The Mortuary - Jeder Tod hat eine Geschichte [2019]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. Oktober 2020
Genre: Fantasy / Horror

Originaltitel: The Mortuary Collection
Laufzeit: 108 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Ryan Spindell
Musik: Mondo Boys
Besetzung: Clancy Brown, Caitlin Custer, Christine Kilmer, Jacob Elordi, Ema Horvath, Jennifer Irwin, James Bachman, Barak Hardley, Sarah Hay, Ben Hethcoat, Mike C. Nelson, Brennan Murray, Michael Bow, Tom Woodruff Jr.


Kurzinhalt:

Weit abgelegen steht die Leichenhalle in Raven’s End und seit vielen, vielen Jahren kümmert sich Montgomery Dark (Clancy Brown) dort um die Toten. Er kennt all ihre Geschichten, weiß, wer sie waren und was sie letztendlich zu ihm geführt hat. Eines Tages sucht ihn die junge Sam (Caitlin Custer) auf. Sie hat gesehen, dass er eine offene Stelle zu besetzen hat. Im Zuge des Rundgangs durch das alte Leichenschauhaus beginnen sie sich zu unterhalten und der Bestatter erzählt der jungen Frau Geschichten von den Menschen, die in Raven’s End gestorben sind …


Kritik:
„Die Welt besteht nicht aus Atomen, sondern aus Geschichten“, lässt Filmemacher Ryan Spindell seine überaus charismatische Hauptfigur, den Bestatter Montgomery Dark, zu Beginn seiner Gruselgeschichtenanthologie sagen. Derer erzählt The Mortuary - Jeder Tod hat eine Geschichte vier an der Zahl, beziehungsweise sogar fünf. Was auf den ersten Blick wie altbekannte Kost erscheint, besitzt nicht nur Charme, sondern belebt das Genre auf geradezu erfrischende Weise.

Mit dem ebenfalls produzierenden Clancy Brown in der stimmungsvollen Hauptrolle, erinnert die Sammlung einzelner Horrorgeschichten, die von einer Rahmenhandlung zusammengehalten werden, ein wenig an Geschichten aus der Gruft [1989-1996], mit dem Unterschied, dass jene Serie alle nur erdenklichen Szenarien bereits vorgestellt hatte. Es ist ein Umstand, der Spindell durchaus bewusst ist, spielt er doch mehrmals darauf an, dass die einzelnen Segmente recht vorhersehbar sind. Und das, obwohl er selbst für das Skript verantwortlich zeichnet und sogar seinen eigenen Kurzfilm The Babysitter Murders [2015] als letztes Segment mit einbaut.
Die Rahmengeschichte ist in den 1980er-Jahren in der kleinen Inselstadt Raven’s End angelegt. Dort sucht die junge Frau Sam das Leichenschauhaus von Montgomery Dark auf. Dank der stimmungsvollen Bilder, der unheilvollen Perspektiven und der im Haus bemerkenswert stilvollen Ausstattung zeichnet der Film vom ersten Moment an ein beunruhigendes Porträt, das doch mit einem Augenzwinkern erzählt ist.

Sam interessiert sich für die offene Stelle in der Leichenhalle. Beide kommen ins Gespräch, das dazu führt, dass der Bestatter ihr Geschichten erzählt, was mit den Toten, die er bestattet hat, geschehen ist – und wieso. Vier Stories gibt es insgesamt, die bis auf die letzte, um die Babysitter-Morde, keinen Titel haben. Sie spielen jeweils in unterschiedlichen Zeiten, die erste in den 50er-Jahren, die zweite in den 60ern, die dritte in den 70er-Jahren. So unterschiedlich die Themen, die Geschichten werden im Verlauf nicht nur brutaler, sondern auch düsterer und persönlicher.
Handelt die erste, kurze Story von einer jungen Frau, die hinter einem Badschrankspiegel das Grauen entdeckt, geht es in der zweiten um den College-Studenten Jake, der eine folgenschwere Nacht mit der zurückhaltenden Sandra verbringt. In der dritten lässt sich Wendell zu einer schwerwiegenden Entscheidung hinreißen. Seine Frau Carol ist schwer krank und schon lange nicht mehr ansprechbar. Angesichts der sich auftürmenden Rechnungen und in Anbetracht das glücklichen Lebens, das ihm verwehrt bleibt, entschließt er sich zu einer Tat, die für keinen der beiden gut ausgeht.

Alle Geschichten in The Mortuary - Jeder Tod hat eine Geschichte haben eine eigene Aussage, die jedoch allzu offensichtlich präsentiert wird. Tatsächlich werden sie von Sam oder Montgomery sogar ausgesprochen. Dabei gibt es allerdings auch feinere Beobachtungen bei den Figuren. Der muskulöse und selbstsichere Frauenschwarm Jake war einst das genaue Gegenteil. So viel Zeit er auf sein Äußeres verwandt hat, so sehr ist er innerlich verkümmert bis zu dem Moment, dass er sich selbst nicht mehr ausstehen kann. Am Brautpaar Wendell und Carol wird eine Tragödie und ein Dilemma erzählt. Wenn Horrorgeschichten einen gesellschaftskritischen Kommentar beisteuern, ist dagegen grundsätzlich nichts einzuwenden. Wie offenkundig dies hier getan wird, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass der Ablauf der Stories alles andere als unvorhersehbar ist, ist jedoch beinahe aufdringlich. Umso erfreulicher, dass Spindell dem dadurch entgegenwirkt, dass sich die Geschichten dieser Umstände bewusst sind und sie mit Augenmerk auf den Humor erzählt werden. Dies macht es auch erträglicher, wenn an den Figuren – wenig zimperlich – Exempel statuiert werden.

Obwohl die einzelnen Stories unabhängig voneinander bestehen könnten, streut der Filmemacher dennoch Verknüpfungen zwischen ihnen ein. Seien es wiederkehrende Figuren, oder auch die Verbindung mit der Rahmenhandlung, über die an dieser Stelle nicht mehr verraten sein soll. Dass es den Machern außerdem gelingt, bei der im Grunde vorhersehbarsten Geschichte von allen eine ungeahnte Überraschung einzubauen, ist mehr als nur erfreulich. Es zeigt, dass der Regisseur seinem Publikum mehr zutraut, als umgekehrt. In Anbetracht manch ernster Hintergründe der einzelnen Geschichten, braucht es eine große Portion Fingerspitzengefühl, um Horror und Humor treffend auszubalancieren. The Mortuary - Jeder Tod hat eine Geschichte gelingt dies bemerkenswert gut. Auch dank der stimmungsvollen Musik, die den Bildern eine angemessene Atmosphäre verleiht.

Regisseur und Autor Ryan Spindell präsentiert mit sicherer Hand eine beinahe nahtlose Verblendung von verschiedenen Stilrichtungen. Mit einer Ausstattung, die bei Fernsehern, Aufzügen oder Gebäuden so aussieht, als stamme sie aus den 1950er-Jahren, während die Kleidung durchaus modern erscheint, offenbart der Episodenfilm mehr Liebe zum Detail, als man ihm auf den ersten Blick zutrauen würde. Abgerundet wird dies durch eine gute Besetzung und eine interessante Optik, bei der manche Perspektiven wie die Zooms in der zweiten Geschichte jedoch zu sehr in den Vordergrund rücken. Auch wenn viele Horror-Momente vom Aufbau her bekannt sind, funktionieren sie nichtsdestotrotz dank der kompetenten Umsetzung. Nicht nur bei dem von Clancy Brown gespielten Bestatter kann man dabei eine außergewöhnlich gute Maskenarbeit bewundern. Die Trickeffekte insgesamt sind beeindruckend. Fans des Genres können sich entsprechend gruseln und erschrecken lassen.


Fazit:
Die humorvollen Horror-Kurzgeschichten sind inhaltlich nicht alle überraschend, aber tadellos umgesetzt. Außerdem werden sie von Episode zu Episode unheimlicher, der Humor düsterer. Dass der Witz auch in der Inszenierung zur Geltung kommt, ist einfallsreich und erfrischend. Schade allerdings, dass sich die Macher gewissermaßen selbst die Chance verbauen, diesem Geschichtenerzähler erneut einen Besuch abzustatten, um sich eine weitere seiner Stories anzuhören. Auch als Serienformat könnte das durchaus funktionieren. Für Horror-Fans mit einem Hang zum düsteren Humor ist The Mortuary - Jeder Tod hat eine Geschichte nicht nur eine klare Empfehlung, sondern geradezu erfrischend altmodisch.