Venom - Let there be Carnage [2021]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 15. Oktober 2021
Genre: Action / Science Fiction

Originaltitel: Venom: Let There Be Carnage
Laufzeit: 97 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien / Kanada
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Andy Serkis
Musik: Marco Beltrami
Besetzung: Tom Hardy, Woody Harrelson, Michelle Williams, Stephen Graham, Naomie Harris, Reid Scott, Peggy Lu


Kurzinhalt:

25 Jahre, nachdem der verurteilte, inhaftierte Serienmörder Cletus Kasady (Woody Harrelson) von seiner Jugendliebe Frances (Naomie Harris), die die Fähigkeit besitzt, Schallwellen auszusenden und daher Shriek genannt wird, getrennt wurde, sieht Cletus die Möglichkeit, ihr eine Nachricht zukommen zu lassen. Er bietet dem Reporter Eddie Brock (Tom Hardy) seine Lebensgeschichte an, die der groß veröffentlichen soll. Bei ihrer letzten Begegnung beißt Cletus Eddie, der seinerseits mit dem Alien-Symbionten Venom verschmolzen ist, wodurch Cletus von dem Symbionten Carnage übernommen wird. Mit dessen unbändigen Fähigkeiten ausgestattet, ziehen Cletus und Carnage nach ihrem Gefängnisausbruch eine Spur aus Tod und Zerstörung hinter sich her. Zuerst darauf aus, Frances zu finden und zu befreien, will Cletus Rache an Eddie nehmen und fasst daher dessen ehemalige Verlobte Anne (Michelle Williams) ins Visier …


Kritik:
Die Fortsetzung der Comic-Verfilmung Venom [2018] ist in etwa genau das, was man nach dem Erfolg des ersten Teils erwarten konnte, oder was Fans desselben wohl erhofft haben. Trotz einer anderen Story und einer deutlich reduzierten Laufzeit, werden inhaltlich dieselben Stationen besucht, ohne die Charaktere merklich zu entwickeln, so dass der mit dem Titel gebenden, außerirdischen Symbionten verschmolzene Reporter Eddie Brock am Ende von Venom - Let there be Carnage derselbe ist, der er zu Beginn bereits war.

Die Story greift eine Szene des Abspanns des ersten Teils wieder auf, so dass der inhaftierte Mörder Cletus Kasady als hauptsächlicher Widersacher von Eddie bzw. Venom auserkoren ist. Dabei haben die am meisten mit sich selbst zu kämpfen, denn während Eddie nach wie vor nur schwer mit der Situation klar kommt und seiner ehemaligen Verlobten Anne hinterher trauert, die sich nach seinem Vertrauensbruch im ersten Film von ihm getrennt hatte, will Venom nicht länger dahinvegetieren und sich von Schokolade und Hühnchen ernähren. Er benötigt zum Überleben eine Substanz, die unter anderem dort und in menschlichen Gehirnen vorkommt, weshalb er Verbrecher jagen und ihnen den Kopf abbeißen will.

Das klingt bekannt und sorgte bereits im ersten Film für Diskussionen zwischen den Figuren, über die die Verantwortlichen offenbar noch nicht hinaus sind. Cletus bietet Eddie, dessen Karriere an einem weiteren Tiefpunkt angekommen ist, an, seine Lebensgeschichte zu erzählen, wenn er eine bestimmte Schlagzeile druckt, die für Cletus’ Jugendliebe Francis, genannt Shriek, gedacht ist. Doch dank Venoms Hilfe kann Eddie die seit Jahren ungelösten Fälle von Cletus aufklären, so dass der in einer Ausnahmeregelung doch hingerichtet werden soll. Bei einer letzten Begegnung der beiden wird Eddie von Cletus gebissen, der daraufhin einen eigenen Symbioten entwickelt, der in Anbetracht des Todes und der Zerstörung, die er bringt, als er bei Cletus’ Hinrichtung freigesetzt wird, Carnage genannt wird. Das ist tatsächlich die ganze Story von Venom - Let there be Carnage. Was sich anhört, als würde es den ersten Akt beschreiben, deckt, zumindest in groben Zügen, die ganze Laufzeit von eineinhalb Stunden ab. Man könnte daher vermuten, dass sich Filmemacher Andy Serkis darauf konzentrieren würde, die Figuren weiter zu entwickeln, aber abgesehen davon, dass Eddie damit umgehen lernen muss, dass er und Venom nur gemeinsam das jeweils Beste in sich hervorbringen können, geschieht so gut wie nichts.

Wieder führt Eddie Brock Zwiegespräche mit seinem Symbionten, wieder wird Anne in die Geschichte gezogen und erneut kommt es zu einem Finale zwischen zwei computergenerierten Figuren, bei dem nie in Frage steht, wie es ausgeht, sondern allenfalls, wer mit auf der Strecke bleibt. Die Wortgefechte zwischen Venom und Eddie sind dabei durchaus unterhaltsam, was nicht zuletzt an Tom Hardy liegt, dem es auf einnehmende Weise gelingt, die Streitgespräche amüsant zu gestalten, selbst wenn sich Vieles hier sehr oft wiederholt. Die einzig wirkliche Nebenhandlung ist, wenn sich Venom von Eddie löst und auf eigene Faust unter Menschen mischt. Das ist zwar im ersten Moment witzig, es ist aber ein Storyzweig, der nirgendwo hinführt, außer dass Venom ebenfalls zahlreiche Menschenleben vernichtet.

Dabei liefert Venom - Let there be Carnage selbst genügend Ideen für interessante Richtungen, die die Geschichte hätte gehen können. Vergnügt sich Venom allein, macht sich Eddie an eine Ermittlung zu den Hintergründen von Cletus Kasady. Doch wie zu Beginn, wenn er dessen Opfer findet, bekommt man davon nichts zu sehen, sondern in jeweils nur einer Szene das Ergebnis präsentiert. Von Kasadys großer Liebe Frances, genannt Shriek, erfährt man überhaupt gar nichts, nicht einmal, was ihre übermenschlichen Fähigkeiten wirklich sind, oder woher diese kommen. Dass sie mit ihrer Stimme Töne von sich geben kann, die die Symbionten schädigen, könnte für Konfliktpotential sorgen, wenn Cletus mit Carnage verbunden ist, aber etwas Spannendes macht die Geschichte daraus nicht. Wie wenig Mühe sich das Drehbuch mit den Figuren gibt, sieht man am offensichtlichsten daran, dass Cletus buchstäblich in seinen letzten Minuten über seine schwierige Kindheit spricht. Es wirkt wie ein halbgarer Versuch, die Bösartigkeit der Figur irgendwie noch erklären zu wollen. Es gelingt aber ebenso wenig, wie eine Begründung, weshalb Carnage Venom vernichten will. Es muss eben so sein, damit es zu einem großen Kampf kommen kann.

Der ist, wie auch der Rest, handwerklich nicht schlecht umgesetzt, aber nicht nur in einem halsbrecherischen Tempo erzählt, so dass sich der Film kaum mit Übergängen zwischen den einzelnen Szenen aufhält. Vielmehr inszeniert Andy Serkis seine dritte Kinoregiearbeit ohne dramaturgische Höhepunkte. Anstatt Actionszenen aufzubauen, was auf dem Spiel steht, zu steigern oder gar ein solches Highlight auf mehreren Ebenen zu erzählen, bewegt sich die Action stets auf demselben Niveau und ist dann einfach vorbei. Dem zuzusehen, ist weder packend, noch originell und dasjenige Publikum, das auf blutige Comicaction hofft, wird durch die avisierte Altersfreigabe enttäuscht werden. Denn auch wenn hier selbst am Rande des Geschehens immer wieder Personen durch die Luft geschleudert und getötet werden, von der grafischen Darstellung eines The Suicide Squad [2021] ist Venom - Let there be Carnage weit entfernt, was die zur Schau gestellte Brutalität zusätzlich verharmlost. Wirklich zufrieden stellt die Comic-Fortsetzung damit in keinerlei Hinsicht – aber das hat einen Großteil des Publikums beim ersten Film offenbar auch nicht gestört.


Fazit:
Stilistisch versucht Filmemacher Andy Serkis, viele Richtungen zu vereinen, bzw. er streift viele andere, um eine eigene zu finden. So fühlt sich die Erzählung was die Geschwindigkeit und die gerade heraus präsentierten Actionmomente anbelangt, ein wenig an wie die Batman-Filme der 1990er-Jahre. Gleichzeit eifert der Film übergroßen Genrevertretern nach, wenn das Finale wie gehabt aus einem am Computer entstandenen Zerstörungseinheitsbrei besteht. Über die ersten Minuten werden die Figuren nicht hinaus weiterentwickelt und ohne nennenswerte Nebenhandlungen konzentriert sich das Comic-Abenteuer auf eine Haupthandlung, die viel simpler und absehbarer ist, als man erwarten würde. Sieht man den animierten Abschnitt, wenn Eddie Cletus’ Postkarte liest, wird deutlich, wie viel Potential hier auch durch eine eigene Handschrift schlummert, das ungenutzt bleibt. Auch auf Grund der schwachen Bösewichte, die gar nicht bis kaum vorgestellt werden, erscheint die Fortsetzung überraschend uninspiriert. Davon zeugen auch die vielen Einzeiler, die nachträglich über die Bilder gelegt wurden, als wollte man so noch retten, was zu retten war. Handwerklich gleichermaßen ohne große Schwächen wie auch ohne irgendwelche Höhepunkte, wäre all das noch enttäuschender, wäre es nicht um Tom Hardy, der die Dualität der Figur so leichtfüßig zum Ausdruck bringt. Als Film ist Venom - Let there be Carnage zwar stringenter und weniger uneinheitlich als der erste Teil, aber am Ende nicht mehr als das, was Titelfigur Venom selbst immer sucht: Ein Happen auf dem Weg zum nächsten, großen Comic-Film, der hier mit einer zusätzlichen Szene in der Mitte des Abspanns angeteasert wird, und die nicht nur für Fans des ersten Films der beste Grund sein wird, hier zuzuschauen.