Verleugnung [2016]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 9. Dezember 2017
Genre: Drama

Originaltitel: Denial
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Mick Jackson
Musik: Howard Shore
Darsteller: Rachel Weisz, Tom Wilkinson, Timothy Spall, Andrew Scott, Jack Lowden, Caren Pistorius, Alex Jennings, Harriet Walter, Mark Gatiss, John Sessions, Nikki Amuka-Bird


Kurzinhalt:

Im Jahr 1996 wird die amerikanische Professorin Deborah Lipstadt (Rachel Weisz) zusammen mit einem britischen Verlagshaus von David Irving (Timothy Spall), der in seinen Werken u.a. Adolf Hitlers Rolle in der Anordnung des Holocaust herunterspielt, verklagt. Auf Grund der Erwähnung seiner Person in ihrem Buch behauptet Irving, dass er in seiner Existenz bedroht werde, da seine Bücher deshalb aus den Regalen verschwinden. Nach englischem Recht muss allerdings die Verteidigung belegen, dass die Anschuldigungen haltlos sind. So zieht Lipstadt mit den Anwälten Richard Rampton (Tom Wilkinson) und Anthony Julius (Andrew Scott) vor Gericht. Ihr Ziel ist es, Irving als Verdreher von geschichtlichen Fakten darzustellen. Nur dafür müssen sie auch beweisen, dass der Holocaust stattgefunden hat, was Irving leugnet. Eine Herausforderung angesichts der Tatsache, dass sich die Nazis große Mühe gegeben haben, die Beweise zum Kriegsende verschwinden zu lassen, und da die Anwälte darauf verzichten wollen, Überlebende der Konzentrationslager als Zeugen zu laden …


Kritik:
Die Story von Mick Jacksons Verleugnung klingt so absurd, dass es nicht schwerfällt zu akzeptieren, dass sie tatsächlich geschehen ist. Die amerikanische Gelehrte Deborah Lipstadt wird von dem britischen Holocaust-Leugner David Irving verklagt, weil sie ihn in ihrem Buch genau das nennt. Vor einem britischen Gericht obliegt es allerdings der Verteidigung zu belegen, dass die Anschuldigungen haltlos sind und so muss sie mit ihren Anwälten nicht nur Belege finden, dass Irving absichtlich historische Fakten falsch auslegt, sondern dass der Holocaust auch stattgefunden hat.

Auch auf die Gefahr hin, vom eigentlichen Thema, nämlich einer Kritik zum Film Verleugnung abzuschweifen, mit Menschen zu diskutieren, die den Holocaust leugnen, erscheint mir persönlich ebenso vergebens wie mit Menschen ein Gespräch anzustrengen, die die Lehre der Evolution ablehnen. Für beides gibt es unwiderlegbare Beweise, so dass es dabei keine unterschiedlichen "Meinungen" geben kann. Unbestritten zu Detailfragen, aber nicht zur Sache an sich.
Wenn sich die Professorin Lipstadt somit einer offenen Provokation von Seiten David Irvings bei einem ihrer Vorträge verschließt, kann ich ihr Verhalten sehr gut nachvollziehen. Die Frage ist nur, wie begegnet man solchen Menschen? Ihnen die öffentliche Plattform zu geben, ihr Gedankengut zu verbreiten scheint ebenso der falsche Weg wie sie mundtot und damit zu Märtyrern einer abstoßenden Ideologie zu machen. Es ist eine Frage, der sich Lipstadts britische Anwälte ebenfalls gegenüber sehen.

Zusammen mit dem britischen Verlag Penguin Books wird Lipstadt von Irving verklagt, der behauptet, seit ihrer Anschuldigungen in veröffentlichten Werken gegen ihn, hätten sich Verlage von seinen eigenen Büchern abgewandt. Sich auf einen Vergleich zu einigen, wie es der Professorin selbst von Seite der jüdischen Bevölkerung in London nahegelegt wird, lehnt sie ab und zieht vor Gericht in einem Prozess, der vier Jahre Vorbereitung erforderte. Dort verteidigt sich Irving selbst, während Lipstadt mit den Anwälten Rampton und Julius auftritt. Die raten ihr jedoch davon ab, selbst eine Aussage zu tätigen und wollen auch die Holocaust-Überlebenden nicht in den Zeugenstand laden, um Irving nicht die Möglichkeit zu geben, sie öffentlich zu demütigen.
Verleugnung behandelt ein derart sensibles Thema, dass egal wie es vor Gericht verhandelt würde, es für Unmut unter den Betroffenen sorgen wird. Die Entscheidung der Anwälte klingt einleuchtend, doch kann man über die Existenz des Holocaust verhandeln, ohne diejenigen zu hören, die ihn erlebt haben?

In welch schwierige Situation dies Deborah Lipstadt bringt, die gewissermaßen als stumme Beisitzerin und gleichzeitige Repräsentantin aller jüdischen Opfer des Nazi-Regimes im Gerichtssaal sitzt, bringt Regisseur Mick Jackson gut zur Geltung. Dabei unterscheidet sich der erste Kino-Film in 14 Jahren des Volcano [1997]- und Bodyguard [1992]-Regisseurs bereits inhaltlich grundlegend von seinen letzten Leinwandadaptionen. So verwundert es nicht, dass Verleugnung trotz des Themas emotional weniger bewegt, als das Drama sollte. Der Abschnitt, der vor Ort im Konzentrationslager Auschwitz spielt, ist zweifelsohne bedrückend und Hauptdarstellerin Rachel Weisz gelingt es, die innere Zerrissenheit ihrer Figur zum Ausdruck zu bringen, doch woher diese stammt, ergründet das Drehbuch nicht. Dafür erfährt man zu wenig über sie, ihren Werdegang und wie sehr sie mit ihrem jüdischen Erbe verbunden ist.

Manche Szenen, in denen Lipstadt mit ihren Anwälten über das weitere Vorgehen streitet, tadellos gespielt von Andrew Scott und einem immer großartigen Tom Wilkinson, besitzen einen Rhythmus, der unerwartet "rau" erscheint und auch die letzte Einstellung des Films, so bewegend sie ist, passt nicht zur eigentlichen Story von Verleugnung. Stattdessen würde man erwarten, auf einer Texttafel zu erfahren, wie es Deborah Lipstadt heute ergeht, allgemeine Informationen zu den immer noch weltweit in Erscheinung tretenden Holocaust-Leugnern, oder dem von Timothy Spall auf beunruhigende Art gespielten David Irving. So wichtig es ist, dieses gar nicht so weit zurückliegende Kapitel der Geschichte präsent zu halten, so sehr bleibt das Gefühl, dass Mick Jacksons Drama dem nicht ganz angemessen ist.


Fazit:
Die Dialoge vor Gericht wurden angeblich unmittelbar den Protokollen entnommen und nicht verändert. Hört man hier dem Anwalt Richard Rampton zu, der das Lügenkonstrukt von David Irving mit Geduld und Präzision zerlegt, wünscht man sich, dass Mick Jackson bedeutend mehr Zeit auf diesen Aspekt des Dramas verwenden würde. Die Besetzung gibt sich sichtlich Mühe, die Figuren, über die erstaunlich wenig verraten wird, zum Leben zu erwecken. Dass man über Deborah Lipstadt kaum etwas erfährt, macht es ungemein schwerer, ihre Vehemenz bei manchen Standpunkten nachzuvollziehen. Verleugnung ist ein stark gespielter, inhaltlich wichtiger Film über ein Thema, das weder verschwiegen werden, noch in Vergessenheit geraten darf. Doch gerade angesichts der Tatsache, dass der Film sein Publikum nur selten bewegt, wird deutlich, dass er dem Thema nicht in dem Maße gerecht wird, wie er sollte.