The Last Duel [2021]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 8. Oktober 2021
Genre: Drama

Originaltitel: The Last Duel
Laufzeit: 153 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Ridley Scott
Musik: Harry Gregson-Williams
Besetzung: Jodie Comer, Matt Damon, Adam Driver, Ben Affleck, Harriet Walter, Nathaniel Parker, Sam Hazeldine, Michael McElhatton, Alex Lawther, Marton Csokas, Željko Ivanek, Clive Russell, Adam Nagaitis, Bosco Hogan


Kurzinhalt:

Am 19. Dezember 1386 wird in Paris das letzte vom König offiziell sanktionierte Duell ausgetragen zwischen dem Ritter Jean de Carrouges (Matt Damon) und dem Junker Jacques Le Gris (Adam Driver), der in der Gunst des Grafen Pierre d’Alençon (Ben Affleck) steht, dem Cousin des Königs. Grund für das Duell ist die Anschuldigung, dass Jacques Jeans Frau Marguerite (Jodie Comer) vergewaltigt haben soll. Dabei geht die Beziehung der beiden Männer mehr als ein Jahrzehnt zurück und war ursprünglich sogar freundschaftlich, nachdem einer das Leben des anderen gerettet hatte. Doch Jeans Mut, mit dem er sich mit seinem Leben für König und Vaterland einsetzt, wird getrübt durch sein fehlendes Talent in Politik, so dass er bei anderen Grundbesitzern und dem Adel nicht angesehen ist. Jacques andererseits ist nicht nur bei den Frauen beliebt, sofern findet in dem Grafen Pierre einen Fürsprecher. So wird die Fehde mit Jean nur erbitterter. Dreht sich augenscheinlich das Duell um die Ehre der beiden Männer, sollte doch eigentlich nicht nur die Gewalt, die Marguerite angetan wurde, im Zentrum stehen, sondern auch, was ihr droht, wenn Jean verliert …


Kritik:
Es ist leicht, große Hollywoodproduktionen, die sich mit historischen Ereignissen befassen, für Ungenauigkeiten bei der Darstellung von geschichtlichen Geschehnissen zu kritisieren. Oder dafür, dass in einer im Frankreich des späten 14. Jahrhunderts angesiedelten Nacherzählung keine französische Besetzung zu sehen ist. Doch gerade im Fall von Ridley Scotts The Last Duel würde dies davon ablenken, dass sich der Filmemacher eines Themas annimmt, das nur oberflächlich vom letzten, von offizieller Stelle genehmigten Duell in Frankreichs Geschichte handelt, und stattdessen eines aufgreift, das aktueller oder wichtiger kaum sein könnte.

Das Duell, so viel ist keine Überraschung, wird zwischen Jean de Carrouges und Jacques Le Gris ausgetragen, da letzterer beschuldigt wird, er habe Jeans Frau, Marguerite, vergewaltigt. Da Jacques die Anschuldigung bestreitet, bringt Jean den Fall zum König nach Paris, der nach einer Anhörung entscheidet, ob Jean seinen Willen bekommt – ein Duell der beiden Männer bis auf den Tod. Wer gewinnt, dem wird durch „göttliche Fügung“ des Kampfes Recht zugestanden. Die einzige Person, die nicht die Möglichkeit hat, sich selbst zu verteidigen, ist Marguerite. Insofern ist es treffend, dass von den drei Kapiteln, in die The Last Duel unterteilt ist, und die die jeweiligen Sichtweisen der Ereignisse beschreiben, ihres das letzte ist. Mit einem treffenden Zusatz bei der Einblendung.

Den Beginn macht Jeans Erzählung, den lange Zeit eine Freundschaft mit Jacques verbindet, immerhin hat er ihm im Kampf einst das Leben gerettet. Nicht nur dieser Umstand unterscheidet sich bei Jacques’ anschließender Sichtweise. Jean sieht sich selbst als wahren Ehrenmann, der trotz dass die Pest ihm Frau und Sohn nahm, für Vaterland und König kämpft. Doch er genießt nur wenig Ansehen, auch, weil Graf Pierre einen Groll gegen ihn hegt. Jeans Hoffnung, dass wenn er seinen Vater einst beerben wird, den angesehenen Hauptmann der Garnison von Bellême, er auch dessen Ruhm genießen wird. Weiter in Ungnade fällt Jean, als er die bildschöne Marguerite zur Frau nimmt, deren Vater die Krone verraten hat, aber rehabilitiert wurde. Jean selbst sieht die Beziehung harmonisch und Jacques’ Tat als eine Ehrverletzung, die geahndet werden muss.
Die Frage, die nur kurz im Raum steht, was sich tatsächlich zwischen Jacques und Marguerite zugetragen hat, wird im zweiten Kapitel beantwortet, das die Ereignisse aus der Sicht des Junkers Le Gris beschreibt. Er sieht sich als derjenige, der nach einer schmachvollen Fehde auf Jean de Carrouges zugegangen ist. Der Graf suchte seine Nähe und belohnte ihn für seine Dienste unter anderem mit einem Stück Land, das Jean als Mitgift für Marguerite versprochen war. Seine vielen Frauengeschichten bestreitet er nicht und auch nicht, dass es zu einem Ehebruch zwischen ihm und Marguerite kam, in die er sich unsterblich verliebt habe. Gegen ihren Willen sei dies aber nicht geschehen und ihre Bekundungen, sie wolle dies nicht, ihre Erwehrungen, wären nur dem Umstand geschuldet, dass sie eine ehrenwerte Dame sei.

Es ist eine Beschreibung, die in mehrerer Hinsicht fassungslos macht. Sei es, wie „verfügbar“ Frauen allein für Männer im Allgemeinen oder Jacques bzw. Pierre im Speziellen sind (wenigstens sind die Männer der Auffassung, dem wäre so), oder dass Jacques trotz dem, dass Marguerite immer wieder sagt, sie wolle das nicht, dass sie flieht und sich wehrt, er es für sich so wahrnimmt, als wollten sie es beide. Sowohl Jean als auch Jacques haben eine verzerrte Wahrnehmung von sich und ihrer Wirkung auf andere. Wie verheerend dies ist, verdeutlicht Filmemacher Ridley Scott im Letzten der drei Kapitel, das die Ereignisse aus Marguerites Sicht schildert. Der warmherzige, missverstandene Jean weicht dort einem harten Mann, dessen größte Sorge sein Ruf und ein männlicher Nachkomme sind, so dass er seiner Frau etwas Undenkbares antut, nach ihrer Schilderung der Vergewaltigung. Jacques ist augenscheinlich derselbe, bis auf die Wirkung, die seine Handlungen gegen Marguerite haben.

Hier verlagert The Last Duel die Perspektive auf sie, lässt das Publikum an ihrem Martyrium teilhaben, das durch Jacques’ Vergewaltigung erst beginnt. Zu sehen, wie sie von Freundinnen gemieden wird, bei der öffentlichen Anhörung erniedrigt, ist erschütternd und beschämend. Umso mehr, wenn der Film Parallelen zu unserer Zeit aufzeigt, in denen mit haarsträubenden Anschuldigungen und Pseudowissenschaften das Opfer diskreditiert wird. Hört man heutige Urteilsbegründung in Vergewaltigungsprozessen, die eine Mitschuld der Opfer durch ihre Kleidung sehen, ist dies keinen Deut besser, als wenn sich die schwangere Marguerite anhören muss, da sie ihrem Jean in Jahren kein Kind gebären konnte, sie wohl offenbar in Jacques verliebt sein müsse. Denn ohne verliebt zu sein, könne man nicht schwanger werden – und war sie verliebt, könne es keine Vergewaltigung gewesen sein.
Diese absurden Thesen, im besten Falle noch von Vertretern der mächtigen Kirche zu hören, macht unvorstellbar wütend und das nicht nur, wenn sie Jacques raten, die Anschuldigungen vor der Gerichtsbarkeit des Klerus anzunehmen, wo Vergewaltigung zumeist nicht anerkannt wird. Und es unterstreicht, wie wenig sich in mehr als einem halben Jahrtausend an unserer Gesellschaft geändert hat. All diese Aspekte arbeitet das Drama gelungen heraus, bringt sie aber erst spät zum Vorschein. So ist die berechtigte Frage, ob die Vorstellung der beiden männlichen Perspektiven, die sich zum Teil auch auf die Darstellung der zahlreichen Schlachten verlassen, in der Ausführlichkeit notwendig ist. So interessant die Differenzierung, sie sorgt am Ende dafür, dass Marguerite weniger Raum eingeräumt und der Film insgesamt nur länger wird.

Die Schlachten sind kompetent eingefangen, unterstreichen aber, da bis auf Jean und Jacques keine nennenswerten Figuren vorkommen, lediglich die Brutalität jener Zeit. Allzu packend sind sie nicht. Dafür wartet The Last Duel mit einer glaubhaften Rekonstruktion des Lebens in jener Zeit auf. Die Kostüme sind tadellos, die Kampfszenen so wie die Bilder aus den Städten hinsichtlich der Massen geradezu erschlagend und auch die Bauten eindrucksvoll. Abseits der dargestellten Gewalt und den abgetrennten Gliedmaßen, ist was Marguerite hier widerfährt, sowohl durch die Männer jener Zeit als auch vor Gericht, die größte Gräueltat. Dies mitanzusehen, ist zum Ende hin unversehens und überaus belastend, aber gerade deshalb wichtig.


Fazit:
Sagt der von seiner Wirkung auf Frauen überzeugte Jacques zu der verheirateten Marguerite „Ihr liebt mich auch. Ihr müsst.“, dann zeugt das von einem vollkommen entrückten Selbstverständnis. Wie lebensfeindlich die (damalige) Realität geschildert wird, sieht man auch daran, dass Marguerite ihrem Mann ein Kind schenken möchte, während Jean sich lediglich einen Sohn wünscht, oder daran, dass Vergewaltigung kein Verbrechen gegen die Frau darstellt, sondern ein Eigentumsdelikt gegen ihren Vormund – den Ehemann. Erkenntnisse wie diese summieren sich im letzten Drittel des insgesamt stark und vor allem von Jodie Comer als Marguerite und Adam Driver als Jacques Le Gris beängstigend gespielten Dramas. Marguerites Darstellung der Ereignisse, die das Unrecht, das ihr angetan wurde, ins Zentrum rückt, entfaltet eine Wucht abseits der Eitelkeiten der Männer, dass es zum Teil sprachlos macht. Die Darstellung dessen, was sich hier abspielt, ist nicht immer einfach zu ertragen, doch es macht umso begreiflicher, weswegen jedes „Nein“ ein „Nein“ ist, das es auch zu akzeptieren gilt. Trotzdem erscheint The Last Duel insgesamt dennoch zu lang, ergänzt durch viele Schlachtszenen, mit denen Filmemacher Ridley Scott vermutlich ein breiteres Publikum anlocken möchte, um seine entscheidende Aussage zu transportieren. All das ist so aufwändig wie gut gefilmt, mit einer erstklassigen Besetzung, der es – auch wenn sie keine französische ist – gelingt, das Schicksal der Figuren begreiflich zu machen. Als Charakterdrama, als Porträt dieser Figuren, ist das nicht nur gelungen, es sagt in einer vor mehr als 600 Jahren angesiedelten Geschichte mehr über unsere Zeit, als viele in der heutigen Zeit angesiedelte Produktionen, und das stellenweise so beißend, dass man die Botschaft gar nicht überhören kann. Nicht einfach, aber sehenswert.