The Woman King [2022]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 19. Februar 2023
Genre: Drama / Action

Originaltitel: The Woman King
Laufzeit: 135 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Gina Prince-Bythewood
Musik: Terence Blanchard
Besetzung: Viola Davis, Thuso Mbedu, Lashana Lynch, Sheila Atim, John Boyega, Jordan Bolger, Jimmy Odukoya, Hero Fiennes Tiffin, Wanda Banda, Lethabo, Joel Mukadi, Masali Baduza, Jayme Lawson, Adrienne Warren, Siv Ngesi


Kurzinhalt:

Westafrika im Jahr 1823. Wie bei vielen anderen rührt auch beim Königreich Dahomey der Reichtum vom Sklavenhandel mit den weißen Invasoren. Der neue König Ghezo (John Boyega) ist über diese Praxis nicht glücklich und die Anführerin seiner Einheit der gefürchteten Agojie-Kriegerinnen, General Nanisca (Viola Davis), wünscht sich eine Neuausrichtung. Zumal das Oyo Imperium, dem Dahomey seit langem Tribut zahlt, um Handel über den Hafen tätigen zu können, jüngst Frauen aus Dahomey zum Verkauf entführte. Während Nanisca zusammen mit der erfahrenen Kriegerin Izogie (Lashana Lynch) neue Rekrutinnen ausbildet, darunter die ebenso vielversprechend ehrgeizige wie sture Nawi (Thuso Mbedu), deren Ziehvater sie verstieß, da sie nicht verheiratet werden konnte, steuert Dahomey auf einen offenen Krieg mit Oyo zu, den der brasilianische Sklavenhändler Santo Ferreira (Hero Fiennes Tiffin) nur begrüßt. Sein Begleiter Malik (Jordan Bolger) hingegen hat seine Wurzeln in Dahomey und sieht mit Schrecken, was der Sklavenhandel anrichtet …


Kritik:
Gina Prince-Bythewoods The Woman King erzählt von den Agojie-Kriegerinnen des westafrikanischen Königreichs Dahomey, die im Jahr 1823 gegen das Oyo-Imperium kämpfen. Es ist eine Geschichte über Krieg, Sklaverei, Gewalt und Macht, angesiedelt vor einem historischen Hintergrund, über den sich aus heutiger Sicht nur wenig sicher belegen lässt. Das schmälert nicht die Bedeutung der Themen oder die fantastischen Darbietungen im Zentrum, die hier nachwirken.

Getragen von einer furchtlos-fantastischen Viola Davis als Agojie-General Nanisca, beleuchtet The Woman King ebenfalls das paradox anmutende Verhältnis der Kolonialisten mit den afrikanischen Königreichen. So handelt auch das Königreich Dahomey unter König Ghezo mit den Weißen. Neben Ernten auch mit Sklaven. Doch nachdem Nanisca mit ihren Kriegerinnen entführte und für den Verkauf bestimmte Frauen der Dahomey aus den Fängen der Oyo befreit hat, denen Dahomey für eine friedliche Koexistenz einen Tribut zu zahlen hat, eskaliert der Konflikt, von dem auch der brasilianische Sklavenhändler Santo Ferreira profitiert. Neben Ferreira betritt auch der Sohn der ehemaligen Dahomey-Sklavin Malik zum ersten Mal das Land seiner Vorfahren. Was er sieht, ist das Volk Afrikas, das sich – angestachelt von den weißen Invasoren – gegeneinander wendet, in der Hoffnung, durch den Sklavenhandel selbst den Wohlstand der ersten Welt zu erhalten.

Gleichzeitig bildet Nanisca neue Rekrutinnen, darunter die ehrgeizige Nawi, für die Agojie aus und in General Oba Ade der Oyo steht sie jemandem gegenüber, mit dem sie ein ebenso dunkles wie schmerzvolles Kapitel ihrer Vergangenheit verbindet. Nach einem Auftakt, der sich mehr auf die gesellschaftlichen Strukturen konzentriert, verlagert The Woman King den Fokus auf die persönlichen Hintergründe um Nanisca und verleiht dem unnachgiebigen Auftreten der unbeschreiblich charismatischen Figur damit eine Ebene, die ebenso unerwartet kommt, wie sie berührt. Zugegeben, manche Zufälle wirken konstruiert, es sei jedoch der künstlerischen Freiheit der Geschichte zugute gehalten. Dass andere Figuren wie die von Lashana Lynch nicht weniger stark gespielte Izogie dabei das Nachsehen haben, ist zwar bedauerlich, in Bezug auf den König von Dahomey ist es jedoch ein Versäumnis, das dafür sorgt, dass der politische Konflikt und die Neuausrichtung der Handelsstruktur spürbar kurz kommt.

Dafür wartet Filmemacherin Gina Prince-Bythewood mit zahlreichen Kampfszenen auf, die durchweg packend umgesetzt sind. Umso mehr, da sich die mit Schwertern bewaffneten Kriegerinnen oftmals Gegnern gegenübersehen, die ihnen nicht nur zahlenmäßig überlegen sind, sondern mit ihren Schusswaffen auch eine größere Reichweite besitzen. Insbesondere beim Finale gibt es ein paar Momente, in denen die Übersicht beinahe verloren zu gehen scheint, insgesamt reißen die Momente aber merklich mit und trösten so auch darüber hinweg, dass andere Szenenübergänge etwas rau erscheinen, als würde bei den gezeigten Eindrücken oder den Dialogen noch der letzte Schliff fehlen. Die Dialoge klingen dabei hinsichtlich der Wortwahl nicht immer ganz angemessen und teils merklich modern, doch das verzeiht man The Woman King schon deshalb, weil sie von der bemerkenswerten Besetzung engagiert vorgetragen werden.

Der Blick auf das Königreich Dahomey ist beim genaueren Hinsehen differenzierter, als man es auf den ersten Blick vermuten mag und neben der unzweifelhaft immens anstrengenden körperlichen Vorbereitung auf die Dreharbeiten, haben die Verantwortlichen um Regisseurin Prince-Bythewood merklich Zeit in die authentische Darstellung jener Gesellschaft investiert. Dass dies nach Veröffentlichung auf Grund möglicher historischer Ungenauigkeiten kritisiert wird, überrascht nicht, zumal es offenbar nur wenige Bücher und Berichte über diese Zeit in Westafrika gibt und diese darüber hinaus in de Regel aus Sicht der Invasoren geschildert sind. Zu sehen, wie ein aufstrebendes Königreich damit hadert, Teil einer Ausbeutung zu sein, die seit vielen Jahren vonstatten geht, ohne die aber der gesellschaftliche Aufstieg vermutlich ausbleiben würde, ist zwar stark verkürzt, aber nichtsdestoweniger interessant. So wie die Geschichten dieser Frauen zu sehen, die aus unterschiedlichsten Gründen den Weg in diese Einheit der Kriegerinnen gefunden haben. Verpackt in eine zugängliche Geschichte, setzt The Woman King ihnen ein Denkmal und gestaltet sie abseits von Stereotypen komplex und vielschichtig. Das ist sehenswert und wichtig.


Fazit:
Filmemacherin Gina Prince-Bythewood widmet sich in den etwas mehr als zwei Stunden Laufzeit mehreren großen Themen. Zum einen der Vorstellung eines Königreichs, das damit hadert, einen anderen Handelszweig als die Mithilfe bei der Versklavung des afrikanischen Volkes zu finden. Zum anderen dem Porträt der Agojie-Kriegerinnen, die aus unterschiedlichsten Gründen ihren Weg in eine Gemeinschaft gefunden haben, in der sie – wie es eine Figur ausdrückt – nicht die Beute, sondern die Jägerinnen sind. Letzteres gelingt besser, auch dank der tollen weiblichen Besetzung, angeführt von vier immens starken Darbietungen und einer preiswürdigen Viola Davis. Dank ihnen reißt The Woman King mit, auch wenn der Film etwas länger ist, als er sein müsste. Und obwohl manche Momente und Dialoge noch nicht in dem Maße poliert erscheinen oder einige Klischees offenkundig sind. Es schmälert kaum die Wirkung der Geschichte, die inspiriert und dank packender Kampfsequenzen ebenso nachwirkt wie auf Grund der Atmosphäre. Toll!