabei kann es nur mit vereinten Kräften gelingen, die schier allmächtige KI zu besiegen und den Planeten zurück zu erobern …
Kritik:
Daniel H. Wilsons Robocalypse verrät bereits im Titel, wovon der Science Fiction-Roman inhaltlich handelt. Darin erzählt der Autor von einer von Robotern hervorgerufenen Apokalypse – wobei sie tatsächlich nicht von Robotern, sondern einer Künstlichen Intelligenz verursacht wird – und wie die stark dezimierte Menschheit im Anschluss versucht, sich gegen die Herrschaft der Maschinen aufzulehnen. Die Idee selbst dabei nicht neu und zumindest Bestandteil einer ganzen Reihe von wegweisenden Science Fiction-Werken. Dafür zeichnet sich das Buch durch eine andere Herangehensweise an die Thematik aus. Nicht nur, dass der Autor sowohl den Konflikt selbst (bezeichnet als „Neuer Krieg“) und damit die Stunde Null beschreibt, er widmet sich auch dem, was nach der Apokalypse kommt. Dabei verzichtet Wilson auf eine klassische Erzählweise und präsentiert die Geschichte stattdessen als Ansammlung von Zeugenaussagen und Berichten, die jeweils aus der Ich-Perspektive geschildert sind und unterschiedliche Blickwinkel auf die Ereignisse ermöglichen. Nicht nur, dass das frappierend an World War Z - Operation Zombie [2006] von Max Brooks erinnert, es nimmt dem Buch auf Grund des überschaubaren Umfangs viele Möglichkeiten.
Der eigentliche Erzähler der Geschehnisse ist Cormac Wallace, der die Zusammenstellung unmittelbar nach dem Ende des Krieges verfasst. Die verschiedenen Episoden sind dagegen sowohl aus seiner Sicht erzählt als auch aus derjenigen der 10jährigen Mathilda, von Takeo Nomura, der in Japan eine bedeutende Widerstandsbewegung initiiert, einem Teenager-Hacker und sogar einem Roboter. Hinzu kommen einige andere Figuren und der eigentliche Antagonist der Geschichte: Die KI Archos, die im Grunde von der Menschheit fasziniert und der Überzeugung ist, dass die Natur beschützt werden muss, auch wenn dafür die Menschen sterben müssen.
Die Geschichte selbst umspannt mehr als drei Jahre und schildert anfangs die „vereinzelten Zwischenfälle“, die sich ereignen, als Archos über einen langen Zeitraum sein Vorgehen plant. Im Anschluss beschreibt Autor Wilson genau den Moment, an dem die Maschinen die Kontrolle übernehmen und die Zeit danach, in der sich Widerstand formiert.
Robocalypse ist gespickt mit vielen guten Ideen wie die Tatsache, dass die KI ihre eigentliche Basis in einem abgelegenen Teil Alaskas einrichten lässt. Auch die Art, wie sie dort versucht, die Menschen fernzuhalten, ist ein gelungener Einfall. Beschreibt Daniel H. Wilson, wie schleichend sich die Feindseligkeit der KI manifestiert und wie es ihr gelingt, die alltäglichen Helfer der Menschen gegen sie einzusetzen, seien es Autos, Roboter oder so unscheinbare Gegenstände wie Fahrstühle, dann gewinnt der Roman beinahe eine erschreckende Glaubwürdigkeit. Dem gegenüber stehen allerdings großteils schnell abgehandelte und meist nur oberflächliche Charakterisierungen der einzelnen Figuren und eine Story, die mehr andeutet, als sie letztendlich auslotet. So stellt sich früh das Gefühl ein, dass nicht nur auf Grund der beschränkten Blickwinkel das globale Ausmaß der Katastrophe gar nicht greifbar wird. Immer wieder werden Andeutungen zu anderen Ereignissen gemacht, die aber nicht weiterverfolgt werden.
Hätte sich Autor Wilson stattdessen darauf konzentriert, die Geschehnisse aus einer Perspektive zu erzählen und sei es nur, dass die einzelnen der jeweils fünf Abschnitte vollständig aus einem Blickwinkel geschildert wären, hätte er die Möglichkeit gehabt, die Figuren um zahlreiche Facetten zu ergänzen. So verhindert die episodenhafte Erzählung mit den vielen zeitlichen Sprüngen, dass man sich mit den Figuren eingehend identifiziert, geschweige denn mit Ihnen mitfiebert. Zumal sich Robocalypse die Erzählweise nicht insofern zunutze macht, dass beispielsweise das Finale auf mehreren Ebenen vorbereitet und geschildert wird. Zwar spielt dabei die zuvor bereits erwähnte Mathilda eine wichtige Rolle, doch wechselt der Roman hier zu keinem Moment in ihre Sicht. Das würde dann gar nicht weiter auffallen, wenn der letzte Kampf zwischen der Menschheit und den Maschinen packen würde. Aber gerade weil der Erzähler immer wieder auf eine große Schlacht verweist, enttäuscht das Ende schon deshalb, weil der Maßstab zu klein erscheint. Auch in Anbetracht dessen, was auf dem Spiel steht.
Sprachlich bewegt sich Wilson auf dem Niveau gängiger Unterhaltungsliteratur, wobei sich manche Beschreibungen von Geräuschen mitunter oft wiederholen und eher an ein Comic als einen Roman erinnern. So glaubhaft dabei mitunter die Schilderungen einer bestimmten Jugendlichen sind, sie sind gespickt mit Formulierungen, die jemand in diesem Alter selbst dann nicht benutzen würde, wenn Erwachsene ihr sie in den Mund legen würde. Hier büßt das Buch viel von seiner Authentizität ein. Dies macht der Autor immerhin über weite Strecken mit einer flotten, kurzweiligen Erzählweise wieder wett.
Fazit:
Dass Daniel H. Wilson auf dem Gebiet der Robotik bewandert ist, ist unbestritten. Insbesondere seine Schilderungen der alltäglichen Technologie, die von der KI Archos gegen die Menschheit eingesetzt wird, gefallen und verleihen dem Roman einen greifbaren Realismus. Auch ist die Erzählung selbst temporeich genug und überzeugt mit vielen nachvollziehbaren Beschreibungen. Allerdings leidet das Buch unter den üblichen Schwachstellen des episodenhaften Erzählstils. Die Charakterisierungen sind nicht übermäßig bemerkenswert, noch scheint der Autor merklich darum bemüht, den Figuren Tiefe zu verleihen. In Anbetracht der Tatsache, dass dies alles Zeugenaussagen sein sollen, sind die einzelnen Schilderungen mitunter schlicht zu detailliert und die Formulierungen zu ausschweifend, wie niemand außer einem Autor sie wohl treffen würde. Im Endeffekt entwickelt die Geschichte daher nie die epochale oder emotionale Wucht, die sie selbst andeutet oder auch verdienen würde. Das liegt gleichermaßen an der überschaubaren Länge. Als Science Fiction-Unterhaltung liefert Robocalypse für Genrefans jedoch genügend frische Einfälle, damit auch die im Grunde vertraut klingende Story überzeugen kann. Für einen modernen Klassiker sind weder die Ansätze, noch die Umsetzung einzigartig genug.