Noah [2014]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 01. September 2014
Genre: Drama / Fantasy

Originaltitel: Noah
Laufzeit: 138 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2014
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Darren Aronofsky
Musik: Clint Mansell
Darsteller: Russell Crowe, Jennifer Connelly, Ray Winstone, Anthony Hopkins, Emma Watson, Logan Lerman, Douglas Booth, Nick Nolte, Mark Margolis, Kevin Durand, Leo McHugh Carroll, Marton Csokas, Finn Wittrock, Madison Davenport


Kurzinhalt:
Als Nachfahre Abels weiß Noah (Russell Crowe), dass die Erben Kains die Schätze des Bodens ausbeuten und die Tiere ausrotten. Zusammen mit seiner Frau Naameh (Jennifer Connelly) und seinen Söhnen Shem (Douglas Booth), Ham (Logan Lerman) und Japheth (Leo McHugh Carroll) macht sich Noah nach einer Vision auf zu seinem Vater Methusalem (Anthony Hopkins). Er sah im Traum, wie die Welt in Fluten versank, um das Schlechte der Welt hinweg zu spülen.
Angekommen, beginnt er mit dem Bau einer Arche, wofür er vom Schöpfer auserwählt wurde. In ihr sollen die Tiere der Welt Zuflucht finden, um nach der Sintflut neu beginnen zu können. Doch auch die Menschen, angeführt von Tubal-Kain (Ray Winstone), einem Nachkommen Kains, der davon überzeugt ist, dass die Menschen sich die Natur Untertan machen sollen, fürchten die Flut und sind bereit, alles zu tun, um in die Arche zu gelangen …


Kritik:
Darren Aronofskys Noah verlangt von seinen Zuschauern einen Glaubenssprung, unabhängig davon, ob sie die Schöpfungsgeschichte aus der Bibel wörtlich nehmen, oder nicht. Die erste Hälfte seines Fantasywerkes lebt dabei von einer grandiosen Optik und so vielen gelungenen Ideen, dass die Geschichte packt, auch wenn nicht viel geschieht. Doch brechen die Wassermassen über die Erde herein, so scheint es als ertränkten sie auch den kreativen Fluss des Regisseurs. Umso enttäuschender ist was danach geschieht.

Der Filmemacher interpretiert dabei die christliche Entstehungsgeschichte des Universums auf seine eigene Weise. Anstatt sich an den Wortlaut zu klammern, zeigt er in einer betörenden Bilderfolge wie das Universum entstand, wie unsere Welt erschaffen wurde und wie das Leben darauf keimte. Er stellt den Sündenfall Adams und Evas, ihre Vertreibung aus dem Paradies vor und schildert unter der Führung der Nachkommen Kains eine Gesellschaft, die mit der Erde in einer Art und Weise umgeht, als gehöre sie ihr. Ihre Maßlosigkeit vergiftet den Planeten, während die Menschen sich immer weiter ausbreiten.

Von Kindesbeinen an wurde Noah gelehrt, dass er von der Erde nur nehmen sollte, was er zum Leben benötigt. Es ist das Verständnis eines Gleichgewichts, das er versucht, an seine Kinder weiterzugeben, von denen der ältere Sohn Shem ihm treu folgt, während der mittlere, Ham, von Kains Erben zu sehr fasziniert ist und seine Bedürfnisse vor die der anderen stellt.
Aronofskys mahnende Botschaft, dass die Menschen Gast auf Erden und nicht ihre Herrscher sind, klingt im ersten Drittel deutlich an. Er unterstreicht seine Aussage durch die zurückgebliebenen Wächter der Schöpfung, die Adams und Evas Nachkommen lehrten, sich die Natur zunutze zu machen, ehe sich die Menschen gegen sie auflehnten. Sich mit diesem manifestierten Fantasyelement anzufreunden, dürfte vielen Zuschauern nicht leicht fallen, doch erzählt Noah ihre Geschichte, gewinnen diese Figuren eine ungeahnte Tiefe und Anmut. Ihre Erlösung ist nicht weniger gelungen.

Es fällt leicht, sich in den aussagekräftigen Bildern der buchstäblich vorsintflutlichen Welt zu verlieren. So schimmern vor der Sintflut die Galaxien durch das Blau des Himmels, als wäre die Welt der Schöpfung damals näher gewesen als danach. Auch in Noahs Vision einer ertränkten Erde gibt es viel zu entdecken und der Bau der Arche samt Einzug der Tiere ist visuell überwältigend. Ebenso der erschreckende Blick auf die Siedlung der Menschen, deren Hunger so groß ist, dass sie vor nichts zurückschrecken.
Dahingegen verkommt der Sturm der von Tubal-Kain angeführten Massen auf die Arche einer Metzelei, die optisch an einen Der Herr der Ringe-Film erinnert, aber emotional nicht packt. Diese Zugkraft fehlt auch der zweiten Filmhälfte, die überwiegend an Bord der Arche spielt, aber auf einen klassischen Bösewicht nicht verzichtet.

Dabei bietet die Wandlung des von Russell Crowe ergreifend gespielten Noah von einem Überzeugten zu einem Getriebenen, der schwört, sein eigenes Enkelkind im Namen Gottes zu töten, bereits genug Konfliktpotential. Crowe verkörpert die wachsende Bürde, die auf Noah lastet sowohl vor, als auch nach der Flut auf eine beklemmende Art und Weise. Jennifer Connelly ist dagegen nur selten gefordert, aber ebenso toll besetzt. Emma Watson wirkt als Ila, die in Noahs Familie aufgenommen wird, etwas verloren, was jedoch der Rolle geschuldet ist. Es ist bedauerlich, dass das Drehbuch mit ihnen in der zweiten Filmhälfte nicht viel anzufangen weiß.


Fazit:
Regisseur Darren Aronofsky bannt seine Vision der Schöpfungsgeschichte und Noahs Schicksal auf Film und er tut dies in berauschenden, bedeutsamen Bildern. Zumindest zu Beginn. Noahs Visionen, die bildhafte Umsetzung der Entstehung des Lebens und selbst die von der Sünde zerfressene Gesellschaft sind hervorragend umgesetzt und packen vom ersten Moment an. Das Fantasyelement der Wächter mag für manche hingegen schwieriger zu akzeptieren sein, doch auch sie passen ins Konzept. Selbst der mahnende Bezug zu unserer heutigen Welt ist gelungen.
Umso tragischer ist es, dass sich Noah zunehmend in dick aufgetragenen Klischees verliert und die zweite Hälfte auf die üblichen Mechanismen des Hollywoodkinos (samt Bösewicht und geläutertem Heranwachsenden) nicht verzichtet. Auch optisch begeistert die zweite Stunde weit weniger, es ist beinahe, als würde man einen anderen Film sehen. Russell Crowe trifft alle Stationen von Noahs Reise gekonnt, bis hin zur Leere, in die er fällt. Er trägt ein Finale, das dem Beginn eigentlich nicht würdig ist.