The Life of Chuck [2024]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 19. August 2025
Genre: Drama / Fantasy
Originaltitel: The Life of Chuck
Laufzeit: 111 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Mike Flanagan
Musik: The Newton Brothers
Besetzung: Tom Hiddleston, Jacob Tremblay, Benjamin Pajak, Cody Flanagan, Chiwetel Ejiofor, Karen Gillan, Mark Hamill, Nick Offerman (Stimme), Mia Sara, Annalise Basso, Taylor Gordon, Carl Lumbly, Kate Siegel, Samantha Sloyan, Trinity Bliss, Matthew Lillard
Kurzinhalt:
Es scheint wie eine Endzeitvision, die Lehrer Marty (Chiwetel Ejiofor) in den Nachrichten wahrnimmt. Das Internet ist seit Monaten ausgefallen und die Bilder rund um die Welt zeugen von immer verheerenderen Katastrophen. Der Zusammenhalt der Menschen untereinander schwindet zusehends und Verzweiflung macht sich breit. Selbst Martys Ex-Frau Felicia (Karen Gillan), die als Krankenschwester in einem Krankenhaus sieht, wozu die Menschen angesichts eines drohenden Endes der Welt fähig sind, wird von dieser düsteren Stimmung ergriffen. Sie und Marty wundern sich dabei über die vielen Werbeanzeigen und Plakate in der Stadt, die sich bei dem Buchhalter Chuck Krantz (Tom Hiddleston) für seine langjährigen Dienste bedanken. Der vereint, was seine Großeltern Albie (Mark Hamill) und Sarah (Mia Sara) ihm vorgelebt haben: Albies Passion für Mathematik und Sarahs Liebe für die Musik. Seine Welt besteht aus beidem gleichermaßen, selbst wenn er eines lange vergessen haben sollte …
Kritik:
Nach Das Spiel [2017] und Doctor Sleeps Erwachen [2019] widmet sich Filmemacher Mike Flanagan mit The Life of Chuck einer weiteren Vorlage von Autor Stephen King. Basierend auf der im Sammelband Blutige Nachrichten im Jahr 2020 erschienenen Novelle Chucks Leben, ist auch die Verfilmung in drei Akte unterteilt. Darin wird das Leben des Buchhalters Charles „Chuck“ Krantz erzählt. Das klingt wenig spannend und tatsächlich betrifft der Mysteryaspekt nur einen kleinen Teil des stark gespielten Dramas. Das wirft nicht nur existenzielle Fragen auf, sondern findet auch eine Antwort, die lebensbejahender kaum sein könnte.
Man könnte im Nachhinein insbesondere auf das erste Drittel des Films zurückblicken und sich fragen, ob es für den Rest überhaupt notwendig ist. Die Welt steht kurz vor dem Ende. Es beginnt damit, dass das Internet zusammengebrochen ist, dann versinkt die Erde buchstäblich im Chaos. Die Menschen sind verzweifelt, auch die Eltern der Kinder, die Hight School Lehrer Marty unterrichtet. Ein Leben ohne Internet, wie soll das gehen? Wie sollen die Menschen in Verbindung bleiben? Weitere Katastrophen rund um die Welt kommen hinzu. Viele hören auf, zur Arbeit zu gehen. Doch wie Marty, sieht auch seine Ex-Frau Felicia, die im Krankenhaus mit immer weniger Personal diejenigen zu versorgen sucht, die niemanden haben, Anzeigen und Plakate, die sich bei Chuck Krantz bedanken, der als Buchhalter bei einer Bank gearbeitet hat. Wie all dies zusammenhängt und was Chucks Großeltern Albie und Sarah damit zu tun haben, sei an der Stelle nicht verraten. Es soll genügen zu sagen, dass die Erzählung die unterschiedlichen Ansätze zusammenführt und zu einem Abschluss bringt.
Während alledem ist The Life of Chuck durchgehend aus dem Off erzählt mit Beschreibungen der Hintergründe der einzelnen Personen oder der gezeigten Situationen. Es ist beinahe, als würde Filmemacher Flanagan im wörtlichen Sinn eine Verfilmung einer Novelle vornehmen, als gäbe es einen Erzähler, der die Bilder vor den Augen des Publikums erstehen lässt. Durch die Struktur der Erzählung, die nach der Hälfte in den Zusammenhängen zunehmend klarer wird, entwickelt das trotz des ernsten Kerns leichtfüßige Drama jedoch kaum eine greifbare Spannung. Die dramaturgische Zugkraft besteht vielmehr darin, dass man eben wissen möchte, wie diese unterschiedlichen Aspekte miteinander verbunden werden und was es mit einem Turmzimmer auf sich hat, das nicht aufgesucht werden soll. Dass man sich hierauf gern einlässt, ist unter anderem der Besetzung zu verdanken, von der Tom Hiddleston als der Titel gebende Chuck ebenso hervorsteht, wie Chiwetel Ejiofor und Karen Gillan als Marty und Felicia. Mark Hamill verleiht Chucks Großvater Albie einen geradezu greifbaren Charme, dem auch sein junger Zuhörer erliegt, wenn Albie ihm in dem wohl besten Monolog des Films die Bedeutung der Mathematik erklärt und damit die Träume seines Gegenüber ebenso zerschlägt, wie er ihm den Weg in die Zukunft zeigt. Es ist ein Augenblick, in dem das gesprochene Wort ebenso viel aussagt, wie die Augen des jungen Benjamin Pajak, der eine der größten Entdeckungen des Films ist.
Neben der stimmungsvollen Musik, zu der nicht nur der passende Score der Newton Brothers zählt, sondern auch die gesungenen Songs, rundet auch Mike Flanagans Inszenierung die Geschichte gelungen ab. Ruhig und überlegt, lässt er das Publikum an dem teilhaben, was in seinen Figuren vor sich geht, selbst wenn dies nicht ausgesprochen wird. The Life of Chuck ist kein Drama voller Konfrontationen und hitziger Konflikte. Es ist eine Erzählung über die Wege, die man geht und diejenigen, gegen die man sich entscheidet. Diese philosophischen Ansätze sind es, die nachwirken und unterstreichen, welche Art Publikum die Verfilmung anspricht. Es scheint beinahe im Gegensatz zu den überaus weltlichen Fragen zu stehen, die zu Beginn aufgeworfen werden. Dabei stehen auch angesichts des Ende der Welt die Fragen im Zentrum, die unsere Existenz betreffen. Was definiert uns? Ist es die Möglichkeit, mit anderen Menschen (beispielsweise über das Internet) in Kontakt zu bleiben, uns darin einen Sinn zu suchen? Oder unsere Arbeit? Was würden wir tun, wenn beides an Bedeutung verliert, wir erkennen, dass wir nicht länger eine vermeintliche Kontrolle über unser persönliches Universum besitzen, sondern uns als Teil von etwas größerem, aber endlichem verstehen? Und wie soll man nicht verzweifeln und aufgeben in Anbetracht der verheerenden Zukunftsprognosen und weltweiten Katastrophen, von denen wir mehr erfahren, als je ein Mensch zuvor in der Geschichte?
Die Ausgangslage erscheint überaus düster und tatsächlich kann man das Leben, wenn man bedenkt, dass es irgendwann enden wird, als etwas Trostloses ansehen – allein, wozu das Ganze? Doch The Life of Chuck füllt seine Erzählung mit den Geschichten seines Titel gebenden Protagonisten, verleiht dem eine Farbpalette, die mitunter beinahe überspringt und zwei Tanzeinlagen, deren Rhythmus einen zum Mitwippen ebenso einlädt, wie sie einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Mike Flanagan unterstreicht trotz des Schmerzes von Verlust und Trauer, von alledem, was unvollendet bleibt, die Schönheit des Lebens, die sich mitunter auch aus seiner Vergänglichkeit speist. Das mag nur wenig im klassischen Sinn mitreißen, aber es ist eine letztlich so schöne wie hörenswerte Geschichte, deren Aussagen bei einem bleiben.
Fazit:
Wir alle sind die Hauptfiguren im Buch unseres Lebens. Es mag nur Teil einer Enzyklopädie sein, aber letztlich ist es doch die Erzählung einer und eines jeden einzelnen. Blickt man auf den Zustand dieser Welt, die Sorgen, die man sich angesichts der Zukunft und der Entwicklung machen kann und muss, kann man verstehen, weshalb nicht wenige Menschen verzweifeln. Ihre Ängste nimmt Regisseur Mike Flanagan ebenso ernst, wie er ihnen mit auf den Weg gibt, dass es sich auch in Anbetracht der Aussichtslosigkeit von allem lohnt, den Moment zu schätzen und sich die Hoffnung zu bewahren. Durch die Art und Weise, wie er seine Geschichte erzählt und weil sich der Fokus mehrmals ändert, fällt es schwer, eine menschliche Verbindung zu der Titelfigur aufzubauen, die am Ende ebenso berührt, wie in der Mitte der Erzählung. Doch das bedeutet nicht, dass die letztendliche Aussage nicht bewegen würde. Ausgehend vom Ende von allem findet The Life of Chuck eine Botschaft, die die Magie des Lebens und was uns alle verbindet, umso mehr unterstreicht. Wer sich darauf einlässt, wird eine bis in die Nebenrollen toll besetzte wie gespielte Erzählung vorfinden, die einem in vielen Momenten ein Lächeln ins Gesicht zaubert und einem gleichzeitig einen Spiegel vorhält. Es liegt an uns zu gestalten, was wir darin sehen.