Titanic [1997]

Wertung: 6 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 16. Juli 2013
Genre: Drama / Liebesgeschichte

Originaltitel: Titanic
Laufzeit: 194 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1997
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: James Cameron
Musik: James Horner
Darsteller: Kate Winslet, Leonardo DiCaprio, Billy Zane, Kathy Bates, Frances Fisher, Gloria Stuart, Bill Paxton, Bernard Hill, David Warner, Victor Garber, Jonathan Hyde, Suzy Amis, Danny Nucci, Ewan Stewart, Ioan Gruffudd, Jonny Phillips


Kurzinhalt:
Sie ist 101 Jahre alt, als Rose (Gloria Stuart) im Fernsehen Bilder vom Wrack der RMS Titanic sieht, in dem der Schatzjäger Brock Lovett (Bill Paxton) nach dem Collier "Herz des Ozeans" mit einem sehr großen und wertvollen Diamanten in der Mitte sucht. Dabei hat er eine Zeichnung entdeckt, die am 14. April 1912 entstand, dem Vorabend des Untergangs des Luxusdampfschiffs. Rose reist mit ihrer Enkelin Lizzy (Suzy Amis) auf Lovetts Forschungsschiff. Sie ist bereit, die Titanic ein letztes Mal zu besuchen und ihre Geschichte zu erzählen.
Sie beginnt mit dem Auslaufen der Titanic zu ihrer Jungfernfahrt am 10. April 1912. Rose (Kate Winslet), damals 17 Jahre alt, war mit dem wohlhabenden Cal Hockley (Billy Zane) verlobt, nach dem Willen ihrer Mutter Ruth (Frances Fisher), aber gegen ihren eigenen. Auf der Überfahrt begegnet sie dem mittellosen Zeichner Jack Dawson (Leonardo DiCaprio), der seine Fahrkarte beim Pokern gewonnen hat. Sie verlieben sich ineinander, obwohl diese Beziehung schon auf Grund ihres hohen Standes keine Zukunft hat. Als Hockley ihre Gefühle für Dawson bemerkt, greift er mit seinem Gehilfen Lovejoy (David Warner) zu radikalen Mitteln.
Währenddessen lässt sich Kapitän Edward James Smith (Bernard Hill) von Konstrukteur Ismay (Jonathan Hyde) dazu drängen, die Eiswarnungen zu ignorieren und seine Route schneller zu fahren, als geplant. Als die Titanic auf einen Eisberg läuft, erinnert sich Rose noch an die Worte des Schiffsbauers Andrews (Victor Garber), nach denen die Rettungsboote nur für die Hälfte der Passagiere ausreichen werden. Es beginnt eine Tragödie, die nur einen Ausgang kennt ...


Kritik:
Den Erfolg von Titanic, der immerhin mehr als zehn Jahre den Stand des erfolgreichsten Films aller Zeiten innehatte, allein auf die Liebesgeschichte zwischen Leonardo DiCaprio und Kate Winslet und die Scharen an weiblichen Fans, die ihretwegen in die Kinos strömten, zurückzuführen, wäre zu einfach. Das heißt nicht, dass James Camerons Katastrophen-Epos keine tolle Lovestory erzählt, sondern dass es kaum einen Bereich gibt, in dem der Film nicht ebenso gelungen ist. Auch nach 15 Jahren ist sein aufwändiges Untergangsdrama unerreicht. Und vermutlich wird es das wie viele Klassiker auch nie werden.

Vom Untergang der RMS Titanic bei ihrer Jungfernfahrt in den Morgenstunden des 15. April 1912 haben Interessenten zweifelsohne gehört. Und so finden sich weder am Anfang, noch am Ende des mehr als drei Stunden dauernden Films Texttafeln, die darauf verweisen. Die Geschichte der Titanic bekommen wir am Anfang von einem Mitarbeiter des Schatztauchers Brock Lovett genannt und sogar den Werdegang des Schiffes gezeigt, nachdem er um 20 Minuten vor Mitternacht einen Eisberg rammte. Regisseur und Autor Cameron zeigt uns im Vorfeld, was wir wissen müssen, um uns im Inneren des Schiffes zu orientieren. Er gewährt uns in vielen Momenten, darunter kurz vor dem Aufprall, einen Rundgang durch das luxuriöseste Bauwerk seiner Zeit, damit wir uns auf die Figuren, auf die Geschichte konzentrieren können, anstatt uns in technischen Feinheiten zu verlieren. Wie bei vielen Erzählungen, die auf wahren Begebenheiten beruhen, wissen wir auch hier, wie sie enden wird. Wie viel näher geht es uns aber, wenn eine kalte Computersimulation vom Anfang in der zweiten Filmhälfte nicht nur mit Leben gefüllt wird, sondern wir Zeuge von über 3.000 Schicksalen werden?

Durch Rose' Geschichte bekommen sie ein Gesicht, eine Persönlichkeit, ebenso zurückhaltend wie fesselnd erzählt durch Gloria Stuart, die 100jährig vor drei Jahren verstarb. In ihren Augen sehen wir, was sie auf jenem Schiff zurückgelassen hat, was sie seither aber nie ganz losließ. Sie erzählt, wie sie in der Absicht, gegen ihren Willen den wohlhabenden Cal Hockley zu heiraten, die Titanic betrat und dort auf den mittellosen Jack traf. Vor dem Hintergrund einer beispiellosen Tragödie ist es eine Liebe, die schon auf Grund ihrer unterschiedlichen Herkunft und ihres jeweiligen Standes nicht sein darf. Doch gerade diese Liebesgeschichten sind es, die uns am nächsten gehen.

Mehr als 20 Minuten lässt sich Cameron Zeit, ehe die Titanic überhaupt den Hafen verlässt und es vergeht noch über eine weitere Stunde, ehe der berühmte Ausruf "Eisberg voraus!" das Publikum im Mark erschüttert. Bis dahin sehen wir in Rose und Jack, von Kate Winslet und Leonardo DiCaprio mit ebenso viel Feingefühl wie Charisma verkörpert, zwei Menschen, die gemeinsam so viel stärker und glücklicher sind, als sie es je zuvor waren. Dass sie sich durchsetzen wollen sollte uns inspirieren, sollte uns Mut machen. Dass es viele Zuschauer gab und gibt, denen ihre Liebesgeschichte zu perfekt, zu makellos erscheint und die Titanic dafür kritisieren, ist unverständlich. Seit William Shakespeares Romeo und Julia [1597] besitzen Lovestorys eine Melodramatik, die sie überhaupt erst interessant macht. Wäre dem nicht so, wären sie keine Inspiration.

Nach etwas mehr als eineinhalb Stunden läutet James Cameron sein Finale um den Untergang des Schiffes ein, der beeindruckender und erschreckender kaum sein könnte. Angefangen von den Fehlern, um die wir heute (und dank der Vorbereitung im Film) wissen, welche die Katastrophe nur verschlimmert und noch mehr Menschenleben gekostet haben, bis hin zur grausamen Panik, die sich sowohl unter den Passagieren, wie der Besatzung angesichts der aussichtslosen Lage ausbreitet, wird deutlich, weshalb eine jede Szene der ersten Hälfte ihre Notwendigkeit besitzt. Jede Figur, die vorgestellt wurde, sei es Frances Fisher als Rose' Mutter Ruth, ihren durch Kathy Bates fantastisch gespielten Gegenpol als geerdete Molly Brown, Kapitän Smith – verkörpert durch Bernard Hill – David Warner, durch den immer beeindruckende Victor Garber oder Jonathan Hyde als Konstrukteur der Titanic, ist wichtig, um einen Aspekt der Tragödie darzustellen. In der Rolle des Cal Hockley hat Billy Zane ohne Zweifel die undankbarste Rolle zu erfüllen. Nicht, weil die Figur nicht gut getroffen ist, im Gegenteil, die Dekadenz der sich selbst als Oberschicht bezeichnenden Gesellschaft kommt sehr gut zum Ausdruck, sondern weil es kaum jemanden in Titanic gibt, der so vom Publikum verhasst ist, wie er.
Erzählt der Filmemacher in beispielloser und nie dagewesener Art und Weise den tatsächlichen Untergang der Titanic nach, kommt kein Zweifel daran auf, dass er hierfür nicht nur das als unsinkbar geltende Schiff nachbauen ließ, sondern dies in der Tat ebenso versenkt, wie es vor über 100 Jahren geschehen ist. Nie hat man das Gefühl, einen Film über diese Katastrophe zu sehen, anstatt sie zu erleben. Die geniale Musik von James Horner bindet uns ebenso an die lebensnahen Figuren, wie uns ihr Schicksal schockiert.


Fazit:
Es ist erstaunlich, wie "klein" einem andere Filme vorkommen, wenn man kurz zuvor Titanic gesehen hat. In unerreichter Art und Weise gelingt es Regisseur James Cameron, eine erdachte Geschichte vor einem realen Hintergrund zu erzählen und dabei keine der beiden Facetten aus den Augen zu verlieren. Eine genauere Rekonstruktion des Schiffsunglücks kann man sich kaum vorstellen. Aber vielmehr hat man das Gefühl, man würde mit Rose und Jack die Quartiere, die Decks der Titanic besuchen, man könnte die unendlich exquisiten Kabinen sehen, die Vertäfelungen berühren. Der Aufwand, der betrieben wurde, um das unsinkbare Schiff wiederauferstehen zu lassen, ist ebenso unvorstellbar wie überwältigend.
Die Ausstattung allein wäre immer wieder die Kinokarte wert, von dem ergreifenden Porträt der letzten Stunden des sterbenden Luxusdampfers ganz abgesehen, die packender kaum sein könnten. Getragen und veredelt wird dies von einer Liebesgeschichte, auf die man sich – wie auf alle Liebesgeschichten – einlassen muss, um mit den Figuren mitzufiebern. Sie sind ebenso vielschichtig wie das durch Rose stark gezeichnete Frauenbild ermutigend. Die Tatsache, dass auch in Zeiten größter Not Courage und Menschlichkeit triumphieren ist außerdem ein erstrebenswertes Leitbild.
Titanic als monumental zu bezeichnen, ist im Grund genommen eine Untertreibung. Es ist ein Erlebnis, jedes Mal aufs Neue und eines, das sich lohnt wie kaum ein anderes. Ein Klassiker und ein Meisterwerk.