The American [2010]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 22. September 2010
Genre: Drama / Thriller

Originaltitel: The American
Laufzeit: 105 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2010
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Anton Corbijn
Musik: Herbert Grönemeyer
Darsteller: George Clooney, Violante Placido, Paolo Bonacelli, Johan Leysen, Thekla Reuten, Filippo Timi, Irina Björklund, Giorgio Gobbi, Lars Hjelm, Silvana Bosi, Guido Palliggiano, Samuli Vauramo, Antonio Rampino


Kurzinhalt:
Auf der Flucht vor Attentätern quartiert sich Jack (George Clooney) in einem kleinen Dorf in den Abruzzen ein. Dort versucht er, aus den jüngsten Entwicklungen schlau zu werden, bis ihm sein Kontakt Pavel (Johan Leysen) einen neuen Auftrag erteilt. Für Mathilde (Thekla Reuten) soll Jack eine spezielle Waffe besorgen – für einen bestimmten Verwendungszweck gedacht. Dabei muss Jack jedoch improvisieren und während er die Einzelteile dafür aufeinander abstimmt, kommt er unbewusst der Prostituierten Clara (Violante Placido) näher, bei der er einige Abende verbringt.
Doch auch in der Abgeschiedenheit bleibt Jack nicht unentdeckt und seine Absicht, auszusteigen kommt womöglich zu spät. Dabei will er von der Absolution, die ihm der Priester Benedetto (Paolo Bonacelli) in Aussicht stellt, nichts wissen ...


Kritik:
The American hat es nicht schwer, ein Publikum zu finden. Schon auf Grund des Hauptdarstellers George Clooney nicht. Wohl aber hat es das erstaunliche ruhige Drama schwer, dieses Publikum zufrieden zu stellen. Das wiederum liegt nicht an George Clooney.
Er verkörpert Jack, auch wenn dies vermutlich nicht sein richtiger Name ist, der in Schweden von zwei Auftragskillern überrascht wird. Nachdem er sich beider entledigt hat, flieht er nach Italien und erst dann erfährt man, dass Jack kein Regierungsagent ist, der in Notwehr gehandelt hat. Oder jemand, der ohne es zu wissen in die falschen Kreise gekommen ist. Von seinem Vertrauten Pavel wird Jack ein neuer Auftrag vermittelt. Für seine Kontaktperson Mathilde (undurchschaubar: Thekla Reuten) soll er eine spezielle Waffe bauen. Wofür sie eingesetzt werden soll, wird nicht geklärt, es interessiert auch nicht. The American schildert den Bau des speziell angepassten Schnellfeuergewehrs mit dem von Jack handgemachten Schalldämpfer wie eine Meditationsübung. Es ist ein Akt, der höchste Konzentration erfordert, und in dem Jack selbst die Balance zu finden versucht. Dies würde ihm gelingen, wenn sich zwischen ihm und der Prostituierten Clara nicht mehr entwickeln würde. Sie bringt ihn aus dem Gleichgewicht, zusammen mit dem Priester Benedetto, der Jack Hilfe anbietet, ohne seine Situation zu kennen und wichtiger noch, ohne ihn zu verurteilen für das, was er getan hat. Was das genau ist, darüber schweigt sich das Drehbuch aus. Man nimmt an, dass Jack selbst ein Attentäter ist, und als er in das beschauliche italienische Dorf einfährt, ist er nicht auf der Suche nach Reue oder Vergebung. Er ist auch weit weg von dem Punkt, aufzuhören. Vielmehr sucht er die Ruhe dahinter zu kommen, wer die Attentäter auf ihn angesetzt hat, die ihm überdies gefolgt sind. Es geht von Jack eine Melancholie aus, die sich in seiner Entscheidung zu Beginn erklärt, die ihn aber schon lange zu verfolgen scheint. Dieser Entschluss am Anfang ist auch das einzig überraschende Element des gesamten Films.

Regisseur Anton Corbijns Entscheidung, The American auf diese Weise zu erzählen, ist mutig, immerhin gibt es keine eindeutige Identifikationsfigur im Film. Jack bleibt auch am Ende kein guter Mensch und auch Clara wird ihre Gründe haben, weshalb sie in einem beinahe verlassenen Dorf in einem Freudenhaus arbeitet. Nicht einmal der Priester ist ohne Fehler, wohl aber mit sich im Reinen. Die Stimmung des langsam erzählten Films erinnert nicht zuletzt auf Grund der europäischen Umgebung und der melancholischen Figuren an Ronin [1998], nur ohne dessen Tempo oder Überraschungen. The American besitzt alle Einzelteile eines anspruchsvollen Thrillers, der sich auf seine Charaktere konzentriert und mischt diese Zutaten nach einem vorhersehbaren Rezept, in dem kein Moment, keine Entscheidung und keine Auflösung unerwartet kommt. Das macht die einzelnen Elemente nicht schlecht, nur sind sie alle nicht neu. Für eine treffende Charakterisierung Jacks oder Claras fehlen die notwendigen Hintergrundinformationen und auch wenn die Figuren vor der Panoramakulisse der Abruzzen authentisch erscheinen, keine fesselt über die Laufzeit hinweg. Nicht zuletzt, da bei Jack nie eine Läuterung einsetzt. Gelungen ist neben der unerwarteten, atmosphärischen Musik von Herbert Grönemeyer die Optik, welche die Landschaften so gekonnt einfängt, dass man aus vielen Einstellungen Gemälde machen könnte. Trotz der ruhigen Erzählweise wirkt The American aber schlicht zu lang und es ist symptomatisch für den Rhythmus des Films, wenn man in einer Szene sieht, wie Jack ein Postamt betritt, dabei wartet, bis die automatische Schiebetür sich öffnet, dann eintritt und das Bild verlässt, während die Einstellung noch fünf weitere Sekunden auf dem leeren Eingang verharrt, ehe sich die Tür wieder schließt – ohne dass im Hintergrund etwas geschehen wäre. Man mag dies als künstlerischen Stil deklarieren, oder auch nicht.
George Clooney bemüht sich, Jack trotz der spärlichen Dialoge ein nach außen sichtbares Innenleben zu verleihen, was man ihm insbesondere an seinen Augen ansieht. Violante Placido überzeugt als Clara mit verschiedenen Facetten, von denen sie die meisten jedoch nur streifen darf. Und auch Paolo Bonacelli und Johan Leysen machen ihre Sache ausgesprochen gut. Zugeschnitten ist die Geschichte jedoch auf Clooney, der auch in unsympathischen Rollen (Up in the Air [2009]) bereits mehr gefordert war, und in denen das Publikum am Schluss wusste, weswegen es sich lohnte, ihm dennoch auf der Reise zu folgen.


Fazit:
Es gibt viel Sehenswertes bei The American. Seien es die darstellerischen Leistungen, die allesamt auf hohem Niveau sind. Oder auch die erstklassige Fotografie, die das Geschehen in eine malerische Kulisse taucht und dabei abgesehen von wenigen modernen Elementen im Film vollkommen zeitlos wirkt. Oder auch die ungewöhnliche Musik. Nur überzeugt dabei die Geschichte nicht, die von einem einsamen oder vereinsamten Mann erzählt, der sich für dieses Leben entschieden hat, in der neuen Frau in seinem Leben auch einen Grund sieht, auszubrechen, aber letztlich doch nichts bereut.
Langsam erzählt bleibt das Drama atmosphärisch überzeugend, aber letztlich zu lang und in jeder Wendung vorhersehbar. Wer sich dennoch darauf einlässt, sollte damit auch rechnen, um nicht enttäuscht zu werden.