Super/Man: The Christopher Reeve Story [2024]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 3. Oktober 2024
Genre: Dokumentation / Biografie

Originaltitel: Super/Man: The Christopher Reeve Story
Laufzeit: 106 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Ian Bonhôte, Peter Ettedgui
Musik: Ilan Eshkeri
Personen: Christopher Reeve, Johnny Carson, Bill Clinton, Hillary Clinton, Glenn Close, Richard Donner, Alexandra Reeve Givens, John Houseman, Barack Obama, Dana Reeve, Matthew Reeve, Will Reeve, Susan Sarandon, Jane Seymour, Robin Williams


Hintergrund:

Als unverwundbarer Superheld wurde Christopher Reeve einem Millionenpublikum auf der Welt in den späten 1970er-Jahren bekannt. Nach beruflichen wie privaten Höhen und Tiefen und einer gescheiterten Langzeitbeziehung, verunglückte der sportlich aktive Darsteller im Frühjahr 1995 bei einem Reitunfall schwer. Fortan im Rollstuhl, engagierte sich Reeve für die Wahrnehmung von behinderten Menschen in der Gesellschaft. Seinen Werdegang zeichnen hier Familienmitglieder wie Wegbegleiter nach, darunter auch Filmemacher Richard Donner, der Reeve in seiner ikonischen Rolle inszenierte. Aber auch Politiker und Freunde, die sich an Licht und Schatten erinnern, die zu Reeves Vermächtnis gehören.


Kritik:
Selbst wer nicht glühender Fan von Christopher Reeves Genre prägender Verkörperung der Comic-Figur im gleichnamigen Superman [1978] ist, wird sich kaum der emotionalen Wirkung entziehen können, welche die Dokumentation Super/Man: The Christopher Reeve Story von Ian Bonhôte und Peter Ettedgui entfaltet. Dass der private wie berufliche Werdegang des Darstellers dabei ebenso im Zentrum steht, wie die Geschichte seiner Familie, verwundert nicht. Doch werden merklich mehr helle als dunkle Seiten von ersterem ausgeleuchtet.

Kaum ein Gesicht ist derart mit einer Rolle verbunden wie Christopher Reeve mit Superman. Selbst beinahe ein halbes Jahrhundert und mehrere Anläufe später konnte kein Darsteller die Figur auf eine ebenso prägende Art verkörpern wie er. Als „Mann aus Stahl“ machte er das Publikum glauben, dass Menschen fliegen können. Als Superheld rettete er die Welt und fing abstürzende Hubschrauber mit einer Hand auf. So sehr war Reeve mit jener Comic-Figur verbunden, die ihn über Nacht zum Star und einem der bekanntesten Gesichter der Welt machte, dass die Menschen ihn damit gleich bedeutend sahen. Umso unvorstellbarer, dass Reeve am 27. Mai 1995 bei einem Reitunfall stürzte und sich eine Wirbelsäulenverletzung zuzog, die ihn vom Hals abwärts lähmte. Der unverwundbare Superheld war gebrochen. Super/Man zeichnet das Leben des Darstellers bis zu diesem Moment und darüber hinaus nach. Die Filmemacher lassen Familie und Freunde ihre Erinnerungen an den Mann teilen, der an jenem Tag dem Tod nur knapp entronnen ist und doch nicht in das Leben zurückkehren konnte, das er und seine Familie kannten.

Eingangs unterlegt mit Bildern aus einer TV-Adaption von Alfred Hitchcocks Klassiker Das Fenster zum Hof [1998], in dem Reeve nach seinem Unfall mitspielte und die irreführenderweise den Eindruck erwecken, es wären persönliche Einblicke in das Krankenhauszimmer, in dem er tatsächlich nach seinem Reitunfall behandelt wurde, ermöglichen die Verantwortlichen mit vielen privaten Familienvideos, Interviewausschnitten und Schnipseln aus Nachrichtenbeiträgen einen Blick auf einen nahbaren Star, der vor wie nach diesem einschneidenden Erlebnis geerdet auftritt. Nicht nur engagierte sich Reeve bereits nach seinem Durchbruch für Umweltschutz und Menschenrechte, er schien hinsichtlich seines Ruhms und der gesamten Maschinerie des Showbusiness stets realistisch genug, sich selbst dabei nicht zu überschätzen.

Super/Man gibt Wegbegleitern wie Susan Sarandon, Glenn Close oder auch Jeff Daniels die Möglichkeit, Erinnerungen an ihre Zeit mit Christopher Reeve zu teilen und lässt auch den inzwischen bereits verstorbenen Robin Williams zu Wort kommen, der als enger Freund von Reeve von dessen Schicksal sichtlich getroffen wurde. Weiß das Publikum um dessen private Hintergründe und was aus Williams selbst wurde, klingen seine Worte hier nur umso herzzerreißender. Einen unerwartet persönlichen Einblick in die Familiengeschichte geben Reeves Kinder Matthew, Will und Alexandra, die nicht nur ein Licht auf ihren Vater werfen, sondern auch seine Frau Dana Reeve, die kurze Zeit nach ihm verstarb. Sie ebenfalls zu beleuchten, die in Anbetracht seiner außergewöhnlichen Situation von einem Moment auf den anderen nicht nur Ehefrau und Mutter sein musste, sondern gleichzeitig Pflegerin unter dem Druck des immensen medialen Interesses, ist ebenso verständlich wie richtig, verdeutlicht jedoch, dass dies mehr ist als eine Dokumentation über Christopher Reeve.

Während Ian Bonhôte und Peter Ettedgui wenig Zeit darauf verwenden, herauszustellen, dass auch die Beziehung von Reeve zu seiner Lebenspartnerin und Mutter der ersten beiden Kinder, Gae Exton, von Höhen wie Tiefen geprägt war, stellen sie immerhin heraus, wie schwer es der Darsteller verkraftete, dass er außerhalb seiner Comic-Figur keinen nennenswerten kommerziellen Erfolg für sich verbuchen konnte. Auch sein nicht unumstrittenes Engagement für Menschen mit Behinderung kommt zur Sprache, doch fehlt es Super/Man in der zweiten Hälfte spürbar an Balance, während die Erzählungen der tragischen Ereignisse mehr Raum einnehmen, als einem mitunter Recht ist.

Wird jedoch geschildert, in welch unvorstellbar kurzer Zeit und mit welch eisernem Willen sich Christopher Reeve nach seinem verheerenden Unfall nicht nur zurück ins Leben gekämpft hat, sondern wie bereits 10 Monate später bei der Oscar-Verleihung im März 1996 als Überraschungsgast auftrat, dass er wenig später ungeachtet seiner körperlichen Einschränkungen hinter der Kamera gar als Regisseur aktiv war und erneut vor der Kamera spielte, ist das beinahe unbegreiflich und umso inspirierender. Selbst wenn es Super/Man: The Christopher Reeve Story an einem tiefergehenden Blick auf die Schattenseiten des im Titel genannten Schauspielers mangeln mag, den Verantwortlichen gelingt es, ein Verständnis für die Ikone zu schaffen, die er repräsentierte und derentwegen die Menschen mit seinem Schicksal derart mitgefiebert haben. Zudem vermitteln sie ein Gefühl, was er und seine Familie in Folge seines Unfalls durchleben mussten. Das ist bewegend, aber auch hinsichtlich des schieren Lebenswillens von Christopher Reeve, der sich mit einem enormen Durchhaltevermögen nicht hat unterkriegen lassen, schlicht beeindruckend und auch deshalb sehenswert.


Fazit:
Als er gerade einmal 42 Jahre alt war und sein jüngster Sohn drei, veränderte sich das Leben von Schauspieler Christopher Reeve schlagartig und auf eine kaum vorstellbare Weise. Nach einem kometenhaften Aufstieg als Superstar und Karrieretiefs mit ausbleibenden Erfolgen, saß der Mann, der Superman war, im Rollstuhl. Das Bild allein war Signal wie Weckruf gleichermaßen und schaffte Aufmerksamkeit für Menschen mit Behinderung. Die Regisseure Ian Bonhôte und Peter Ettedgui stellen Reeves Familiengeschichte vor, zeigen sein Leben vor dem Unfall, seine Rehabilitation inklusive der Fortschritte und Rückschläge, die ihn in Depressionen stürzten. Dass die durchaus tragische Familiengeschichte hier viel Raum einnimmt, mag das Publikum angesichts des Titels überraschen und vielleicht sind manche Einblicke ein wenig zu viel, als wenn man zu lange in Fotoalben schwelgen soll von Menschen, mit denen man doch weniger verbindet, als diese meinen. Dennoch gehen die Einblicke in die privaten Leben dieser Familie unter die Haut, auch diejenige von Reeves Ehefrau Dana, deren wenige Äußerungen von Ehrlichkeit geprägt sind, selbst wenn sie nicht alle Schattenseiten an die Öffentlichkeit bringen. Hierauf ein größeres Schlaglicht zu werfen, verpasst die Dokumentation bedauerlicherweise, doch statt Christopher Reeve als „gebrochene“ Ikone zu zeigen, erstrahlt sie hier in Anbetracht seines Werdegangs auch nach dem Unfall nur umso mehr. Super/Man: The Christopher Reeve Story sorgt an zahlreichen Stellen für merklich Gänsehaut, ist berührend und inspirierend zugleich. Wichtig!