The Photograph [2020]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 10. August 2020
Genre: Drama / Liebesfilm

Originaltitel: The Photograph
Laufzeit: 106 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Stella Meghie
Musik: Robert Glasper
Besetzung: Issa Rae, LaKeith Stanfield, Chanté Adams, Y’lan Noel, Rob Morgan, Kelvin Harrison Jr., Lil Rel Howery, Teyonah Parris, Jasmine Cephas Jones, Rylee Gabrielle King, Phoenix Noelle, Marsha Stephanie Blake


Kurzinhalt:

Im Rahmen einer Recherche in Louisiana trifft der aus New York stammende Journalist Michael (LaKeith Stanfield) auf Isaac (Rob Morgan). Bei ihm wird er auf die Fotos einer später berühmt gewordenen Fotografin aufmerksam, Christine Eames. Seine Zeit mit ihr hat Isaac nie vergessen können. Zurück in New York, sucht Michael Christines Tochter Mae (Issa Rae) auf. Nach dem kürzlichen Tod ihrer Mutter hat sie in deren Nachlass zwei Briefe gefunden – einen für Mae und einen für ihren Vater. Durch die Abschiedsworte ist es, als würde Mae ihre Mutter Christine (Chanté Adams) zum ersten Mal richtig kennenlernen, die in den 80er-Jahren mit Isaac (Y’lan Noel) zusammen und doch unglücklich war. Nicht seinetwegen, sondern weil sie in die Stadt gehen und sich verwirklichen wollte. Wie für ihre Mutter, ist es für Mae nicht einfach, ihre Gefühle auszudrücken, obwohl sie Michael nicht nur näherkommt, sondern sich auch sehr gut mit ihm versteht. Doch so gut beide zusammen zu passen scheinen, sie stehen ihrer gemeinsamen Zukunft gleichzeitig selbst im Weg …


Kritik:
Stella Meghies romantisches Drama The Photograph ist das filmische Äquivalent eines Jazz-Club-Besuchs. Selbst wenn man die Themen bereits kennt, ist es die Präsentation und die Variationsfreude, die den Abend am Ende auszeichnen. Dass die Geschichte selbst hier nicht allzu einfallsreich klingt, ist nicht unbedingt ein Nachteil, ist sie doch derart stilvoll und mit solch sicherer Hand umgesetzt, dass nicht das Ziel der Figuren die Erzählung prägt, sondern ihr Weg dorthin.

Der beginnt mit dem Journalisten Michael Block, der im U.S.-Bundesstaat Louisiana ein Interview führt, im Rahmen der Recherche für eine Story. In Isaacs Haus sieht er Bilder der Fotografin Christine Eames und beginnt, Nachforschungen zu ihr anzustellen. So trifft Michael auf Christines Tochter Mae, die nach dem kürzlichen Tod ihrer Mutter einen Brief von ihr erhält – und einen für ihren Vater. Während Mae auf diese Weise einen Zugang zu der Frau findet, mit der sie nie so eng verbunden war, wie andere Mütter und Töchter, erhält auch Michael einen Einblick in ihre Vergangenheit. Gleichzeitig kommen sich beide näher und haben doch damit zu kämpfen, wie sehr ihre bisherigen Erfahrungen sie geprägt haben.

Das klingt alles recht vage und tatsächlich ist es in The Photograph nicht so, dass sich die Figuren am Anfang an einem Punkt befinden und – auch emotional – bis zum Ende zu einem anderen Punkt gelangen (müssen). Der stets präsente, jazzige Soundtrack ist insoweit ein guter Gradmesser für die Story, die sich mehr treiben lässt, als dass sie ein Ziel verfolgt. Die Geschichte beschäftigt sich abwechselnd mit Christine und Isaac in den 1980er-Jahren und der Liebesgeschichte um Mae und Michael in der heutigen Zeit. Christine zieht es früh in die Stadt, sie ist eine junge Frau, die sich aufmacht, ihren eigenen Weg zu gehen. In dem Sinne ist ihr Werdegang bedeutend interessanter, als der ihrer Tochter, der es als Ko-Kuratorin eines Museums auch an Anerkennung und beruflicher Erfüllung nicht zu fehlen scheint. Die Parallelen zwischen Mutter und Tochter sind hier schwerer zu sehen, als zwischen Christine und ihrer eigenen Mutter, die nur einen kurzen Auftritt hat.

Auslöser der zwei Erzählebenen ist ein Brief im Nachlass ihrer Mutter, in dem Christine Mae erklärt, weshalb sie so war, wie sie war: Jemand, der bedeutend besser im Beruf als in zwischenmenschlichen Dingen gewesen ist und die immer wieder Menschen zurückgelassen hat. Als Christine dies selbst in einem Videointerview über sich selbst sagt, ist sie gerade nach New York gezogen. Die Frage, die sich das Publikum irgendwann stellt ist, wer war sie tatsächlich? Wie stellte sich die Beziehung zwischen Mutter und Tochter wirklich dar?
An diesen Fragen ist The Photograph nicht wirklich interessiert. Die Wechsel der Erzählebenen sind auch nicht in dem Sinne abgestimmt oder choreografiert, dass sich Erfahrungen von Mutter und Tochter spiegeln würden. Weder sind Michaels Recherchen Ursache dafür, dass die Erzählung immer wieder zu Christine zurückspringt, noch dass Mae ihren Brief immer wieder liest. All dies wirkt eher improvisiert, denn mit der eigentlichen Handlung verwoben. Insofern erscheint Stella Meghies Herangehensweise an die Geschichte, zu der sie auch das Drehbuch schrieb, recht konzeptlos.

Was der Filmemacherin jedoch gelingt, ist eine greifbare Chemie zwischen den Figuren zu entwickeln. Sei es zwischen Mae und Michael, deren Kennenlernen und gegenseitiges Begeistern beinahe zu einfach aussieht. Oder bei Christine, die geradezu am Spagat zwischen ihrer Zuneigung zu Isaac und ihrem Drang, sich selbst zu finden, verzweifelt. Selbst Nebenfiguren wie Michaels Bruder Kyle erscheinen derart unverkrampft und natürlich, dass die Stimmung der Charaktere geradezu ansteckend ist. Das verdankt The Photograph auch der Besetzung, die stimmig zusammengestellt ist und sich gelungen ergänzt.
Abseits der musikalischen Untermalung, trägt auch die Bilderauswahl immens zur Atmosphäre des romantischen Dramas bei. Dies ist ein schlichtweg toll fotografierter Film, bei dem die künstlerische Handschrift von der ersten bis zur letzten Minute sichtbar ist. In dieser Hinsicht gibt es viel zu entdecken. Ob sich ein breitgefächertes Publikum auf die mäandrierende Erzählweise einlassen will, steht allerdings auf einem anderen Blatt.


Fazit:
Wenn man ein Adjektiv sucht, um Stella Meghies atmosphärischen Film zu beschreiben, dann wäre es „samtweich“ durchaus passend. Der Aufbau der Szenen besitzt ebenso wie die Optik etwas Einnehmendes, wie eine Lounge bei gedimmtem Licht nach Feierabend. Sich dem zu entziehen, fällt einem Publikum, das in der richtigen Stimmung ist, merklich schwer. Für diese Aspekte muss man das Liebesdrama durchweg loben, ebenso für die Besetzung und die Stimmung. Die stellenweise ziellose Geschichte um die beiden zentralen Charaktere, die bislang kein Glück in der Liebe gefunden haben, und sich nur dann aufeinander einlassen können, wenn sie erkennen, dass das Einzige, was sie daran hindert, sie selbst sind, ist stylisch dargebracht, aber mit zwei Erzählebenen unnötig verkompliziert. Zumal Christines Werdegang alles in allem inspirierender und sie als Figur interessanter ist, als Michael und Mae. Ungeachtet der vielen positiven Punkte, ist The Photograph dadurch letztendlich nur wenig bewegend, was auch daran liegt, dass die beiden Hauptfiguren zwar eine greifbare Chemie entwickeln, aber nie deutlich wird, was sie zueinander hinzieht. Anstatt in der Liebesgeschichte aufzugehen, bleibt das Publikum damit größtenteils außen vor. Zugegeben, dabei könnte man sich weitaus schlechter unterhalten fühlen.