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Der Teufel trägt viele Gesichter
Treffpunkt: Kritik Spätestens um zwei Uhr nachmittags, wenn sich geskriptete TV-Psychologen fiktiven Opfern und Tätern stellen, wird man als Zuschauer jeder Altersgruppe mit allerlei Themen konfrontiert, die einen an sich gar nicht interessieren sollten: Inzest, Ehebruch, Psychoterror. Von den kriminellen Energien, die sich wenig später zum Richterspruch versammeln ganz abgesehen. Es wird kurz darauf nicht wirklich besser, wenn sich wohlhabende Familien in Vorabendserien bekriegen, man einander absichtlich betrügt oder eine Vendetta auf dem Rücken Unbeteiligter ausgetragen wird. Wer dies übersteht, nicht zur rettenden Quizsendung flüchtet, dem bleibt das Schlimmste nicht erspart: die Wirklichkeit, die einem als tagesaktuelle Nachrichtensendung präsentiert wird. Sieht man sich einen Fernsehtag in chronologischer Reihenfolge an, möchte man meinen, als würde die Realität die TV-Welt imitieren. Dabei sind die Grenzen doch längst ein fließender Übergang.
Spätestens, wenn im Anschluss an die Tagesschau (Titelthema der Skandal um die Missbrauchsfälle im Rahmen der katholischen Kirche) eine eigen produzierte Serie der Öffentlichen Rechtlichen Sendeanstalten ausgestrahlt wird, die in einem Kloster spielt, wird deutlich, dass es sich doch "nur" um Fernsehen handelt. Manche Themen genügen, wenn sie innert des 15minütigen Nachrichtenformats untergebracht sind. Danach möchte man davon lieber nichts mehr hören. So wird in jener Sendung zwar auf die Finanzkrise eingegangen, die selbst vor den überweltlichen Institutionen keinen Halt zu machen scheint, aber auf das Dilemma in den verschiedensten Glaubensgemeinschaften wird nicht Bezug genommen.
Dabei glaubt man in manch oberen Lichtgestalten der Katholischen Kirche derzeit den Belzebub höchst persönlich wiederzuerkennen. Wessen Gedächtnis ein wenig länger reicht, der wird feststellen, dass diese überdies keine neuen Erkenntnisse sind. Nur was geschieht denn seit den letzten "Enthüllungen", die so lange in der Presse breitgetreten wurden? Zwar wird noch geprüft, ob die Missbrauchsfälle nicht inzwischen verjährt sind – ob die seelischen Wunden, die den Opfern zugefügt wurden verjähren scheint die Gesetzgebung dabei nicht zu interessieren – aber aus den Titelseiten ist das Thema inzwischen wieder verschwunden. Als die harmloseren Berichte über die ohrfeigenden Bischöfe veröffentlicht wurden, hat es für die erste Seite ohnehin nur mit einem kleinen Artikel gereicht. Das Thema scheint zumindest vorerst jedenfalls wieder vom Tisch und in Rom gibt man sich derzeit erstaunlich ruhig. War vor dem erneuten Skandal (immerhin ist das Thema nicht zum ersten Mal aktuell) im wöchentlichen Abstand eine geistige Fehlleistung aus der spirituellen Bastion nach der anderen veröffentlicht worden, ist es erstaunlich still geworden, beinahe, als wolle man abwarten, bis das Kurzzeitgedächtnis der Öffentlichkeit wieder vergessen hat, was eigentlich unverzeihlich ist.

Dabei spielt es doch eigentlich keine Rolle, ob diese schamlose Ausnutzung der Vertrauens- und Autoritätsposition von einem Geistlichen ausgeht, oder nicht. Man erinnere sich an dieselbe Situation in der Schiedsrichteraffäre, die ebenfalls noch nicht ausgestanden ist, beziehungsweise in welch regelmäßigem Abstand so etwas bei Sportvereinsleitern, Lehrern oder anderen pädagogisch geprägten Berufen vorzukommen scheint. Es ist in jedem Falle Unrecht und auch öffentlich anzuprangern. Die Bestrafung sollte den Tätern doppelt so lange in Erinnerung bleiben wie die seelischen Narben den Opfern anhaften. Wie häufig ein solches Verbrechen geschieht, veranschaulicht demnächst eine Dokumentation.
Im Priesteramt mag diese Tat stärker auffallen, weil die Kirchen den moralischen Alleinherrschaftsanspruch erheben. Getreu der Losung "wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen", mag man so die Würdenträger damit zwar nun vorübergehend in ihre Schranken weisen, geholfen ist den Opfern damit jedoch nicht. Wird es auch nicht sein, solange man zahlreiche Ausreden gelten lässt, weswegen solche Taten nicht aufgeklärt werden müssen. Sei es, dass die Täter zu alt sind, die Verbrechen zu lange her, oder die Behauptung die Opfer wollten nicht, dass dies ans Licht kommt. Die Namen der Opfer hat nie jemand in der Öffentlichkeit verlangt. Aber die Namen und Fotos der Verbrecher.

Über einen mangelnden Bekanntheitsgrad kann sich insbesondere eine Frau derzeit nicht beschweren: Sandra Bullock. Nachdem Aussagen an die Presse gelangten, ihr Ehemann habe sie seit beinahe einem Jahr betrogen, flüchtete die ohnehin nicht so sehr in der Öffentlichkeit beheimatete Darstellerin aus dem Rampenlicht und hält sich seitdem bedeckt. Der größte Triumph ihrer Hollywoodkarriere, ihr Oscar für die beste Hauptrolle, den sie kurz zuvor gewann, verliert dabei wohl jede Bedeutung.
Inzwischen hat sich die Situation ausgeweitet, weitere Frauen sind an die Öffentlichkeit gegangen, sie hätten Affären mit Bullocks Ehemann gehabt.
Immerhin hat dieser sich seither nicht zu den Anschuldigungen geäußert oder versucht, diese zu entkräften – der bei einer unwahren Aussage entstehende Bumerang könnte Bullocks Privatleben immerhin ein zweites Mal zerstören. Aber auch andere Personen haben sich vor die Mikrophone gedrängt mit Mitleids- und Beistandsbekundungen. Und auch die Boulevardpresse äußert sich zu dem Ehedrama, tituliert sie als die "Schöne" und ihn als das "Monster". Wie sehr ihr Leben zerstört wurde wird betont, dabei muss sich für sie ein jeder Bericht wie ein weiterer Stich anfühlen, als dürfe sie nicht zur Ruhe kommen.
Aber so ist das Leben im Rampenlicht: solange keine anderen Schlagzeilen zu finden sind, wird mit dem Unglück Anderer Geld verdient. Die einzige Verschnaufpause, die Sandra Bullock in den letzten Wochen bekam war, als sich Jim Carrey von seiner Lebensgefährtin Jenny McCarthy trennte und die Trennung per Twitter-Nachricht bekannt gab. Als er sich wenig später schützend vor Tiger Woods stellte und meinte, dessen Ehefrau könne an der Affäre des Sportlers nicht unschuldig gewesen sein, war der Miniskandal perfekt. Inzwischen ist die Aufregung darüber wieder verflogen, Woods lässt sich nun wohl doch scheiden und so war es jüngst wieder an der Zeit, dass sich erneut ein ehemaliges TV-Sternchen rührend über Sandra Bullock äußerte, wie schlimm diese Zeit für sie sein muss. Nur gut, dass dies einem alle paar Tage wieder ins Gedächtnis gerufen wird, anstatt dass man ihr die Zeit gibt, mit der Situation klarzukommen.

Wo immer sich die Darstellerin derzeit aufhält, man kann nur hoffen, dass sie dort keine Zeitung zur Hand nimmt und auch den Fernseher auslässt. Was man im Flimmerkasten zu sehen bekommt sind fiktive Geschichten und solche, die erscheinen als wären sie real. Sie sind voll von Tätern und Opfern. Oft sind die Täter dabei klar zu erkennen. Manchmal aber auch versteckt sich der Teufel hinter einer Maske, die hilfsbereit und Anteil nehmend aussehen mag, hinter der sich jemand aber nur selbst bereichern möchte. So wie die Medien auch. Uns kann das lange egal sein. Solange, bis wir selbst irgendwann zu Opfern werden.
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