The French Dispatch [2021]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 9. Oktober 2021
Genre: Komödie / UnterhaltungOriginaltitel: The French Dispatch
Laufzeit: 108 min.
Produktionsland: Deutschland / USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Wes Anderson
Musik: Alexandre Desplat
Besetzung: Benicio Del Toro, Adrien Brody, Léa Seydoux, Jeffrey Wright, Timothée Chalamet, Frances McDormand, Tilda Swinton, Bill Murray, Willem Dafoe, Saoirse Ronan, Elisabeth Moss, Edward Norton, Owen Wilson, Christoph Waltz, Liev Schreiber, Fisher Stevens, Jason Schwartzman
Kurzinhalt:
Es soll die letzte Ausgabe von Arthur Howitzer Jr.’s (Bill Murray) angesehenem Magazin The French Dispatch sein, für das der ursprünglich aus Kansas stammende Chefredakteur die besten Exiljournalistinnen und -journalisten in Frankreich vereint hat. Die Abschiedsausgabe soll mit einem Vorort-Bericht des fahrradfahrenden Reporters Herbsaint Sazerac (Owen Wilson) beginnen, der die geschwungenen Pfade von Ennui-sur-Blasé ebenso einfängt wie die Lebenswege der Menschen dort. Es folgt eine Geschichte von J. K. L. Berensen (Tilda Swinton) über den inhaftierten Moses Rosenthaler (Benicio Del Toro), der ein Kunstwerk erschuf, in das der Händler Julian Cadazio (Adrien Brody) ein Vermögen investiert, und ein Bericht von Lucinda Krementz (Frances McDormand) über die Studentenproteste im Mai 1968 in Paris, für die sie bei dem engagierten Studenten Zeffirelli (Timothée Chalamet) dicht am Objekt recherchierte. Den Abschluss macht der Artikel von Roebuck Wright (Jeffrey Wright) über eine Entführung, einen Koch und einen Chauffeur (Edward Norton). So sehr wie sie alle die Essenz des Lebens dort einfangen und ihrer Leserschaft nahebringen, die Autorinnen und Autoren finden sich selbst mehr in ihren Berichten wieder, als sie zugestehen …
Kritik:
Es fällt schwer, Wes Andersons The French Dispatch zu beschreiben. Ebenso den Inhalt wie die Wirkung. Die Geschichte, bei der sich der Autorenregisseur von dem beinahe seit 100 Jahren erscheinenden, wöchentlichen Magazin The New Yorker hat inspirieren lassen, beschreibt die letzte Ausgabe des fiktiven The French Dispatch of the Liberty, Kansas Evening Sun, angesiedelt in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg. Es erweckt vier Artikel zum Leben und eine Rahmengeschichte. Vor allem aber ist es ein Spiegelbild für den Charme, die Überzeugungskraft und die Kuriositäten des Journalismus.
Die Rahmengeschichte erzählt, wie Arthur Howitzer Jr., der einst Berichte seiner Europareise als Magazin in seiner Heimat Kansas veröffentlichen wollte, die letzte Ausgabe von The French Dispatch vorbereitet, in dem sein exquisit zusammengestelltes Team aus Exiljournalisten wöchentlich über Politik, Alltägliches und Kunst schreibt. Das besondere Magazin genießt inzwischen einen sehr guten Ruf und hat eine stattliche Auflage rund um den Globus, so dass die finale Edition entsprechend gepflegt sein will. Darum führt sich Howitzer die verschiedenen Berichte zu Gemüte, von „Der Fahrradfahrenden Reporter“, der die Eigenheiten der fiktiven französischen Stadt Ennui-sur-Blasé vorstellt (der Name selbst ist hier Programm), über „Das Beton Meisterwerk“, „Korrekturen eines Manifests“ bis hin zu „Das Private Esszimmer des Polizeichefs“.
Dabei ist es weniger der Inhalt der einzelnen Geschichten, der das Herzstück von The French Dispatch ausmacht, als vielmehr die süffisante und wortreiche Art und Weise, wie sie erzählt werden, zusammen mit der Rahmenhandlung selbst. Die erste wirkliche Reportage über einen verurteilten Straftäter, der ein vermeintliches Meisterwerk im Gefängnis malt und den ebenfalls einsitzenden Kunsthändler, der es ihm abkaufen möchte, ist dabei bereits eine gelungene Einstimmung, welche unverwechselbare handwerkliche Finesse das interessierte Publikum hier erwartet – und ob das Publikum willens oder in der Lage ist, sich darauf einzulassen.
Abgesehen davon, dass die Figuren gelegentlich die Vierte Wand durchbrechen und sich unmittelbar an das Publikum richten, setzt Filmemacher Anderson Farb- und Schwarzweißaufnahmen ein, um die verschiedenen Erzählebenen voneinander abzutrennen oder unter Umständen entscheidende Momente hervorzuheben. Rückblenden innerhalb der Geschichten sind ebenso gängig wie wechselnde Bildverhältnisse, animierte Passagen, eigenwillige Kameraperspektiven oder die Tatsache, dass die Sets zum Großteil anmuten, als wären sie auf einer Theaterbühne errichtet.
Hinzu kommt, dass die Geschichten wenig durch sich selbst, als durch die erzählenden Journalistinnen und Journalisten vorgetragen werden, ganz so, als würde der Chefredakteur Howitzer Jr., der von niemand geringerem als dem unverwechselbaren Bill Murray gespielt wird, sie vor den Augen des Publikums durchlesen. Das bedeutet aber auch, dass das Publikum gefordert ist, die vielen visuellen Eindrücke zu verarbeiten und gleichzeitig den teils ausufernd detaillierten Erzählungen zuzuhören. Das ist fordernd, aber an allen Fronten mit derart viel Informationen und Details ausgestattet, dass man sich förmlich in diesen Geschichten verlieren kann. Die sind allesamt mit so viel Wortwitz vorgetragen, so amüsant und teils bissig, dass man beinahe übersehen könnte, mit wie viel Bedacht sie eingefangen sind. Die Choreografie der jeweiligen Szenen mit vielen Ereignissen, die teils in einer Szene zusammen kommen, während ohne Unterbrechung gefilmt wird, ist beeindruckend und wird nur von einem noch übertroffen: Der Besetzung.
Benicio Del Toro, Adrien Brody, Léa Seydoux, Jeffrey Wright, Tilda Swinton, Timothée Chalamet, Frances McDormand, Edward Norton, Christoph Waltz oder auch Owen Wilson, die Liste ist hier noch lange nicht zu Ende und sie alle sind in wenigstens einem Moment gefordert, bringen ihre Figuren mit einem Augenzwinkern und einer Ernsthaftigkeit gleichzeitig zur Geltung, dass unverkennbar ist, welch großen Respekt Regisseur Wes Anderson vor der Zunft hat, die er hier porträtiert. Sein The French Dispatch setzt alle denjenigen Journalistinnen und Journalisten ein Denkmal, die nicht nur versuchen, über Ereignisse zu berichten, sondern die Essenz, die Atmosphäre der Situation in einem Land am anderen Ende der Welt für ihre Leserschaft einzufangen. Und die trotz ihrer Distanz immer Gefahr laufen, Teil ihrer eigenen Geschichten zu werden und um ihre Neutralität ebenso kämpfen müssen wie darum, das Geschehen nicht zu beeinflussen. Das mitanzusehen, zaubert dem geneigten Publikum beinahe die ganze Laufzeit über ein Lächeln auf die Lippen, ist in manchen Momenten geradezu verletzend treffsicher und mit einem Charme dargebracht, der sich auf die Zuschauerschaft überträgt.
Ob dies aber ein breites Publikum anspricht, steht auf einem anderen Blatt.
Fazit:
Sehr oft verrät die Filmvorschau zu viel. Hier jedoch sei die Empfehlung ausgesprochen, dass das geneigte Publikum, das nicht ohnehin auf Grund der Beteiligten interessiert ist, einen Blick riskiert, denn der Trailer fängt die Stimmung von Wes Andersons fantastisch und mit sagenhaften Farben zum Leben erweckter Hommage gelungen ein. Der bereits fünfmal für den Oscar nominierte Filmemacher zieht hier handwerkliche alle Register, erzählt sowohl die Rahmengeschichte als auch die einzelnen Artikel des Magazins als künstlerisch überlegte, mit einzigartigen, detailreichen Merkmalen zum Leben erweckte und herausragend choreografierte Theaterstücke. Die Anleihen an Frankreichs Film- und Kunstschaffende sind kaum zu übersehen. Aussagen wie solche zur Aufbruch suchenden Jugend oder dem Journalismus im Allgemeinen, sind interessant, aber nicht in allen Episoden des Anthologiefilms greifbar. Von einem fantastischen Ensemble bis in die kleinsten Rollen toll gespielt, ist das durchweg so amüsant wie charmant. Mit viel Humor und Leichtigkeit erzählt, ist The French Dispatch eine erlesen besetzte Ode an die Menschen, die den Journalismus leben, und für Enthusiasten eine Freude, zuzusehen. Doch die Art der Erzählung ist überaus speziell und trotz des nicht zu leugnenden Unterhaltungswerts nie packend, so dass sich die Herangehensweise doch nur für ein sehr spezielles Publikum eignen wird.