Violent Night [2022]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 30. November 2022
Genre: Action / Komödie / Fantasy

Originaltitel: Violent Night
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Tommy Wirkola
Musik: Dominic Lewis
Besetzung: David Harbour, John Leguizamo, Alex Hassell, Alexis Louder, Leah Brady, Beverly D’Angelo, Edi Patterson, Cam Gigandet, André Eriksen


Kurzinhalt:

Es ist Heiligabend und wenn es nach Santa Claus (David Harbour) geht, der letzte, an dem er überall auf der Welt Geschenke ausliefert. Weder Erwachsene, noch Kinder glauben noch an ihn. Letztere sind nicht mehr begeisterungsfähig oder dankbar, sondern wollen immer nur das nächste Geschenk. Santa ist im riesigen Anwesen der einflussreichen Lightstone-Familie, als Schüsse fallen, die die Rentiere samt Schlitten vertreiben. Muss er mit ansehen, wie der skrupellose Mr. Scrooge (John Leguizamo) mit sieben weiteren Schurken die Lightstones bedroht, darunter die zerbrochene Familie um Jason (Alex Hassell), Linda (Alexis Louder) und Tochter Trudy (Leah Brady), die als einzige ganz fest an den Weihnachtsmann glaubt, steht Santa vor der Wahl, sich einzumischen, oder wie bislang, sich aus den Geschicken der Menschen herauszuhalten. Scrooge ist auf das viele Geld im Tresor der Matriarchin Gertrude Lightstone (Beverly D’Angelo) aus und zögert nicht, Angestellte und Sicherheitspersonal dafür aus dem Weg zu räumen. So stellt sich einzig Santa in den Weg der Angreifer …


Kritik:
Weihnachtsfilme gibt es wie Sand am Meer. Die allermeisten von ihnen richten sich an die ganze Familie und unterstreichen damit den ursprünglichen Charakter der Feiertage. Tommy Wirkolas Violent Night klingt wie ein Gegenentwurf dazu. Die Geschichte über den wirklichen Weihnachtsmann, der sich an Heiligabend gegen eine Gruppe Terroristen zur Wehr setzen muss, klingt wie eine Mischung aus Stirb langsam [1988] und Kevin - Allein zu Haus [1990]. Inhaltlich ist das selbstverständlich vollkommener Blödsinn, aber es ist für ein (sehr erwachsenes) Publikum, das auf der Wellenlänge des böse-brutalen Humors liegt, überaus amüsant.

Im Zentrum der aus vielen bekannten Versatzstücken zusammengesetzten Story steht der von David Harbour gespielte Weihnachtsmann, der sich an Heiligabend betrinkt. Dass er sich anschließend übergibt und von seinem fliegenden Schlitten herunterpinkelt, ist nicht sein persönlicher Tiefpunkt. Ebenso wenig der des Drehbuchs. Santa Claus ist desillusioniert und überlegt, die rote Mütze an den Nagel zu hängen. Hatten sich Kinder früher über Geschenke gefreut und an ihn geglaubt, wollen sie heute immer nur mehr. Das nächste Videospiel, ein noch größeres Geschenk. Dass unter den zahlreichen Weihnachtsbäumen Päckchen des weltgrößten Versandhändlers liegen, die nicht einmal mehr in Weihnachtspapier verpackt sind, macht es nur noch schlimmer. Reichlich angeheitert kommt er so durch den Schornstein des sehr, sehr großen Anwesens der Familie Lightstone. Was sie genau macht, spielt keine Rolle und wird auch nicht erläutert. Außer, dass Matriarchin Gertrude sehr einflussreich ist. Ihre Tochter ist darauf aus, ihren Platz einzunehmen, während Sohn Jason wenigstens für die Feiertage mit seiner getrennt lebenden Frau Linda, ihrer gemeinsamen Tochter Trudy zu Liebe, angereist ist. Doch dann überfällt der skrupellose Jimmy, der sich Mr. Scrooge nennt, zusammen mit sieben Helfern das gut bewachte Anwesen. Sie töten das Sicherheitspersonal nebst Angestellten und wollen in den Safe einbrechen, in dem eine unvorstellbar große Summe liegt. Einzig Santa Claus steht ihnen im Weg.

Soweit, so geradlinig klingt die Story, die überdies ein wenig Mystik um den Weihnachtsmann aufbaut, der mit einem magischen Sack voller Geschenke reist, aber doch nicht unverwundbar ist. Genau das macht die Konfrontationen in Violent Night aber durchaus packend, denn anstatt einen unbesiegbaren Antihelden zu präsentieren, scheint Santa Claus hier aus Fleisch und Blut zu sein. So abstrus dies auch klingt. Das ändert aber natürlich nichts daran, dass die Story beim darüber nachdenken keinen wirklichen Sinn ergibt. Und damit ist nicht einmal der wahrhaftige Weihnachtsmann gemeint. Sieht man sich die Geschichte an, braucht es die Geiseln im Grunde nicht und auch die getrennt lebende Familie, die hier auf Trudys Wunsch wieder zusammenfinden soll, wirkt so aufgesetzt wie klischeehaft. Ehrlicherweise, deshalb sieht das Publikum auch nicht zu, selbst wenn die Konsumkritik durchaus zutrifft und der Familienaspekt für ein wohliges Gefühl sorgt. Vielmehr will man sehen, wie der Weihnachtsmann den Schurken einheizt. Und, nun ja, genau dies liefert Regisseur Tommy Wirkola – zuhauf und alles andere als zimperlich.

Dass man dies kaum ernst nehmen kann, oder sollte, unterstreicht nicht nur die Tatsache, dass bei den überaus brutalen Momenten im Hintergrund oftmals ein klassischer Weihnachtssong zu hören ist. Violent Night ist so überzogen, dass die absurdesten Ideen und Situationen gerade deshalb funktionieren. Und, weil Wirkola seine Action absolut tadellos in Szene zu setzen versteht. Sei es Santas erster Schlagabtausch, oder wenn er sich im Hobbyraum gegen einen Angreifer zur Wehr setzt. Lange Einstellungen, eindrucksvolle Stunts, bei denen die Schläge und Hiebe ein Gewicht beinhalten, reißen mit, selbst wenn der Inhalt entweder zum Kopfschütteln ist, oder so brutal, dass man selbst bei den Ideen zusammenzuckt. Interpretiert Trudy schliesslich die Fallen aus Kevin - Allein zu Haus neu, ist dies eine der fiesesten Ideen. Aber man müsste lügen, würde man behaupten, es kann keinen Spaß machen zuzusehen, wie die Bösen einstecken müssen, anstatt auszuteilen.

So ist Violent Night letztlich ein Film für ein bestimmtes Publikum, idealerweise in einer bestimmten Stimmungslage. So klischeehaft und platt viele Dialoge, einige sorgen für zynische Lacher und insbesondere David Harbour und John Leguizamo machen das Beste aus ihren gleichermaßen überzogenen Figuren. Ihre Szenen sind ebenso gelungen wie Santas Gespräche mit Trudy, in denen Harbour der Figur etwas Melancholisches verleiht. Das macht das Gezeigte zwar nicht wirklich gehaltvoller, doch trösten diese Momente ein wenig darüber hinweg, dass die übrige Besetzung kaum etwas zu tun bekommt und daher auch nicht wirklich in Erinnerung bleibt. Andererseits muss man sich auch fragen, was mehr man von einem solchen Konzept erwarten würde? Hätte Filmemacher Tommy Wirkola die Story weiter reduziert, wäre das vielleicht noch etwas kurzweiliger. Unterhaltsamer als manch ein Festtag ist es allemal.


Fazit:
Um eines klarzustellen, Tommy Wirkolas jüngstes Werk ist kein Familienfilm. Es ist vermutlich nicht einmal ein Film, mit dem ein Großteil des erwachsenen Publikums warm werden wird. Zu derb sind viele Gags und zu brutal, mitunter sogar abstoßend, sind die Ideen, die die Verantwortlichen hier auf die Leinwand bringen, wenn sich der Weihnachtsmann gegen eine Schar an namenlosen Widersachern zur Wehr setzt. Inhaltlich ist das freilich nicht wichtig, aber ganz offenbar mit so viel Augenzwinkern erzählt, dass sowohl das Drehbuch wie auch die beiden Hauptdarsteller die Prämisse nehmen und das Meiste aus ihr machen. Mit vielen gelungenen Stunts und einer tadellos gelungenen Inszenierung löst der Film dank der überzogenen Darstellung ziemlich genau das ein, was der Titel verspricht. Das ist in den meisten Belangen absurd und schöpft auf Grund der kaum entwickelten Nebenfiguren und der teils selbst für die Ausgangslage zu überspannten Momenten das Potential nicht aus. Aber für ein Publikum, das sehen will, wie der Weihnachtsmann in sehr grafischen Manier böse Leute „zerlegt“, bietet Violent Night genau das. In einer handwerklich kompetenten und kurzweilig amüsanten Präsentation noch obendrein.