The Gathering – Blicke des Bösen (Director's Cut) [2002]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 30. Januar 2005
Genre: HorrorOriginaltitel: The Gathering
Laufzeit: 94 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Brian Gilbert
Musik: Anne Dudley
Darsteller: Christina Ricci, Ioan Gruffudd, Stephen Dillane, Kerry Fox, Simon Russell Beale, Robert Hardy, Harry Forrester, Jessica Mann, Peter McNamara
Kurzinhalt:
Durch einen tragischen Unfall wird die Gemeinde im englischen Ashby Wake wachgerüttelt; ein junges Paar stirbt durch einen Sturz in eine verschüttete Kirche. Wie der Kunsthistoriker Simon Kirkman (Stephen Dillane) feststellt, handelt es sich dabei um ein christliches Gotteshaus aus dem ersten Jahrhundert nach Christus, bei dem einige überlebensgroße Statuen erstaunlich gut erhalten sind.
Selbst als seine Frau Marion (Kerry Fox) Cassie Grant (Christina Ricci) anfährt, ist Simon kaum von dem Fund abzubringen. Da Cassie unter Gedächtnisschwund leidet, wird sie von Marion zum Bleiben in dem großen Anwesen überredet, doch seit dem Unfall plagen Visionen und Albträume die junge Frau.
Während Simon versucht, vom Priester Luke Fraser (Simon Russell Beale) mehr über die Statuen heraus zu bekommen, überrascht ihn Cassie mit einer höchst beunruhigenden Feststellung: sie hat die dort unten abgebildeten Menschen in Ashby Wake gesehen – und zwar sehr lebendig.
Kritik:
In Deutschland lief The Gathering im Sommer 2003 kurz im Kino; die britisch-amerikanische Koproduktion wurde seither unter anderem in Island, Norwegen, Polen, Belgien, auf den Philippinen und auch der arabischen Halbinsel Bahrein veröffentlicht – aber weder in Großbritannien, noch den USA. Was sich dann wohl hinter einem solchen Film verbirgt, können manche Zuschauer nur zu gut abschätzen und meiden sie daher konsequent. Ganz so schlimm steht es um Brian Gilberts Werk zwar nicht, aber bedenkt man die überaus interessante Grundgeschichte, ist es doch sehr ärgerlich, was das unausgegorene Drehbuch im Endeffekt daraus macht. Daran hat der krude zusammen gewürfelte Schnitt sicher ebenso Schuld, was auch in der vom ZDF dankenswerterweise ausgestrahlten längeren "Director's Cut"-Fassung sichtbar bleibt.
Der Hauptknackpunkt liegt jedoch beim Skript, bei dem es Autor Anthony Horowitz (unter anderem Erfinder der Serie Foyle's War [seit 2002]) leider nicht gelingt, Charaktere zu erschaffen, für die man sich als Zuschauer auch interessieren würde. So wird weder das Familiendrama näher beleuchtet, in dem die zweite Frau und Stiefmutter ihre Mühe mit den Kindern hat, noch der sich immer weiter zurück ziehende Familienvater – auch der verschlossene Sohn erscheint dem universalen Klischeedrehbuch entliehen.
Zudem wird auf Cassies Amnesie lange keinen Wert gelegt (am wenigsten von ihr selbst!), sodass man diesen Storyaspekt nach kürzester Zeit fast schon verdrängt. Das Setting in England ist dabei überaus interessant und unheimlich. Auch die verschüttete Kirche mit ihren Furcht einflößenden Statuen und ihre eigentliche Geschichte ist eine wirklich sehr gute Idee, aber im Endeffekt wirken die beiden Storys auf Krampf mit einander verstrickt und zu guter Letzt begeht das Skript einen fatalen Fehler, indem es einen der "Schaulustigen" tatsächlich eingreifen und den Lauf der Dinge verändern lässt – wer sich da noch wundert, weswegen die Figuren bisweilen vollkommen irrsinnige Entscheidungen treffen, Dinge tun, die kein normaler Mensch tun würde, sich mit Dialogen bewerfen, die so steif, verkorkst und einfallslos klingen und bei den meisten Gesprächen immer dann abgebrochen wird, wenn eine interessante Bemerkung kommen müsste, der hat schon zu viel Zeit darauf verwandt, über die halbfertige Vorlage nach zu denken.
Die Darsteller stapfen darum mehr oder weniger motiviert durch die bisweilen guten Kulissen, werfen sich die ominösen Dialogbrocken entgegen und sitzen dabei doch nicht mehr als ihre Zeit vor der Kamera ab.
Einzig Simon Russell Beale gelingt es als Priester Fraser, eine Beziehung zum Zuschauer aufzubauen und das nicht nur, weil er der einzige ist, der hinter den ganzen Spuk kommt. Christina Ricci mimt ihre Rolle zwar routiniert, aber doch eher gelangweilt und abgesehen von einem erschreckten Blick hat sie nicht viel zu tun.
Enttäuschend ist auch Ioan Gruffudd, der als geheimnisvoller Freund Cassies eine derart blasse Vorstellung abliefert, dass er in seinen wenigen Szenen fast schon unfreiwillig für Lacher sorgt, was auch an seinem festgefrorenen Gesichtsausdruck liegen mag. Stephen Dillane und Kerry Fox mimen ihre Sache zwar ohne Engagement, aber wenigstens überzeugend und vom Hauptcast mimt allenfalls Peter McNamara als Frederick Argyle seine Sache gut – auch wenn seine Storyentwicklung in den letzten Minuten mehr als nur weit hergeholt ist.
Die Darsteller geben sich merklich wenig Mühe, die ohnehin platten Figuren zum Leben zu erwecken, kein Wunder also, dass man als Zuseher keine Verbindung zu ihnen aufbauen kann. Stattdessen betrachtet man ein leidlich gespieltes Mysteryhorrordrama, dessen Mimen stets wirken, als wollen sie einem etwas verkaufen, woran sie selbst nicht glauben.
Daran konnte wohl auch Regisseur Brian Gilbert nichts ändern, der mit Nicht ohne meine Tochter [1991] ein exzellent gespieltes Drama in die Kinos brachte. Inszenatorisch gibt er sich zwar routiniert, kleidet seinen Film in düstere, bisweilen interessant choreographierte Bilder, die durch einige gute Kamerafahrten aufgewertet werden, aber dennoch wird man bei vielen Szenen das Gefühl nicht los, man habe sie in anderen Filmen bereits besser umgesetzt gesehen.
Was bei Cassies Visionen zudem die überstrahlenden Flächen kombiniert mit der ruckeligen, grieseligen Kamera zu suchen haben, wird sein Geheimnis bleiben. Dadurch wirken die Szenen weitaus weniger bedrohlich und vor allem einer billigen Videoproduktion entnommen. Ebenso die urplötzlichen Zeitlupen, sobald Cassie im Alltag ihre Visionen ertragen muss.
Wohl eher dem Drehbuch zuzuschreiben sind die abrupten Szenenwechsel, die The Gathering einen so gehetzten, unfertigen Eindruck verleihen; aber auch hier scheint die Schnittarbeit nicht das letzte Quäntchen aus den Sequenzen heraus zu holen. Wo sich Gilbert zu Beginn sehr viel Zeit nimmt und dem Zuschauer die beunruhigende Kirche zeigt, wechseln sich später lange Dialogszenen ab, die immer wieder um nichts Wichtiges kreisen und außer Langeweile keine besondere Stimmung verbreiten.
So hinterlässt der Film handwerklich einen durchwachsenen Eindruck, die Bilder selbst sind zwar meistens gut geraten, doch der mangelnde Einsatz von Filtern, Licht und Schatten-Spielen, oder auch eine ausgeklügelte Schnittarbeit, beenden viele Szenen vorschnell und kosten das überzeugende Setting nicht aus.
Musikalisch gelang Anne Dudley (American History X [1998]) ein durchgängig atmosphärischer Score, der sich auch gut an die Szenen anpasst, aber einen Wiedererkennungswert vermissen lässt. Sie sorgt zwar häufiger durch ihre Musik und das laute, unvermittelte Einspielen derselben für Erschreckmomente und eine unheimliche Stimmung, doch wird der Film dem nicht gerecht.
Mit den fast schon klassischen Scores von James Newton Howard für das Mysterygenre (The Sixth Sense [1999], Signs – Zeichen [2002]) kann Dudleys Soundtrack zwar nicht mithalten, aber prinzipiell ist es eine passende Untermalung für das überaus viel versprechende Grundthema.
Bedeutend spannender als der eigentliche Film, ist der Hintergrund, wie der Director's Cut überhaupt zustande kam, und weswegen The Gathering bis heute nicht in den USA im Kino lief.
Mit ihrem Horrorthriller The Hole [2001] gelang der britischen Produktionsfirma 'Granada' ein Überraschungserfolg. Selbigen wollten die Macher mit Brian Gilberts Film unbedingt übertreffen und blieben dann doch auf den Rechten für die Kinoauswertung sitzen. Das ZDF sicherte sich damals die Rechte an der Filmfassung, ehe der US-Verleih 'Miramax' Interesse zeigte und den Film für ein höheres Tempo um zehn Minuten kürzen ließ. Wenige Monate später erwarb 'Universum' die deutschen Verleihrechte von 'Miramax', was jedoch nur die gekürzte Fassung beinhaltete. Einzig das ZDF konnte im Januar 2005 den ungekürzten Director's Cut ausstrahlen, der nicht einmal auf DVD erhältlich ist.
Erst 2007 erschien The Gathering in den USA als Videoveröffentlichung.
Dabei machen die längeren Charaktermomente im "Director's Cut" den Film nicht unbedingt besser, sondern hauptsächlich länger.
Was bei der vom ZDF nachsynchronisierten Fassung zudem sehr stört ist einmal mehr die Synchronarbeit, wobei den Sprechern hier kein Vorwurf zu machen ist. Diese agieren allesamt überzeugend und routiniert, doch wie beim ZDF üblich, ist die Tonabmischung derart eindimensional und studiolastig geraten, dass jede natürliche Atmosphäre dabei verloren geht. So erklingen Gespräche genau so laut oder leise, deutlich oder undeutlich, ob die Figuren nun zwanzig Meter weit weg in einem Wald spazieren gehen, oder nebeneinander im Auto sitzen. Wenn sich zudem mitten im Gespräch ein Redner umdreht und nicht mehr in die Kamera spricht, man aber weder an der Lautstärke, noch der Akustik einen Unterschied bemerkt, haben die Verantwortlichen schlicht ihre Hausaufgaben nicht gemacht.
Doch das alles ändert am Endergebnis nur wenig; inhaltlich wartet Blicke des Bösen mit einer wirklich einfallsreichen und auch erzählenswerten Story auf, die nicht nur spannend hätte erzählt werden können, sondern auch eine Aussage besitzt. Und doch gelingt es dem Skript nicht, über die einspurigen Dialoge und die platten Figuren hinweg, eine richtige Spannung aufkommen zu lassen. Die Erschreckmomente rühren meist nur von laut eingespielten Geräuschen her und auch die Visionen wirken arg Klischee beladen.
Dabei wäre mit dem Höhepunkt zum Schluss durchaus ein treffendes Finale möglich gewesen, das auch zum Nachdenken anregen würde. Aber bis auf eine überdurchschnittlich gute Optik hat der Film leider nicht viel zu bieten; und diese ist in den ersten 15 Minuten auch sichtlich besser, als in den übrigen 75.
Für Fans von Christina Ricci ist das zwar interessant, alle anderen werden sich aber ärgern, was man aus der Grundidee hätte machen können.
Fazit:
Es gibt immer wieder Filme, bei denen dauert es Jahre, bis sie nach der US-Auswertung zu uns kommen – manchmal zu Unrecht. Auch umgekehrt scheint es nicht immer gerechtfertigt. Im Falle von The Gathering ist es jedoch eine zwiespältige Angelegenheit.
Natürlich gibt es deutlich schlechtere Filme, aber ärgerlich ist hier vor allem, dass die Story um die "Schaulustigen" wirklich interessant ausgefallen und das Design der verschütteten Kirche exzellent umgesetzt ist. Sieht man sich aber die gelangweilten Darsteller an, die XY-Sequenzen, die den wenigsten Zusehern einen Schauer über den Rücken jagen werden, die einfältigen Charaktere oder auch die halbgar erscheinenden Dialoge, kann man nicht umhin, Brian Gilbert eine Themaverfehlung vorzuwerfen. Diese ist zwar zum großen Teil auf das Skript zurück zu führen, doch deswegen nicht weniger fundamental.
Die Story eignet sich prinzipiell für ein Remake, alles andere sollte der neue Autor dann aber tunlichst über Bord werfen.