Wunderschöner [2025]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 5. Februar 2025
Genre: Drama / Komödie
Laufzeit: 137 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Karoline Herfurth
Musik: Annette Focks
Besetzung: Anneke Kim Sarnau, Karoline Herfurth, Emilia Schüle, Nora Tschirner, Emilia Packard, Friedrich Mücke, Godehard Giese, Malick Bauer, Anja Kling, Samuel Schneider, Maximilian Brückner, Levy Rico Arcos, Albert Lichtenstern, Dilara Aylin Ziem, Jasmin Shakeri, Barbara Schnitzler, Bianca Radoslav, Rúrik Gíslason
Kurzinhalt:
Für die erfolgreiche, gut vernetzte Stiftungsleiterin und dreifache Mutter Nadine Hansen (Anneke Kim Sarnau) ist es ein Schock, als eine bekannte Journalistin ihr Bilder zuspielt, die ihren Ehemann Phillipp (Godehard Giese), seines Zeichens Finanzsenator in Berlin, mit einem Escort-Model zeigen. Sie war der Meinung, sie führe eine glückliche Ehe, der es an nichts mangelt. Sie entschließt sich, Kontakt zu dem Model zu suchen, selbst nicht wissend, was sie sich davon erhofft. Was sie findet, erschüttert sie noch mehr. Währenddessen verbringt Sonja (Karoline Herfurth), die seit einige Monaten von ihrem Mann Milan (Friedrich Mücke) getrennt lebt, viel Zeit bei ihrer besten Freundin Vicky (Nora Tschirner), deren Freund nach einer wichtigen Diskussion losgezogen ist, um zu einer Entscheidung zu kommen. Die Eheberatung zwischen Milan und Sonja verläuft schleppend, da erfährt sie, dass ihr baldiger Ex-Mann offenbar eine andere Frau trifft, was sie mehr beschäftigt, als sie möchte. Milans Schwester Julie (Emilia Schüle) hat den Laufsteg hinter sich gelassen und eine Arbeit als Aufnahmeleiterin der Fernsehsendung der allürenbehafteten Regine Zuckowsky (Anja Kling) angenommen. Doch Julies Neubeginn erleidet einen herben Rückschlag, als sie am Set sexuell belästigt wird …
Kritik:
Die Fortsetzung zu Karoline Herfurths berührendem Überraschungshit Wunderschön [2022], der bei der Darstellung von fünf Frauenschicksalen ungemein viel ehrliches Feingefühl bewies, versucht sich daran, dasselbe zu erreichen. Doch obwohl bekannte und neue Figuren im Zentrum stehen, die einmal mehr viele aktuelle Themen widerspiegeln, gelingt Wunderschöner das Kunststück des ersten Films nur gelegentlich und bei weitem nicht so nachhaltig. Deshalb machen die Verantwortlichen dennoch Vieles richtig, es ist nur weniger als zuletzt.
In der Zeit seit Teil eins ist viel geschehen. Sonja und Milan haben sich getrennt und stehen kurz vor der Scheidung, während die Eheberatung die Gräben zwischen ihnen nicht kleiner werden lässt. Julie ist Aufnahmeleiterin einer Fernsehsendung, deren Star-Moderatorin Regine Zuckowsky gleichermaßen durch ihre Allüren wie ihre patriarchalisch geprägte Sicht der Dinge auffällt. Kunstlehrerin Vicky leidet indessen darunter, dass ihr Partner Franz nach dem letzten ernsthaften Beziehungsgespräch das Weite gesucht hat und ihr seitdem in regelmäßigen Abständen Bilder aus seinen Naturwanderungen zusendet. Neu hinzugekommen sind die Erzählstränge um Nadine Hansen, Stiftungsleiterin und Frau des Berliner Finanzsenators, sowie um zwei Gruppen von Schülerinnen und Schülern. Zwischen all diesen Erzählungen gibt es, wie zuvor, Überschneidungen und in welchem Verhältnis manche Charaktere zueinander stehen, offenbart sich erst im Verlauf. Die auf ihr Aussehen und ihre Fitness bedachte, erfolgreiche Nadine glaubt, eine glückliche und erfüllte Ehe zu führen, ehe ihr Bilder zugespielt werden, die zeigen, wie ihr Mann mit einer jungen Frau eines Escort-Service gesehen wurde. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich in Projektarbeiten mit geschlechtsbezogenen Klischees und Vorurteilen auseinandersetzen, von denen sie eingangs glauben, gar nicht betroffen zu sein, ehe ihr Blick – freiwillig und unfreiwillig – erweitert wird.
Die Themen klingen nicht nur aktuell, sie sind auch wichtig, aber trotz der Laufzeit von merklich über zwei Stunden, die sich zudem länger anfühlt, bleibt das Gefühl, als wüsste Wunderschöner nicht so recht, was es mit alledem anfangen soll. So führt die Erzählung um die selbstbestimmte Lehrerin Vicky am Ende zwar zu einer durchaus treffenden Aussage ihre Beziehung betreffend, doch passt diese wenig zu den sonstigen Themen und wirkt in der übrigen Story kaum relevant. Dafür sorgt die Beteiligung der mühelos engagiert spielenden Nora Tschirner alias Vicky für einige gelungene Momente mit Herfurths Sonja, deren freundschaftliche Chemie förmlich mit Händen zu greifen ist. Sonjas und Milans eigene Geschichte, die sie kurz vor dem Ende zu einer zwar nicht aufmunternden, aber an sich treffenden Erkenntnis führt, dreht sich im Kern um dasselbe Thema wie im ersten Teil, ehe eine versöhnlich stimmende Auflösung die Schwere der Krise wieder aushebelt. Es sind die anderen beiden Handlungsstränge, die man zu Beginn oberflächlicher vermutet, die den Dramaaspekt der Dramödie prägen und sie schließlich auch auszeichnen.
Nadines erste Verletzung in Anbetracht des Betruges durch ihren Mann wirft schließlich ein Schlaglicht auf Ausbeutung und Missbrauch, was im stärksten Moment des Films mündet, wenn sie ihn endlich zur Rede stellt. Es ist ein Augenblick, der ebenso Unbehagen auslöst, wie wenn Julie am Set zuerst sexuell belästigt wird, ehe ihr nach nicht erwiderten Avancen Ausgrenzung und Mobbing widerfährt. Dass sie in Anbetracht ihrer Vergangenheit des ersten Films erneut in ein emotionales Loch zu fallen droht, ist nur verständlich und auch dieser Handlungsstrang offenbart ein Fingerspitzengefühl, das die Situationen umso nachvollziehbarer werden lässt. Dass Wunderschöner letztendlich gerade damit inhaltlich schließt, eine Schlussszene bereithält, die hochaktuell und gleichzeitig entlarvend ist, ist treffend, nur lassen sie die Ehe- und Beziehungskrise von Sonja und Vicky umso oberflächlicher erscheinen. Jeder Moment in diesen Erzählsträngen klingt bekannt, jeder Dialog ist absehbar. Das heißt nicht, dass die Beteiligten ihre Rollen nicht mit der entsprechenden Glaubwürdigkeit ausfüllen würden, es erscheint nur spürbar abgedroschen. Sei es, dass Vicky sich zu einem anderen Mann hingezogen fühlt, oder Sonja der neuen Flamme ihres baldigen Ex-Mannes nachstellt bzw. sie versucht, ein unliebsames Date loszuwerden.
Das ist so unnötig wie die dazugehörige Traumsequenz und nach einem durchaus flotten Auftakt mit den zahlreichen Storyfäden gerät Wunderschöner hinsichtlich des Erzähltempos spürbar ins Stocken, ehe in der zweiten Hälfte und insbesondere dem letzten Drittel auch unbequeme Situationen vorgestellt werden, die den absehbaren Humor des Anfangs merklich aufwiegen. In diesen ernsten Augenblicken gelingen Filmemacherin Karoline Herfurth einige ebenso treffende wie subtile Beobachtungen, wenn sich Julie als das Opfer des sexuellen Übergriffs entschuldigt oder die Moderatorin fadenscheinige Parolen wiederholt, die Männer in der Zeit nach der #MeToo-Debatte als leichte Opfer sehen. Letztere gälte es, zu entkräften und dass die zweite, ebenso sexuell belästigte Mitarbeiterin des Teams keinen abschließenden Moment erhält, ist eine verpasste Chance. Doch gerade bei diesen Aspekten beweist das Drama eine entlarvende Behutsamkeit, die man sich durchgängig gewünscht hätte. Es hätte womöglich bereits gereicht, zwei der Erzählstränge zu streichen und die Figuren lediglich im Hintergrund auftreten zu lassen. Es hätte die Erzählung zudem spürbar gestrafft.
Fazit:
Manche der inhaltlichen Entwicklungen erscheinen nicht nur weit absehbar, sondern regelrecht abgedroschen, was sich auch in der Präsentation widerspiegelt, wenn dem Publikum mit eingängigen Pop-Songs untermalt Bilder aus den Leben der Figuren mit einer bestimmten Stimmung vermittelt werden sollen. Dass sich ihre Geschichten ähneln, Parallelen aufgezeigt werden, ist ebenso richtig, wie die Aussagen wichtig sind. Nur sind sie in der ersten Hälfte auf eine Art und Weise präsentiert, dass sie emotional nicht berühren oder mitnehmen. Wird das Escort-Model jedoch untersucht oder Julie gemobbt, könnte das kaum näher gehen, selbst wenn die Oberflächlichkeit der übrigen Erzählstränge diese spürbar verwässern.Wenn Wunderschöner jedoch ohne altbekannte Witze oder zig Mal gesehene Klischees auskommt, präsentiert Filmemacherin Karoline Herfurth die größten Stärken der Erzählung. Man möchte mehr davon, anstatt kurz vor dem Ende mit einer Aneinanderreihung tränenreicher Situationen konfrontiert zu werden, wie sie schon so oft gezeigt wurden. Dass zu Vieles aufgelöst wird, mag ebenfalls kaum zu den restlichen Aussagen passen. Doch es gibt hier so starke Ideen, dass diejenigen, die nicht überzeugen, die wichtigen Botschaften nicht schmälern, mit denen das Drama ansonsten aufwartet und die aktueller kaum sein könnten.