Todeszug nach Yuma [2007]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. März 2009
Genre: Western / Action / Drama

Originaltitel: 3:10 to Yuma
Laufzeit: 122 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: James Mangold
Musik: Marco Beltrami
Darsteller: Russell Crowe, Christian Bale, Logan Lerman, Dallas Roberts, Ben Foster, Peter Fonda, Vinessa Shaw, Alan Tudyk, Luce Rains, Gretchen Mol, Lennie Loftin, Rio Alexander


Kurzinhalt:
1884. Mehrere Hundert Tausend Dollar hat der Gesetzlose Ben Wade (Russell Crowe) zusammen mit seiner Bande der Eisenbahnbaufirma bereits abgejagt. In einem Saloon wird er vom Rancher Dan Evans (Christian Bale) schließlich gestellt. Der kämpft zusammen mit seiner Frau Alice (Gretchen Mol) und beiden Kindern nach einem Disput mit dem Landbesitzer Hollander (Lennie Loftin) um das finanzielle Überleben seiner Farm. Der Vertreter der Eisenbahnbaufirma Grayson Butterfield (Dallas Roberts) bietet Evans 200 Dollar, wenn er Wade zu der Kleinstadt Contention bringt und in den Zug zum Gefängnis in Yuma setzt.
Während Wade seine Wärter psychologisch unter Druck setzt und in Gespräche verwickelt, mobilisiert seine Gang unter der Führung des gewissenlosen Charlie Prince (Ben Foster) alle Mittel, um Ben Wade zu befreien. In Contention kommt es schließlich zur Konfrontation und einem Kampf auf Leben und Tod ...


Kritik:
Es scheint bei genauerer Betrachtung zweierlei Arten von Western im amerikanischen Kino zu geben. In der einen Art wird die Lebensweise der Siedler in der großteils unberührten Natur des 19. Jahrhunderts glorifiziert und die Tatsache, dass diese niemanden außer sich selbst Rechenschaft schuldig waren in den Mittelpunkt gerückt. Jener naiven Betrachtungsweise stellen Filmemacher schon seit Anbeginn der Filme jedoch eine bedeutend realistischere Sicht der Dinge gegenüber und zeigen den Wilden Westen als raue, unnahbare und erbarmungslose Zeit, in der die Kraft des Stärkeren überwiegt und all diejenigen, die ihm im Wege stehen – seien dies nun die Ureinwohner Amerikas oder andere Siedler – überrollt werden. Wird der Gesetzlose in der ersten Filmart also verherrlicht, die freie Auslebung seines Charakters als einzig wahre Lebensart unterstrichen, wird er in der anderen Erzählung als das beschrieben, was er ist: ein skrupelloser Verbrecher, der allerorten Leben und Familien zerstört.

Russell Crowe in einer solchen Rolle zu sehen, ihn als charmanten und charismatischen, aber doch durchweg gewissenlosen Bösewicht zu erleben, hat in Todeszug nach Yuma durchaus seinen Reiz. Obwohl er zu Beginn selbst wenig zu tun bekommt, versteht man schnell, weswegen Ben Wade eine so große Zahl an Gefolgsleuten um sich schart. Wortgewandt und tiefsinnig verbirgt sich hinter ihm einer der gefährlichsten Schurken: Ein intelligenter Verbrecher. Genau in jener Rolle geht der routinierte Mime auch merklich auf, spielt den zuerst wortkargen und dann eloquenten Wade mit einer Natürlichkeit, dass keine Zweifel aufkommen, als wäre ihm die Rolle auf den Leib geschneidert. Weswegen sich das Drehbuch dann allerdings dazu entschließt, jenen Antagonisten aufzuweichen, ihm ein Gewissen unterzujubeln und den tragischen Helden Dan Evans ohne einen richtigen Widersacher ins Finale ziehen zu lassen, ist unverständlich. Im letzten Shootout wird das Gesicht eines richtigen Bösewichts für Evans durch eine Vielzahl identitätsloser Pappfiguren ausgetauscht, die sich allesamt als unfähig erweisen, einen humpelnden, zahlenmäßig verständlicherweise unterlegenen Farmer auszuschalten. Da einem auch als Zuschauer klar ist, dass einem Helden mit Kugeln in solchen Filmen selten beizukommen ist, verliert der Showdown auch entsprechend an Spannung, die ohne Zweifel erhalten geblieben wäre, hätte sich eine Gruppe um Evans geschart, die sich taktisch gegen die in der Kleinstadt umherlungernden Schützen verteidigt hätte.
Christian Bale durch dieses Martyrium zu folgen, fällt insofern nicht schwer, als dass er als gebrochener und desillusionierter Siedler im Wilden Westen genau jene Befürchtungen anspricht, die einen jeden befallen hätten, wenn man sich urplötzlich nicht mehr in der Lage sieht, seine eigene Familie zu ernähren. Er ist nicht unverwundbar oder ein zurückgezogener Sheriff, den das Unheil heimsucht; er ist ein ganz gewöhnlicher Mann, der sein Leben einsetzt, um das Überleben seiner Frau und Kinder zu sichern. Erstklassig gespielt verteilen sich die Sympathien somit von der ersten Minute an sehr deutlich, bis Wades Sinneswandel die Erzählung in eine andere Richtung lenkt.
Von diesem Moment an bemüht sich Ben Foster sichtlich, ein Gegengewicht zu den beiden Hauptakteuren zu bilden. Dem damals 26jährigen Darsteller kann man zu seiner Leistung nur gratulieren, denn als treu ergebener Gefolgsmann Ben Wades überzeugt er in einem beängstigenden Maße. Doch als alleiniger Schurke kann er gegen die beiden hochklassigen Darsteller nicht ankommen.

Insofern ist es tragisch, dass James Mangolds Westerndrama gerade im letzten Drittel nicht vollends überzeugen kann. Der bleihaltige Kugelhagel in der Kleinstadt wartet dafür mit zu wenigen Überraschungen oder neuen Ideen auf. Konzentriert sich Todeszug nach Yuma zuvor auf eine realistische Darstellung der Gegebenheiten im Wilden Westen und schildert den Überlebenskampf und die Opferbereitschaft aus der Sicht von Dan Evans, will das Drehbuch dem Zuschauer einen Gewissenswandel Ben Wades begreiflich machen, der aber so nicht zu fassen ist.
Diesbezüglich tröstet auch die erstklassige Inszenierung samt den malerischen Bildern nicht und auch wenn das Finale das Potential besessen hätte, jenen Storyumschwung zu übersehen. Die Tatsache, dass der Shootout nur aus der Sicht von Wade und Evans geschildert wird, ihre Gegner immer erst dann gezeigt werden, wenn sie wenige Sekunden später von einer Kugel getroffen werden und somit nie eine wirkliche Bedrohung oder eine zahlenmäßige Unterlegenheit der beiden ungleichen Kämpfer spürbar wird, nimmt den letzten 20 Minuten viel an Spannung.
Kamera und Schnitt ist dabei ebenso wenig ein Vorwurf zu machen, wie der zugegebenermaßen erstklassigen Musik von Marco Beltrami, der dank eines minimalistischen Themas 3:10 to Yuma, so der Originaltitel, ein passendes und doch facettenreiches Flair verpasst. Dass der Film dies in letzter Konsequenz nicht halten kann, ist bedauerlich – das Potential war ohne weiteres vorhanden.


Fazit:
Wie facettenreich ein moderner Western mit der Thematik der Biegsamkeit eigener Moralvorstellungen in den Zeiten der sagenumwobenen Cowboys umgehen kann, sieht man unter anderem bei Clint Eastwoods Erbarmungslos [1992]. Eine Vielschichtigkeit der Figuren wollten wohl auch die Autoren von Todeszug nach Yuma erreichen und transformieren ihren Schurken im letzten Drittel zu jemandem, der sich für einen Schwächeren einsetzt. Dadurch allerdings entsteht beim Finale eine Leere, die keine andere Figur zu füllen vermag.
Das mag als Storyidee durchaus interessant gewesen sein, hinterlässt aber einen gekünstelten Eindruck im Film. Hervorragend gespielt und bis auf einen fehlenden Aufbau beim Finale toll gefilmt ist es dennoch und überzeugt durch ein realistisches Ambiente, bei dem einem als Zuschauer nie Zweifel kommen. So verschenkt James Mangolds Western zwar Potential, wer sich darauf einlässt wird aber zwei Stunden lang authentisch unterhalten und darf der Demontage des Mythos freier Wilder Westen beiwohnen.