The Secrets We Keep - Schatten der Vergangenheit [2020]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 5. Oktober 2020
Genre: Drama / ThrillerOriginaltitel: The Secrets We Keep
Laufzeit: 97 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Yuval Adler
Musik: John Paesano
Besetzung: Noomi Rapace, Joel Kinnaman, Chris Messina, Jackson Dean Vincent, Amy Seimetz, Miluette Nalin, Madison Paige Jones, Jeff Pope, David Maldonado, Ed Amatrudo
Kurzinhalt:
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die aus Europa stammende Maja (Noomi Rapace) den Arzt Lewis (Chris Messina) geheiratet und ist mit ihm in die USA gezogen. Jahre später spielt Maja mit ihrem Sohn in einem Park, als sie das Pfeifen eines Mannes hört, der sie an jene Zeit des Krieges erinnert. Es gelingt ihr schließlich ihm zu folgen und sie ist überzeugt, in dem Raffineriearbeiter Thomas (Joel Kinnaman) jemanden wiederzuerkennen, der ihr schreckliche Dinge angetan hat, die sie bis zu diesem Tag in ihren Alpträumen verfolgen, und von denen sie Lewis nie erzählt hatte. So fasst Maja einen folgenschweren Plan – sie kidnappt Thomas, fesselt und knebelt ihn, und will ihn zu einem Geständnis bringen. Doch er beteuert seine Unschuld und während Lewis feststellt, dass er seine Frau im Grunde gar nicht kennt, entwickelt sich zwischen Thomas und Maja eine zermürbende Pattsituation …
Kritik:
Nach dem mehrfach prämierten Bethlehem - Wenn der Feind dein bester Freund ist [2013] und dem wenig beachteten Die Agentin [2019] bringt der israelische Filmemacher Yuval Adler mit The Secrets We Keep - Schatten der Vergangenheit eine Variation bekannter Themen auf die große Leinwand, die von der Ausgangslage der Figuren her wichtig genug wäre, dass sie einen besseren Film verdienen würde. Was ihm allenfalls gelingt, ist ein unterhaltsames Thriller-Drama, dessen Spannungspunkte zwar absehbar sind, das dank der Besetzung jedoch das Interesse des Publikums hält.
Im Zentrum des Films steht Maja. Etwa 15 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, zu Beginn der 1960er-Jahre, spielt sie mit ihrem Sohn im Park einer amerikanischen Stadt. Es könnte ein unbeschwerter Moment sein, doch liegt in ihrem Blick eine Traurigkeit, die kaum eine Darstellerin ihrer Generation derart gekonnt verkörpert, wie Noomi Rapace. Es ist beinahe, als wäre sie eine gebrochen Figur, ohne dass man wüsste, weshalb. Sie hört im Park einen Mann nach seinem Hund pfeifen und es besteht kein Zweifel, dass sie zumindest glaubt, ihn zu kennen. Wenige Zeit später trifft sie erneut auf ihn und folgt ihm zu seinem Haus. Ihren Mann Lewis weiht Maja nicht ein, obwohl er erwähnt, dass sie in der Vergangenheit schwere Zeiten durchgemacht haben. Sie sind, wie er später erfährt, nichts im Vergleich zu dem, was Maja viele Jahre zuvor angetan wurde. Sie ist überzeugt, dass der Mann, den sie gesehen hat, Thomas, ein SS-Soldat ist, der schreckliche Verbrechen an ihrer Schwester und ihr verübt hat. So lauert sie ihm auf, schlägt ihn nieder und schafft ihn schließlich in den Keller ihres Hauses, wo sie vor der Frage steht: Was tun?
Die Ausgangslage von The Secrets We Keep erinnert stark an Roman Polanskis Filmadaption des Theaterstücks Der Tod und das Mädchen [1994]. War jenes Drama ein Kammerspiel, gibt sich Adler in seiner Erzählung, zu der er auch am Drehbuch mitschrieb, spürbar Thriller-lastig. Nicht nur, weil Maja ihren möglichen Peiniger erst dann in den Keller bringt, nachdem sie ihn nicht in einem bereits von ihr ausgehobenen Loch im Boden verscharren kann. Maja sucht Thomas’ Frau und ihre zwei Kinder auf, um mehr über ihn zu erfahren, denn er gesteht freilich nicht, ob er ein geflohener Nazi-Verbrecher ist. Hat Maja ihren Mann über alles informiert, versucht Thomas nicht, einen Keil zwischen ihn und seine Frau zu treiben, oder sie gegeneinander auszuspielen. Werden die Auswirkungen von Majas traumatischem Erlebnis an ihr sichtbar, versucht sich der Film nicht einmal als psychologischer Thriller. Dafür beschäftigt er sich schlicht zu wenig mit dem vermeintlichen Antagonisten. So bleibt, bei aller Überzeugung von Thomas’ Schuld durch Maja, letztlich zu wenig Zweifel, dass das Publikum sich dauerhaft die Frage stellen würde, ob Thomas der Verbrecher ist, den sie in ihm sieht.
Die Geschichte wird weitgehend in vorhersehbaren Bahnen erzählt, selbst wenn einige Entwicklungen im letzten Drittel wenig plausibel und eher als Service für das Publikum so geschrieben scheinen. Dabei greift das Drehbuch im Kern ein wichtiges und ebenso erschütterndes Thema auf: Die an Frauen verübten, unaussprechlichen Verbrechen im Zuge bzw. am Ende des Zweiten Weltkriegs und darüber hinaus. Mehr sei hier dazu nicht gesagt. Dieses Thema aufzuarbeiten, wäre wichtig, doch ist eine Pattsituation, bei der aus dem möglichen Täter ein Geständnis erpresst werden soll, während er tagelang gefangen gehalten wird, nicht die angemessene Bühne dafür. Dass die Erinnerungen, die Maja seit Jahren verfolgen, wieder und wieder eingeblendet werden, lässt The Secrets We Keep - Schatten der Vergangenheit wirken, als wollte man durch reißerische Bilder das Publikum auf Majas Seite ziehen, obwohl Noomi Rapace dies allein durch ihre Mimik und Gestik bereits längst gelungen ist. Dabei gibt es an Yuval Adlers sonstiger Inszenierung nichts zu bemängeln. Kamera und Schnitt sind ordentlich und stellenweise darum bemüht, ungewohnte Perspektiven zu finden. Orchestriert erscheinen die Momente jedoch nicht. Die tadellose Musik lässt dabei oftmals schon im Vorfeld anklingen, welche Richtung der jeweilige Moment einschlagen wird. Die grundlegende Vorhersehbarkeit ist es, die das Drama am Ende unnötig prägt. Hier hätten alle Beteiligten einen einprägsameren Ansatz verdient.
Fazit:
Insbesondere das Ende lässt das Publikum mehr fragend zurück, denn mit einem Abschluss. In der zentralen Rolle ist Noomi Rapace schlicht erstklassig. Die Wut und Verzweiflung bringt sie ebenso zur Geltung wie Majas Furch und ihre Stärke. The Secrets We Keep - Schatten der Vergangenheit ist spürbar ein Porträt dieser Figur, doch das Drama schreibt ihr keine Entwicklung zu. Der halbherzige Versuch einer polizeilichen Ermittlung erstickt das Drehbuch ebenso im Keim, wie bei Maja Zweifel zu säen, wenn sie die Frau und Kinder des Mannes kennenlernt, den sie in ihrem Keller foltert. Wie Maja damit auf ihren eigenen Sohn wirkt, stellt der Filmemacher gar nie in Frage. Auch streut er kaum Zweifel, ob Thomas der Mann ist, den Maja zu erkennen glaubt. So erscheint der Schluss weder wie eine Erlösung, noch wie eine Aussage, wie irgendjemand mit der Schuld, die ihn (oder sie) begleitet, leben kann. Das macht das Drama, dessen Thrilleraspekt einer besseren Vermarktung anstatt einer inhaltlichen Notwendigkeit geschuldet scheint, schließlich in vielen Belangen oberflächlich, wenn auch zugänglicher. Sowohl die Beteiligten als auch das wichtige Thema im Hintergrund hätten hier jedoch mehr verdient.