The Tunnel - Die Todesfalle [2019]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. Mai 2021
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: Tunnelen
Laufzeit: 105 min.
Produktionsland: Norwegen
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Pål Øie
Musik: Ingo Frenzel, Lars Löhn, Martin Todsharow
Besetzung: Thorbjørn Harr, Ylva Fuglerud, Lisa Carlehed, Mikkel Bratt Silset, Ingvild Holthe Bygdnes, Peter Førde, Daniel Alexander Skadal, Per Egil Aske, Tor Christian Bleikli, Jan Gunnar Røise, William Øksnevad


Kurzinhalt:

Unmittelbar vor Weihnachten tritt der beim Räumdienst angestellte Stein (Thorbjørn Harr) seinen Urlaub an. Die Feiertage würde er gern mit seiner Tochter Elise (Ylva Fuglerud) und seiner neuen Freundin Ingrid (Lisa Carlehed) verbringen, doch Elise, die den Tod ihrer Mutter noch nicht verwunden hat, blockiert und setzt sich in den Expressbus, um ihre Großmutter zu besuchen. Als sich der Bus im neun Kilometer langen Storfjelltunnel befindet, gibt es ein verheerendes Unglück mit einem Tanklaster. Durch die starke Rauchentwicklung sind die Menschen im Tunnel eingeschlossen. Während Andrea (Ingvild Holthe Bygdnes) vom Notruf versucht, eine Rettungsaktion zu koordinieren, wird Stein als ehemaliger Feuerwehrmann ebenfalls rekrutiert. Er ahnt dabei nicht, dass seine Tochter in dem Tunnel in der Falle sitzt. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit …


Kritik:
Der norwegische Katastrophenfilm The Tunnel - Die Todesfalle bringt seine Geschichte durch den Filmtitel treffend auf den Punkt. Texttafeln zu Beginn informieren darüber, dass es in Norwegen über 1.100 Tunnel gibt, von denen die wenigsten über Notausgänge oder Schutzräume verfügen. Kommt es zu einem Brand in einem der teils mehrere Kilometer langen Tunnel, gilt das Selbstrettungsprinzip, sprich, man ist für sein eigenes Schicksal verantwortlich. Dass bei den acht bedeutenden Tunnelbränden in den vergangenen zehn Jahren keine Todesopfer zu beklagen wahren, führen die Macher auf den beherzten Einsatz des Rettungspersonals und viel Glück zurück. Anhand des neun Kilometer langen Storfjelltunnels zeigen sie ein Schreckensszenario, das über weite Strecken durchaus fesselt, am Ende jedoch bedauerlicherweise den von Hollywood gesteckten Genrekonventionen verfällt.

Im Zentrum der Erzählung steht der erfahrene, ehemalige Feuerwehrmann Stein, der inzwischen auf den verschneiten Straßen Norwegens für sichere Fahrt mit seinem Räumfahrzeug sorgt. Als es in dem Storfjelltunnel zur Explosion eines Tanklastwagens kommt, wird Stein hinzugezogen, die in dem dichten Rauch eingeschlossenen Menschen zu retten. Und das, obwohl der Brand deutlich auf der gegenüberliegenden Seite des Tunnels stattgefunden hat. Doch die dortigen Rettungskräfte müssen sich nach einem Schneesturm erst durch eine niedergegangene Lawine kämpfen, ehe sie überhaupt am Einsatzort eintreffen werden. Die Ausgangslage gestaltet The Tunnel dadurch noch dramatischer, dass Steins jugendliche Tochter Elise, mit der er sich kurz zuvor noch gestritten hat, sich ebenfalls im Tunnel befindet.

Die Ausgangslage baut Filmemacher Pål Øie auf, wie viele bekannte Katastrophendramen ebenfalls beginnen. Zahlreiche Figuren werden vorgestellt, deren Schicksal in diesem Tunnel zusammenläuft, von dem Fahrer des Unglückslasters angefangen, über die Passagiere des Reisebusses, in dem Elise sitzt, bis hin zu einer vierköpfigen Familie, die über die anstehenden Feiertage verreisen wollte. Hinzu kommen Nebenschauplätze wie die Notrufbearbeiterin Andrea, die das Drama aus einem ganz anderen Blickwinkel erlebt, sowie ein Tesla-Fahrer, der auf Grund seines rücksichtslosen Fahrstils der Katastrophe nur knapp entkommt. Dass sich das Publikum bestimmte Zusammenhänge und Hintergründe erschließen muss, weil die Beziehung der Figuren untereinander nicht eindeutig vorgestellt wird, ist ein erzählerisches Versäumnis, das man leicht verzeiht, denn wenn die Katastrophe erst einmal ihren Lauf nimmt, packt das persönliche Überlebensdrama auch dank der Inszenierung, die nah an den Figuren bleibt.

Dies wandelt sich zum Teil im Lauf des Films, wenn der Rauch innerhalb des Tunnels immer stärker wird. Dann geraten die Bilder teils derart dunkel und verwackelt, dass es tatsächlich schwerfällt, nachzuvollziehen, wer überhaupt zu sehen sein soll und was geschieht. Auch ist bei The Tunnel nicht nachvollziehbar, weshalb manche Figuren, die im Tunnel in ihren Autos geblieben sind, der Rauchvergiftung erliegen, während andere diese giftige Atmosphäre offenbar deutlich länger überleben konnten. Wer darüber hinaus hofft, von dem erfahrenen Lebensretter Stein Hinweise zu erhalten, wie man sich im Falle eines Tunnelbrandes verhalten sollte, ob es richtig ist, bei einer blockierten Straße umzudrehen und wieder herauszufahren, wird enttäuscht. Dies verkehrt sich beim Finale vielmehr ins Gegenteil, wenn sämtliche relevanten Figuren, ob mit entsprechender Ausbildung oder nicht, in den Tunnel stürzen, um zu helfen. So unglaubwürdig und klischeebeladen diese Storyentwicklung ist, sie wird noch übertroffen, wenn zum Ende des Finales, nachdem alles bereits überstanden scheint, noch etwas unerwartetes geschieht, ein Nachbeben gewissermaßen, welches das Schicksal mancher Figuren besiegelt. Dieser Moment, der so vorhersehbar wie unnötig ausfällt, wird gleichzeitig der betroffenen Figur nicht gerecht.

So endet The Tunnel schwächer, als der Film beginnt, und der Aufbau des Schreckensszenarios zählt zu seinen größten Stärken. Lässt man sich darauf ein, erwartet das Publikum ein atmosphärisches, eindrucksvoll gemachtes und gut gespieltes Katastrophendrama, das sich bei seit Jahrzehnten bekannten Versatzstücken des Genres bedient. Würde Filmemacher Øie vor allem im letzten Drittel nicht jedes absehbare Storymerkmal abhaken wollen, würde seine Mahnung, dass die Situation um die Tunnel in Norwegen durchaus gefährlich ist, überzeugender in Erinnerung bleiben.


Fazit:
Baut Regisseur Pål Øie nicht nur die zur Katastrophe führenden Umstände langsam auf, sondern führt auch seine Figuren dorthin zusammen, gelingt ihm zusammen mit den stimmungsvollen Aufnahmen und den eingestreuten Hintergrundinformationen eine unheilvolle Atmosphäre. Damit der weitere Verlauf der Geschichte packt, ist es notwendig, auch die Figuren genauer vorzustellen und ihre Hintergrundgeschichte zu verzahnen. Das ist kein Kritikpunkt, sondern sorgt dafür, dass man sich mit den Charakteren identifizieren kann. Nur wandelt The Tunnel - Die Todesfalle hier auf vielen bekannten Pfaden und ist das Unglück erst einmal geschehen, ist wie die Story sich entwickelt, weit absehbar. Dass das Katastrophendrama dennoch packt, ist nicht zuletzt der Besetzung und der handwerklichen Umsetzung zu verdanken. Auch Figuren wie Andrea, die am anderen Ende der Notrufleitung sitzt und das schreckliche Geschehen mithören muss, ohne eingreifen zu können, sorgen für frische Aspekte. Umso bedauerlicher, wenn der Film am Ende so gut wie jedes Klischee mitnimmt, das sich ihm bietet.