The Whole Truth - Lügenspiel [2016]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 13. Juli 2017
Genre: KrimiOriginaltitel: The Whole Truth
Laufzeit: 93 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Courtney Hunt
Musik: Evgueni Galperine, Sacha Galperine
Darsteller: Keanu Reeves, Renée Zellweger, Gugu Mbatha-Raw, Gabriel Basso, James Belushi, Jim Klock, Ritchie Montgomery, Christopher Berry, Lyndsay Kimball, Jason Kirkpatrick, Sean Bridgers, Mattie Liptak, Lucky Johnson
Kurzinhalt:
Für Anwalt Ramsey (Keanu Reeves) ist dies kein gewöhnlicher Prozess. Sein langjähriger Freund Boone (James Belushi) wurde ermordet – von dessen Sohn Mike (Gabriel Basso). Seither spricht Mike nicht mehr, scheint das Geschehen aber dennoch aufmerksam zu verfolgen. Vor Gericht lässt Staatsanwalt Leblanc (Jim Klock) mehrere Zeugen vorladen, darunter auch Boones Ehefrau Loretta (Renée Zellweger). Nicht nur sie erzählt von wüsten Beschimpfungen und Misshandlungen durch ihren Ehemann, die auch ihr Sohn bemerkt hat. Während Ramsey den Fall mit einer bestimmten Strategie zu kontrollieren versucht, kommen der ihm assistierenden Anwältin Janelle (Gugu Mbatha-Raw) Zweifel, ob sich der Mord so zugetragen hat, wie die Polizei es ermittelt hat. Und ob tatsächlich der wirkliche Mörder vor Gericht steht ...
Kritik:
Für ihr Spielfilmregiedebüt versammelt Courtney Hunt bekannte Gesichter vor der Kamera. Weswegen Keanu Reeves, Renée Zellweger und James Belushi sich jedoch entschieden, bei dem zurückhaltenden Gerichtskrimi The Whole Truth - Lügenspiel mitzuspielen, erschließt sich nicht wirklich. So routiniert der Film auch umgesetzt ist, er betritt ausschließlich bekannte Pfade und wächst nie über das hinaus, was die anfängliche Inhaltsangabe vermuten lässt. Zumindest fällt er nicht darunter.
Erzählt wird der Krimi aus dem Off von Anwalt Ramsey (Keanu Reeves). Für gewöhnlich ist es so, dass der oder die Kommentator/in am Ende eine Feststellung trifft, die das Geschehene oder was sich daraus im Nachgang entwickeln wird, kurz umreißt. Hier streut Ramsey immer wieder Bemerkungen zum Stand des Verfahrens und was die Zusammenhänge angeht ein, aber es ist erst in der allerletzten Einstellung (die dieselbe ist wie zu Beginn), dass man erfährt, dass was geschehen ist, ein Rückblick gewesen sein soll.
Ramsey verteidigt Mike, den Sohn einer befreundeten Familie, der seinen Vater erstochen haben soll. Seit seiner Verhaftung spricht der Junge nicht mehr, auch nicht mit seinem Anwalt. Das spielt dem Staatsanwalt in die Hände, der die Aussage einer Polizistin vorbringt, laut der Mike gestanden haben soll.
Im Rahmen des Verfahrens rollt die Regisseurin das Geschehen neu auf, stellt in Rückblicken das Opfer, Boone, als herrschsüchtigen Ehemann und Vater vor, der seine Frau nicht nur verbal misshandelt hat. Das wäre umso interessanter, wäre das Publikum an Stelle der Geschworenen, die den Fall nur auf Grund dessen, was vor Gericht besprochen wird, beurteilen müssten. Doch wir erfahren mehr, sehen in kurzen Rückblenden, wie mehrere Zeugen Schlüsselmomente der sich angeblich stets verschlechternden Beziehung zwischen Mike und Boone wahrgenommen haben. Mehr als das, streut Lügenspiel kurze Szenen ein, die die Personen nur vor Augen sehen, selbst wenn sie nicht darüber sprechen. Das soll es wohl schwerer machen, die Wahrheit hinter den Aussagen zu erkennen.
Selbst wenn sich der Krimi lange Zeit bedeckt hält und es schwer macht, die Geschehnisse an jenem Tag zu erahnen, eine Wendung, die im letzten Drittel vorgebracht wird, ist keine wirkliche Überraschung. Dafür allerdings, dass selbst am Ende die Motivation hinter dem Mord nicht vollends klar wird.
Die junge Anwältin Janelle soll Ramsey bei dem Fall unterstützen und ahnt bereits, dass nicht alles so geschehen sein kann, wie es die Zeugen, oder die von Ramsey vorgestellte Version der Wahrheit es behaupten. Doch auch ihre Figur verabschiedet sich am Ende der nur eineinhalb Stunden sang- und klanglos, ohne dass ihre Erkenntnis irgendwelche Auswirkungen auf die übrigen Charaktere oder den Verlauf der Verhandlung haben würde.
Auch wenn die Ausgangslage, die Drehbuchautor Nicholas Kazan entwirft, nicht wirklich neu ist, sie funktioniert in ihrer ruhigen Erzählweise auf eine routinierte Art und Weise. Allerdings würde man erwarten, dass wenn in der zweiten Filmhälfte die verschiedenen Diskrepanzen der vor Gericht vorgebrachten Versionen immer offensichtlicher werden, Lügenspiel auch eine wirkliche Wendung nimmt und sich in eine andere Richtung entwickelt. Doch stattdessen endet der Prozess, wie Genrefans es nach den ersten Minuten bereits erwarten würden. Danach ist der Film einfach vorbei, ohne einen Epilog, ohne eine letztliche Aussprache oder einen wirklichen Abschluss.
Ein ebenso unfertiges Gefühl bleibt entsprechend auch beim Publikum.
Fazit:
So erfrischend es ist, James Belushi wieder vor der Kamera zu sehen, so kurz ist auch sein Auftritt. Seine Darbietung als unsympathischer, gewalttätiger Ehemann und Vater ist nicht außergewöhnlich, aber ebenso routiniert wie bei Keanu Reeves. Einzig Renée Zellweger ist etwas mehr gefordert. Filmemacherin Courtney Hunt verlangt ihren Darstellern nicht mehr als das Mindestmaß an Engagement ab. Dafür ist die Inszenierung durchweg tadellos, wenn auch nicht überaus einfallsreich gelungen. Über das Niveau einer TV-Produktion kommt The Whole Truth - Lügenspiel nie hinaus. Das ist insofern bedauerlich, da selbst der absehbare Ausgang der Story mit einem komplexeren dritten Akt, in dem die junge Anwältin Janelle Ramseys Strategie mit ihren Vermutungen ins Wanken gebracht hätte, zumindest interessanter hätte sein können. Von einem solchen Einfallsreichtum ist der betont ruhig erzählte Krimi bedauerlicherweise weit entfernt.