Und täglich grüßt das Murmeltier [1993]

Wertung: 6 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. Oktober 2022
Genre: Komödie / Fantasy / Liebesfilm

Originaltitel: Groundhog Day
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1993
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Harold Ramis
Musik: George Fenton
Besetzung: Bill Murray, Andie MacDowell, Chris Elliott, Stephen Tobolowsky, Brian Doyle-Murray, Marita Geraghty, Angela Paton, Rick Ducommun, Rick Overton, Robin Duke


Kurzinhalt:

Niemand arbeitet gern mit Fernsehmeteorologe Phil Connors (Bill Murray) zusammen. Sein arrogantes Auftreten und seine zynischen, verletzenden Seitenhiebe stoßen nicht nur Kameramann Larry (Chris Elliott) vor den Kopf, sondern auch Programmleiterin Rita (Andie MacDowell), mit denen Phil in Punxsutawney den „Murmeltiertag“ begleiten soll. Als regelrechtes Volksfest inszeniert, wird dort am 2. Februar eines jeden Jahres das Murmeltier „Phil“ befragt, ob der Winter noch lange dauert. Nach einer erwartbar lustlosen Aufnahme wünscht sich Phil nichts sehnlicher, als den Tag hinter sich zu lassen. Doch er wacht am nächsten Morgen auf und muss feststellen, dass im Radio derselbe Song gespielt wird, zusammen mit derselben Textansage. Es scheint, als wäre er wieder an demselben 2. Februar aufgewacht, doch außer ihm weiß niemand, dass er den Tag bereits erlebt hat. Als wäre das nicht schlimm genug, wacht er auch am nächsten Morgen wieder am 2. Februar auf und nichts, was er tut, scheint etwas daran ändern zu können …


Kritik:
Mit Und täglich grüßt das Murmeltier schuf Regisseur Harold Ramis mehr als nur einen modernen Klassiker des Genres und stellte damit einem großen Publikum auch mehr als nur ein erzählerisches Konzept vor, das seither in beinahe allen Genres sowohl in Serien wie Filmen schier unzählige Male kopiert wurde. Er etablierte mit einer so einfach klingenden Geschichte den Filmtitel als geflügeltes Wort im Sprachgebrauch. Nicht zuletzt dank einer unvergleichlichen Darbietung von Bill Murray im Zentrum, unterstreicht das wohl am besten, welchen Einfluss auf die Popkultur diese so unscheinbar anmutende Fantasy-Liebeskomödie hatte – und immer noch hat.

Dabei klingt die Geschichte so vertraut wie einfach: Der von Murray verkörperte Fernsehmeteorologe Phil Connors ist ein zynischer, sarkastischer Mann, der nicht nur durch sein herablassendes Auftreten die Menschen um sich herum verprellt. Aber als er auf die neue Programmleiterin Rita Hanson trifft, hat es ihn „erwischt“, was er niemals zugeben würde. Zusammen mit Kameramann Larry machen sie sich auf nach Punxsutawney in Pennsylvania, wo am 2. Februar das Murmeltier „Phil“ seine eigene Wettervorhersage treffen wird. Je nachdem, ob er seinen Schatten sieht, verkünden die Murmeltierhalter, ob der Winter noch sechs Wochen dauern wird, oder nicht. Auch wenn er nichts mehr will, als abzureisen, muss Phil noch eine Nacht bleiben und stellt am nächsten Morgen fest, dass er wieder am 2. Februar aufgewacht ist. Niemand außer ihm kann sich daran erinnern, dass er den Tag bereits erlebt hat und egal, was er unternimmt, er kann den „Murmeltiertag“ nicht hinter sich lassen.

Dabei durchlebt Phil die fünf Phasen des Modells von Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross: Zuerst leugnet er seinen Zustand, dann überwiegt die Wut, ehe er versucht, einen Ausweg zu verhandeln und ihn eine tiefe Depression (bis hin zu Selbstmordversuchen) überkommt, bis er schließlich akzeptiert, dass er jeden Morgen um 6:00 Uhr am 2. Februar zu Sonny & Chers „I’ve Got You Babe“ aus dem Radiowecker aufwacht. Dass das Publikum dabei hin- und hergerissen ist, ob man mit Phil nun mitfühlen sollte, oder nicht, ist Bill Murray zu verdanken, der seine Figur wie ein Pendel in alle Richtungen größtmöglich auslotet. Treffen wir ihn zu Beginn, ist Phil eine zutiefst unsympathische Person. Findet er sich in der Situation wieder, denselben Tag erneut und erneut zu durchleben, fühlt man schnell seinen Unglauben bis hin zur Verzweiflung. Doch ersinnt Phil den Plan, dadurch, dass er möglichst viel über die Frauen in Punxsutawney erfährt, diese an dem einen Tag ins Bett zu bekommen – er sich also erneut als der schamlose Egoist entpuppt, den man zu Beginn bereits gesehen hat – kommt man nicht umhin, ihm diese biblisch anmutende Strafe in gewisser Weise zu gönnen. Zumindest solange, ehe er erkennt, dass diesen Tag bestmöglich für sich selbst zu nutzen, ihn letztlich nicht wirklich glücklich macht und er stattdessen den Menschen um sich durch den Tag zu helfen beginnt.

Diese Erkenntnis allein findet sich in vielen Geschichten wieder, die Und täglich grüßt das Murmeltier nachfolgten und darauf aufbauten, doch geht Regisseur Ramis spürbar weiter. Dem gemeinhin als Gelassenheitsgebet bekannten Text entsprechend, braucht Phil nicht nur Gelassenheit, seine Situation hinzunehmen, da er sie nicht ändern kann, und gleichzeitig den Mut, zu ändern, was er ändern kann. Er muss wie beim obdachlosen, alten Mann auch erkennen lernen, was er ändern kann und was er akzeptieren muss. Es ist dieser Moment, der Phils Entwicklung stärker beeinflusst, als jeder andere. Zu sehen, dass er tatsächlich für jemand anderen als sich selbst kämpft, ist nicht nur berührend, in diesem Augenblick gewinnt Phil uns endgültig für sich und erlaubt einen Blick durch seine abweisende Art, die oft für so herzliche wie amüsante Momente gesorgt hat, auf sein eigentliches Wesen.

Diesen Spagat zu meistern, gelingt Bill Murray, der sich nach dem Dreh mit Ramis zerstritt und wie so oft wohl keine einfache Person am Set war, geradezu meisterhaft. Er ist nicht nur der Sympathieträger dieser Geschichte, sondern zu gleichen Teilen sein eigener Gegner, eine unnahbare, abweisende Hauptfigur. Zwischen beiden Extremen balanciert er mitunter innerhalb eines Moments und ihm dabei zuzusehen, ist so unterhaltsam wie erstaunlich. Es ist eine Darbietung, die nicht nur im Komödiengenre auf Grund seiner teils galligen Bissigkeit für die Ewigkeit erhalten bleiben wird, sondern weil dieser Aspekt eben nur einen Teil der Figur darstellt. An seiner Seite erscheint Andie MacDowell gerade zu engelsgleich sympathisch und mit einer ruhigen Güte ausgestattet, die jeglichen Zynismus vermissen lässt. Sie verkörpert das Ideal, dem Phil anstrebt, zu genügen. Sein großes Unglück, in dieser Zeitschleife gefangen zu sein, ermöglicht es ihm dabei überhaupt erst, eine Entwicklung durchleben zu können. Es dauert lange, ehe er dies erkennt, doch das macht seine Reise nur umso wertvoller.


Fazit:
In den dreißig Jahren seit seiner Veröffentlichung wurde das Konzept von Und täglich grüßt das Murmeltier unzählige Male nachgeahmt und doch niemals erreicht. Es unterstreicht, weshalb Filmemacher Harold Ramis nicht nur ein Genreklassiker gelungen ist, sondern ein erzählerisches Meisterwerk, das man so auf den ersten Blick in Anbetracht der zugänglichen Art der Erzählung gar nicht erkennen mag. Mit einer scheinbaren Leichtigkeit schildert er die Entwicklung des anfangs grundunsympathischen Phil Connors. Dabei ist die Person am Ende keine andere Figur, seine Wesenszüge sind immer noch dieselben, er hat nur gelernt, seine anderen Charakterzüge zuzulassen und zu zeigen. Dass er sich nach den verschiedenen Phasen auf diese Reise begibt, ist darüber hinaus keiner Berechnung geschuldet, er entwickelt sich nicht weiter und hilft anderen, weil er glaubt oder hofft, dass er diesen Tag dann endlich verlassen kann. Er hat keine Theorie. Er tut es, weil er selbst der Mann sein will, von dem er hofft, er könne gut genug für Rita sein, bei der er selbst erst erkennen muss, dass er sich in sie verliebt hat. Ihn dabei zu begleiten, wie er die Erkenntnis gewinnt, dass er überhaupt etwas lernen muss, ist bereichernd, ist berührend und nicht zuletzt dank der Situationen und Beteiligten herrlich witzig. Es ist aber nur ein Aspekt einer Geschichte, die vielschichtiger und herzlicher ist – und ein gelungenes Spiegelbild unseres Alltags, in dem jeder Tag dem anderen gleicht und in dem wir meist nur uns selbst im Blick haben.
Als zeitlose Komödie, getragen von einem grandios unbeschreiblichen und unnachahmlichen Bill Murray, ist Und täglich grüßt das Murmeltier nicht nur wertvoll, sondern heute so schön und sehenswert wie damals.