Top Gun: Maverick [2022]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. Mai 2022
Genre: Action

Originaltitel: Top Gun: Maverick
Laufzeit: 122 min.
Produktionsland: China / USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Joseph Kosinski
Musik: Harold Faltermeyer, Hans Zimmer
Besetzung: Tom Cruise, Miles Teller, Jennifer Connelly, Jon Hamm, Glen Powell, Lewis Pullman, Ed Harris, Val Kilmer, Monica Barbaro, Charles Parnell, Jay Ellis, Danny Ramirez, Greg Tarzan Davis, Manny Jacinto, Bashir Salahuddin


Kurzinhalt:

Nachdem er einen weiteren Navy-General verärgert hat, wird Testpilot Pete „Maverick“ Mitchell (Tom Cruise) an die Elite-Flugschule ‚Top Gun‘ versetzt. Dort soll er eine Gruppe junger Pilotinnen und Piloten trainieren, die in wenigen Wochen einen beinahe unmöglichen Einsatz fliegen müssen, bei dem sie höchstwahrscheinlich in feindliche Kampfhandlungen verwickelt werden. Es ist ein Himmelfahrtskommando, wobei der verantwortliche Vice Admiral mit dem Flugnamen „Cyclone“ (Jon Hamm) in Kauf nimmt, dass die Einheit nicht zurückkehrt – das Ziel ist ist schlichtweg zu wichtig. Für Maverick ist dies eine umso schwierigere Situation, da der Sohn seines einstigen Ko-Piloten Teil dieser Einheit ist, Bradley „Rooster“ Bradshaw (Miles Teller). Der hat sich mit Maverick nicht nur auf Grund des Todes seines Vaters überworfen und egal, für wen sich Maverick hinsichtlich der Einsatzplanung entscheiden wird, er wird Rooster wahrscheinlich für immer verlieren. Einziger Lichtblick in dieser Situation ist Mavericks Wiedersehen mit Penny (Jennifer Connelly). Doch dies reißt alte Wunden wieder auf und führt ihm auch das Leben vor Augen, gegen das er sich einst entschieden hat …


Kritik:
In einer Zeit, in der das Unterhaltungskino scheinbar ausschließlich von sich immer ähnlicher werdenden Comic-Superhelden-Filmen dominiert wird, gelingt Regisseur Joseph Kosinski mehr als 35 Jahre nach dem ursprünglichen Top Gun - Sie fürchten weder Tod noch Teufel [1986] mit der geradezu aberwitzig verspäteten Fortsetzung Top Gun: Maverick das Kunststück, nicht nur einen in jeder Hinsicht gelungeneren Film zu präsentieren, sondern bestes Popcorn-Kino, wie man es seit Ewigkeiten nicht erlebt hat.

Dass die vergangenen Jahrzehnte nicht spurlos an den bekannten Beteiligten vorübergezogen sind, wird offensichtlich, wenn sie zum ersten Mal zu sehen sind. Und doch erzeugen die bekannte Texttafel zu Beginn, zusammen mit Kenny Loggins’ „Danger Zone“ als musikalische Untermalung sowie Bildern von startenden und landenden Kampfflugzeugen auf einem Flugzeugträger, die allesamt aus dem ersten Film stammen könnten, ein unvergleichliches Flair. Es ist ein Beginn, der veredelt wird durch eine Vorstellung der Titelfigur, dem von Tom Cruise gespielten Captain Pete „Maverick“ Mitchell. Dem Testpiloten wird mitgeteilt, dass das Militärprogramm, an dem er mitarbeitet, beendet werden soll, doch gerade, als der verantwortliche Rear Admiral die Basis aufsucht, straft Maverick alle Zweifler des Projekts Lügen – und bestätigt alle Vorurteile über sein überlebensgroßes Ego. Maverick ist furchtlos, talentiert, kühn, aber auch überheblich und hitzköpfig. Kurzum, Tom Cruise spielt die Figur, wie man sie aus dem ersten Film kennt, doch mit mehr Lebenserfahrung, die ihn nicht weiser hat werden lassen. Zur Strafe für seine Befehlsverweigerung und den verursachten Schaden, wird er an die Elite-Flugschule ‚Top Gun‘ versetzt, wo er sich dreißig Jahre zuvor einen Namen gemacht hat. Nur jetzt soll er selbst als Dozent den Besten der Besten das nötige Wissen beibringen, um einen schier unmöglichen Einsatz zu fliegen.

Der ist vom Drehbuch konkret genug – immerhin soll eine Einrichtung zerstört werden, in der Uran angereichert wird – aber auch diffus genug, so dass man kein einzelnes Land als verbrecherischen Staat ausmachen kann. Wird der Einsatz irgendwann ausgeführt, fliegt die Staffel gegen undefinierte Bösewichte, was vielleicht ein Grund ist, weshalb Top Gun: Maverick trotz der glorifizierenden Darstellung der Waffen und Flugzeuge in Anbetracht des Weltgeschehens so gut funktioniert. Für Maverick, der unter dem Schutz eines einflussreichen Admirals steht, wird dies der letzte Dienstposten sein, so viel macht sein neuer Vorgesetzter bei ‚Top Gun‘ ihm unmissverständlich klar. Und selbst wenn Maverick ein begnadeter Kampfpilot ist, er ist kein Lehrer, was erklärt, weshalb sein Unterricht großteils darin besteht, den Nachwuchspiloten aufzuzeigen, dass er besser ist, als sie. Zusätzliches Konfliktpotential birgt der Umstand, dass auch Bradley „Rooster“ Bradshaw der Truppe angehört, die Maverick unterrichten soll. Rooster ist der Sohn von Mavericks früherem Ko-Piloten Goose, der im Einsatz mit Maverick gestorben ist. Er ist auch die einzige Figur der Einheit, die abseits von Maverick selbst einen Hintergrund zugeschrieben bekommt und sich entwickelt. Ein zweiter Erzählstrang widmet sich Mavericks Beziehung zu seiner früheren Flamme Penny, gespielt von Jennifer Connelly.

Man könnte nun fragen, inwieweit diese Aspekte der Geschichte überhaupt wichtig sind, doch schafft es Top Gun: Maverick nicht nur, seine Titelfigur selbst zu vertiefen und zu erweitern, auch die übrigen Charaktere erscheinen handfester und greifbarer, als dies im ersten Film der Fall war. Das mag daran liegen, dass Maverick auf mehreren Ebenen die Konsequenzen seines Handelns vor Augen geführt wird, oder allein an der kaum beschreibbaren Leichtigkeit, mit der Kosinski seine Geschichte erzählt. Diese Unbeschwertheit findet sich auch in den Momenten zwischen Penny und Maverick wieder und sorgt dafür, dass man wenigstens die Hälfte des Films mit einem spürbaren Grinsen aufnimmt. Die beiden Figuren erzeugen eine spürbare Chemie und die anderen Charaktere eine Verbindung zu einander. Die übrige Zeit wird man förmlich in den Sessel gepresst von der Wucht, mit welcher der Regisseur die Actionmomente in Szene setzt. Die mögen teils die Physik (oder die menschliche Physiologie) außer Kraft setzen, aber sie sind so packend umgesetzt, dass einem mitunter heiß und kalt wird und man die Schwerelosigkeit bei den Manövern förmlich spüren kann. Mit den vielen Aufnahmen der Gesichter in den Cockpits, hat man nicht nur das Gefühl, als wären die Figuren tatsächlich in diesen Situationen, sondern als wäre man selbst an ihrer Seite – in diesem unvorstellbar schnell und waghalsig fliegenden Kampfjet.

Top Gun: Maverick versprüht eine Authentizität, die auch durch die überwältigende Klangkulisse, sowohl der Musik als auch des im Kinosaal spürbaren Tons, transportiert wird. Die Herangehensweise mit vielen eingängigen Songs, passend in Szene gesetzt zu stimmungsvollen Sonnenuntergängen, den Porträtaufnahmen von sonnengebadeten Protagonisten mit Sonnenbrillen, ist dieselbe wie einst bei Tony Scotts Genre prägendem Top Gun, aber sie erscheint durch die handwerklich wie erzählerische Finesse, bei der selbst unmöglich scheinende Flugstunts nicht ins Gewicht fallen, bedeutend effektiver, als man das erwarten würde. Vor allem aber gelingt den Verantwortlichen durch die Verzahnung mit den Geschehnissen des ersten Teils ein emotionaler Einschlag, den man nicht erwarten würde. So endet der Auftritt von Val Kilmer als „Iceman“ nicht nur mit einem der amüsantesten Momente des Films, sondern die Szene trifft unvermittelt ins Herz. Wie vieles andere, hätte man das nach mehr als drei Jahrzehnten seit dem ersten Teil wohl kaum erwartet. Oder, dass man gern bedeutend mehr Zeit mit diesen Figuren hätte verbringen wollen.


Fazit:
Das Finale erscheint inhaltlich ein wenig aufgesetzt und auch manche bildlichen Verweise auf den ersten Film wiederholen sich spürbar. Doch diese Makel verzeiht man ebenso gern, wie die unzweifelhaft klischeehaften und teils pathetischen Dialoge. Denn die sind nichtsdestotrotz geschliffen und treffend, sprühen in den richtigen Momenten vor Humor und gehen mit markanten Sprüchen einher. Joseph Kosinski erschafft in seinem optisch beeindruckenden und akustisch überwältigenden Actionfeuerwerk eine geradezu unbeschwert leichte und spaßige Atmosphäre, die Kameradschaft und Vertrautheit in den Vordergrund rückt (wie im toll eingefangenen und stimmungsvollen Volleyballspiel am Strand), anstatt blindem Patriotismus. Hervorragend in Szene gesetzt, geschnitten sowie tadellos gespielt, erweitert Top Gun: Maverick seine Titelfigur und auch die übrigen über das hinaus, was Top Gun einst gelang, oder woran jener Film interessiert war. Das Ergebnis ist eine beeindruckende und für die Beteiligten sichtlich Kräfte zehrende Achterbahnfahrt. Der erste richtige Sommerfilm seit Jahren und bestes Popcorn-Kino, das einen die Welt um sich herum vergessen lässt. Gerade, weil man sich hier unmittelbar mit den Piloten und der Pilotin im Cockpit fühlt, kann man nur raten: Hinsetzen, anschnallen und mitreißen lassen.