Venom [2018]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 1. Oktober 2018
Genre: Action / Science Fiction / HorrorOriginaltitel: Venom
Laufzeit: 112 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Ruben Fleischer
Musik: Ludwig Göransson
Darsteller: Tom Hardy, Michelle Williams, Jenny Slate, Riz Ahmed, Scott Haze, Michelle Lee, Reid Scott, Sope Aluko, Ron Cephas Jones, Melora Walters
Kurzinhalt:
Nachdem er vertrauliche Informationen, die an sich für seine Verlobte, die Anwältin Anne Weying (Michelle Williams), bestimmt waren, in einem Interview gegen den erfolgreichen Geschäftsmann Dr. Carlton Drake (Riz Ahmed) verwendet, verliert nicht nur Reporter Eddie Brock (Tom Hardy) seinen Job, sondern auch Anne. Ein halbes Jahr später wendet sich die Ärztin Dr. Dora Skirth (Jenny Slate) an Brock und schleust ihn in das Labor von Drakes „Life Foundation“ ein. Darin lässt Drake Experimente an Freiwilligen durchführen, die sich mit einem außerirdischen Symbionten verbinden sollen. Eddie wird dabei selbst infiziert. Als Drakes Männer Jagd auf ihn machen, muss er erkennen, dass die Kreatur Venom, die ihn ihm steckt, ihm nicht nur große Macht verleiht – sondern dass auch die Grenzen zwischen seiner Persönlichkeit und Venom immer mehr verschwimmen …
Kritik:
Mehr als 10 Jahre nachdem die Comic-Figur Venom in Spider-Man 3 [2007] auf der Leinwand zu sehen war, erhält sie im gleichnamigen Action-Film ihren eigenen Ableger. Inzwischen ist jedoch viel passiert; nicht nur, dass der freundlichen Spider-Man von nebenan gleich zwei Mal neu gestartet wurde, das „Marvel Cinematic Universe“ (kurz: MCU) hat die Kinolandschaft im Sturm erobert. Zum Comic-Verlag Marvel gehört an sich auch Spider-Man selbst und somit Venom – doch ist der Film kein Teil des MCU. Es ist, wie man so schön sagt, kompliziert.
Während Fans der Comic-Reihen über die Verwicklungen im Hintergrund ohnehin Bescheid wissen, sollte es für Gelegenheitszuschauer genügen zu sagen, dass Venom nicht mit dem von Topher Grace in Spider-Man 3 gespielten Alien-Hybriden verknüpft ist. Ebenso wenig mit der Avengers-Reihe oder dem kürzlich so erfolgreichen Spider-Man: Homecoming [2017], wobei sich letzteres noch ändern könnte.
Venom beginnt mit der Titel gebenden Comic-Figur vielmehr ganz am Anfang und beschreibt die Ursprungsgeschichte eines Wesens, das hin- und hergerissen ist zwischen Gut und Böse. Gespielt von Tom Hardy, ist das zumindest in der ersten Filmhälfte noch durchaus unterhaltsam, wenn auch nicht überraschend. Es gelingt Regisseur Ruben Fleischer (Zombieland [2009]) nicht, einen stimmigen Erzählfluss zu entwickeln. Vielmehr kommt dieser immer wieder durch unnötige Szenen, die bereits Bekanntes erneut vorstellen, ins Stocken. Aber was immer den Machern in der ersten Stunde gelingt, machen sie in der zweiten mit hanebüchenen Entwicklungen und einer wahren Welle an Klischees selbst wieder zunichte.
Die eigentliche Story beginnt damit, dass ein von der „Life Foundation“ des erfolgreichen Geschäftsmanns Carlton Drake ins All gesandtes Shuttle beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre abstürzt. An Bord sind mehrere außerirdische Organismen, in denen Drake das Potential sieht, die Menschheit weiterzuentwickeln und damit den Planeten vor dem drohenden Kollaps zu bewahren. So nobel seine Motive sein mögen, so skrupellos ist er in deren Durchführung und er zwingt seine Wissenschaftler zu Versuchen an Menschen, deren Leichen er stillschweigend verschwinden lässt. Die Alien-Symbionten sollen dabei eine Verbindung mit den Versuchspersonen eingehen, die diese aber bislang nicht überleben. Was Drake tatsächlich antreibt, weswegen er – als Wissenschaftler – sämtliche moralische Wertvorstellungen über Bord wirft, um sein Ziel zu erreichen, macht Venom nicht deutlich. Er ist vielmehr der übliche, eindimensionale Bösewicht, den viele Comic-Verfilmungen zu bieten haben.
Im Zentrum der Geschichte steht Reporter Eddie Brock, dessen Rücksichtslosigkeit gleich zu Beginn deutlich wird, als er für eine Story gegen Drake vertrauliche Dokumente, die für seine Verlobte bestimmt sind, für seine Zwecke missbraucht. Das kostet nicht nur ihn den Job, sondern Anne ebenfalls, woraufhin sie sich von ihm trennt. Sechs Monate später ist er immer noch arbeitslos (was er in der Zwischenzeit gemacht hat, enthüllt das Drehbuch nicht) und wird von Dr. Dora Skirth aufgesucht, die Drakes Experimente öffentlich machen will. Eddie wird von einem der Symbionten infiziert und so zum Titel gebenden Venom, ein Wesen, das kaum zu töten ist und seinen Gegnern durchaus auch mal den Kopf abbeißt. Dass man aus der Idee zumindest ein langlebiges Comic machen kann, beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass die Figur selbst seit drei Jahrzehnten ihre eigenen Ausgaben gezeichnet bekommt.
Nur schafft es Venom leider nicht, irgendetwas zu präsentieren, was das Interesse des Publikums rechtfertigen würde. Eddie Brock mag zu Beginn eine durchaus sympathische Figur sein, doch sein Vertrauensmissbrauch seiner Verlobten Anne gegenüber macht ihn nicht gerade sympathisch. Und obwohl sich die Geschichte Zeit lässt, ehe die Kreatur Venom in Aktion tritt, von Reue ist bei Eddie keine Spur. Ist er mit Venom verbunden, macht er lange Zeit keinen Unterschied, wenn er tötet: Bösewichte oder Unschuldige. Ob die Figur also gut oder böse sein soll, arbeitet das Drehbuch ebenfalls nicht heraus. Das färbt insofern auch auf Eddie selbst ab, da nicht klar wird, ob er ein Opfer der Symbiose ist, oder die Macht, die er erhält, gar genießt – man denke an seine lockeren Sprüche, mit denen er das Geschehen ständig kommentiert.
Immerhin gelingt Fleischer in der ersten Hälfte eine ordentliche Inszenierung, zu deren Highlights die nächtliche Verfolgungsjagd durch San Francisco zählt. Aber zu den vielen schlechten Story-Entscheidungen ab der Hälfte, zu denen auch Annes Auftritte zählen, die allesamt nicht notwendig sind, gesellt sich ein Finale, das nicht nur erneut ein computergeneriertes Wesen im Kampf mit einem computergenerierten Wesen zeigt, was es merklich schwer macht, mit dem vermeintlichen Helden mitzufiebern. Vielmehr ist gerade der Schlusskampf fahrig und unübersichtlich inszeniert.
Mit der Szene während und dem Ausblick auf die Geschehnisse des Animationsfilm Spider-Man: A New Universe [2018] am Ende des Abspanns, deuten die Macher an, dass Venom nur Teil eines größeren „Cinematic Universe“ ist. Doch sie wecken hier keine Lust, mehr davon zu sehen.
Fazit:
Auch wenn Venom nicht der erste Superheld wäre, der zwischen einer dunklen Seite und dem Bestreben, Gutes zu tun, hin- und hergerissen ist, es würde die Figur immerhin interessanter machen. Es hat zwar den Anschein, als würde Regisseur Ruben Fleischer das auch beabsichtigen, doch am Ende verhält sich Eddie Brock öfter wie ein Clown als ein Opfer oder gar eine Geisel des mordenden Alien-Symbionten. Dessen Gesinnungswandel kommt dabei so schnell und klingt so klischeehaft, dass man es kaum für möglich halten mag. Es ist, als hätten die Drehbuchautoren erkannt, dass sie sich im Grunde entscheiden müssten, ob Venom nun gut oder böse ist. Wofür sie sich entscheiden, ergibt nicht nur wenig Sinn, es hat den Anschein, als hätte man den Ausweg nur gewählt, um eine Fortsetzung zu ermöglichen. Handwerklich zumindest in der ersten Filmhälfte sauber inszeniert, ist es diese, die den Film für Comic-Fans interessant macht. Ab der Mitte des Films häufen sich jedoch die Momente, in denen man am liebsten wegsehen möchte. Nicht, weil es so brutal wäre, sondern weil man der namhaften und talentierten Besetzung mehr wünsche würde, womit sie arbeiten können.