Traitor [2008]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 22. Juli 2009
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: Traitor
Laufzeit: 114 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2008
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Jeffrey Nachmanoff
Musik: Mark Kilian
Darsteller: Don Cheadle, Guy Pearce, Saïd Taghmaoui, Neal McDonough, Alyy Khan, Archie Panjabi, Raad Rawi, Hassam Ghancy, Mozhan Marnò, Adeel Akhtar, Jeff Daniels, Lorena Gale, Scali Delpeyrat


Kurzinhalt:
Nachdem er als Kind seinen Vater bei der Explosion einer Autobombe verlor, absolviert Samir Horn (Don Cheadle) eine militärische Ausbildung und bleibt seiner Heimat im Nahen Osten treu. Als überzeugter Islamist zieht er dabei zwar schon früh die Aufmerksamkeit der Ermittlungsbehörden auf sich, doch verwundert es selbst die FBI-Agenten Roy Clayton (Guy Pearce) und Max Archer (Neal McDonough), als Samir bei einer Razzia als Bombenschmuggler an den Meistbietenden entdeckt wird.
Zusammen mit Omar (Saïd Taghmaoui) gelingt ihm die Flucht aus dem Gefängnis und es dauert nicht lange, bis Omar ihn den Anführern seiner terroristischen Gruppe vorstellt. Als Samir bei einem Treffen mit dem Anführer der Bewegung, Nathir (Raad Rawi), zusammenkommt, wird er für Pläne rekrutiert, die den Amerikanern einen empfindlichen Schlag versetzen sollen.
Clayton hat unterdessen Zweifel an Samirs wahren Absichten, doch geht dieser den Ermittlern immer wieder durchs Netz. Dann wird Samir auf einer Überwachungskamera in der Nähe einer Bombenexplosion festgehalten und Clayton weiß nicht, ob er seinen Überzeugungen noch trauen soll ...


Kritik:
Steve Martin ist nicht nur ein seit vielen Jahren in Hollywood aktiver und erfolgreicher Schauspieler. Er ist ebenso Comedian wie er auch einen kritischen Blick auf unsere Zeit wirft. Das belegen seine bislang veröffentlichten Romane, die mitunter eine satirische bis melancholische Note besitzen. Mit seiner Entscheidung, Der rosarote Panther [2006] neu zu verfilmen, machte sich der inzwischen 54jährige keine Freunde bei Filmkritikern und vielen Zuschauern. Und doch scheint er trotz des platten Slapstickhumors seine ernsten Seiten nicht verloren zu haben. Wer beim Abspann von Traitor Steve Martin als Koautor und Mitproduzent gelistet sieht, wird vermuten, dass es sich dabei um eine andere Person gleichen Namens handelt; doch dahinter verbirgt sich in der Tat derselbe Filmemacher und Darsteller, der hier gänzlich andere Facetten durchblitzen lässt.
Dass Hauptdarsteller Don Cheadle ebenfalls als Produzent tätig war, verwundert nicht. Immerhin ist er in dieser Funktion seit L.A. Crash [2004] immer wieder tätig und beweist schon seit langem eine äußerst differenzierte und engagierte Rollenauswahl. Seine packende Darbietung von Samir Horn ist dabei keine Ausnahme. Wer sich als Zuseher unvoreingenommen den Werdegang dieses Bombenexperten ansieht, wird gerade in der ersten Filmhälfte verwundert miterleben, wie sich der undurchsichtige, im Sudan geborene Samir mit terroristischen Gruppen trifft, ihnen Tipps beim Bauen und bei der Handhabung von großen und kleinen Sprengkörpern gibt. Die große Wendung im Film kommt dabei nicht überraschend, doch verblüfft es durchaus, welche Opfer Samir für das Erreichen seiner Ziele erbringt und wie sehr er gegen seine Überzeugungen handelt und dabei doch seinen Glauben bewahrt.

Die Darstellung des Islam mag dabei die vielleicht größte Überraschung an Traitor sein, immerhin nimmt sich das Drehbuch, das Regisseur Jeffrey Nachmanoff ebenfalls mitverfasste, sehr viel Zeit, diese Religion und ihre Aussage ins Rampenlicht zu stellen. Wie terroristische Vereinigungen diesen Kern ins Gegenteil verdrehen und leicht beeinflussbare Menschen mit ihren Ängsten und ihrer Frustration damit in ihren Bann ziehen, wird ebenfalls geschildert. Diese Erkenntnisse sind zwar nicht wirklich neu, doch sollte man anerkennen, wie gewissenhaft der Thriller beide Seiten der Medaille schildert.
Was dabei in Samir vorgeht, wie er hin und her gerissen sich selbst treu zu bleiben versucht, bleibt auch bis zum letzten Moment packend und das nicht nur dank der erstklassigen Darstellerleistungen. Dahingegen erscheinen die FBI-Agenten Clayton (ebenfalls überzeugend gespielt von Guy Pearce) und Archer (Neal McDonough verkörpert den Ermittler routiniert) beinahe farblos, dürfen sich mit intelligenten Dialogen und ebenso überlegten Handlungen jedoch vom Hollywoodklischee abheben. Ein Katz-und-Maus-Spiel, wie man es zu Beginn allerdings vermuten würde, stellt sich leider nicht ein.
Auch wenn das Schicksal der Filmfigur früh absehbar ist, Saïd Taghmaoui gelingt eine facettenreiche und lebendige Darstellung vom Omar, während Alyy Khan durch sein bedachtes und ruhiges Auftreten ebenso beunruhigend wirkt. Einzig Raad Rawis Filmfigur Nathir wirkt stark unterentwickelt, während man Jeff Daniels ohne Frage gern eine größere Rolle hätte übertragen können.

Das Szenario, das die Filmemacher in Traitor entwerfen erscheint erschreckenderweise realistisch, weswegen sich das Drama grundsätzlich eher an ein erwachsenes Publikum richtet. Dass sich hierfür nicht einmal ein deutscher Kinoverleih gefunden hat, sondern der sehenswerte Film lediglich eine Video-Premiere feiert, ist an sich ein Armutszeugnis angesichts aller möglicher Filme, die ihren Weg auf die Leinwand finden. Erklären lässt sich das ausschließlich dadurch, dass keiner der Beteiligten in Hollywood einen entsprechend großen Stellenwert einnimmt. Wer sich den Film in der empfehlenswerten Blu-ray-Präsentation ansehen möchte, sollte allerdings zur englischen Tonspur greifen; die Heimkinoversion wurde wohl primär für die DVD erstellt und der deutsche Ton für die Blu-ray im einfachen Verfahren auf die langsamere Bildwiederholfrequenz angepasst, weswegen alle deutschen Stimmen zu tief klingen. Und das, obwohl man sich beim Verleih Universum Film die Mühe machte, die Hauptfiguren mit den bekannten deutschen Stimmen zu synchronisieren.
Dank der tadellosen und mit interessanten Perspektiven gespickten Inszenierung bleibt Traitor ebenso in Erinnerung, wie durch die sehr guten Darstellerleistungen und die erfrischend unpatriotische Geschichte, die ohne plakative Stereotypen auskommt. Wer sich darauf einlässt, sollte jedoch bereit sein, mitzudenken. Auch wenn keine wirklich neuen Erkenntnisse gewonnen werden, der Blickwinkel, aus dem die Geschichte um Samir Horn erzählt wird, wirkt frisch und unverbraucht.
Dass angesichts des geringen Budgets keine der gezeigten Explosionen echt ist, sondern alle im Trickstudio entstanden, verzeiht man den Filmemachern dabei gern.


Fazit:
Es mag sein, dass man zu dem seit Jahren vorherrschenden Thrillerthema des Agententums und Terrorismus viele Beträge zu sehen bekommen hat, die ähnliche Aussagen treffen wie Regisseur Nachmanoff in Traitor. Doch aus welcher Perspektive das Drama erzählt wird, macht hier den Unterschied. Die Akteure, allen voran der charismatische Don Cheadle und Guy Pearce tragen die Story und machen das Dilemma der Figuren spürbar.
Makellos gefilmt, von einer rhythmischen Musik vorangetrieben und mit einer erstaunlich klischeefreien Botschaft versehen, stört man sich allenfalls an der wenig komplexen Geschichte, deren Zusammenhänge man als Zuschauer zu schnell durchschaut, oder daran, dass die Auflösung nicht kompromisslos genug ausfällt. Denn eine Antwort auf die Frage, wie viele unbeteiligte Menschen geopfert werden dürfen, damit das vermeintlich Gute siegt, liefert der Film leider nicht und fordert den Zuseher auch nicht nachhaltig genug auf, sich dazu selbst Gedanken zu machen. Vielleicht ist man von den vielen anderen Beiträgen zum Thema diesbezüglich aber einfach schon auf ein grundsätzlich deprimierendes Szenario eingestellt worden. Und dieses liefert der mitunter unbequem realistische Traitor (glücklicherweise) nicht.