Split [2016]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 13. Januar 2019
Genre: Horror / Thriller

Originaltitel: Split
Laufzeit: 117 min.
Produktionsland: USA / Japan
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: M. Night Shyamalan
Musik: West Dylan Thordson
Darsteller: James McAvoy, Anya Taylor-Joy, Betty Buckley, Haley Lu Richardson, Jessica Sula, Izzie Coffey, Brad William Henke, Sebastian Arcelus, Neal Huff


Kurzinhalt:

Als statt Claires (Haley Lu Richardson) Vater (Neal Huff) ein fremder Mann ins Auto auf dem Parkplatz steigt, beginnt für Claire und die ebenfalls im Auto sitzenden Marcia (Jessica Sula) und Casey (Anya Taylor-Joy) ein Martyrium. Sie werden betäubt und wachen in einem abgeschlossenen, fensterlosen Raum wieder auf. Ihr Entführer (James McAvoy) leidet, wie sich herausstellt, unter einer Dissoziativen Identitätsstörung. Immer wieder kommen neue Persönlichkeiten zum Vorschein, von denen manche weiblich sind, eine ein kleiner Junge. Sie verraten den drei jungen Frauen, dass sie aus einem bestimmten Grund entführt wurden und schon bald „die Bestie“ eintreffen werde. Während die Fluchtversuche der drei jungen Frauen scheitern, wenden sich manche Persönlichkeiten immer wieder an die Therapeutin Dr. Fletcher (Betty Buckley) und suchen um Hilfe. Aber statt die Gefahr zu erkennen, vermutet sie vielmehr, dass ihr Patient das wahre Potential der menschlichen Natur ausschöpft …


Kritik:
Nachdem sein Öko-Horror-Film The Happening [2008] und nicht zuletzt das Weltraum-Spektakel After Earth [2013] kommerziell wie künstlerisch weit hinter den Erwartungen zurückblieben, knüpft Filmemacher M. Night Shyamalan mit Split wieder an vorige Werke an – in doppeltem Sinne. Der ruhig erzählte Horror-Thriller stellt dabei zwei Figuren in den Mittelpunkt, die mehr verbindet, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Sehenswert wird das jedoch vor allem auf Grund der Darbietungen, die packender sind, als die Geschichte erzählt wird.

Sie beginnt damit, dass drei junge Frauen, Casey, Claire und Marcia, entführt werden. Sie wachen in einem verschlossenen, fensterlosen Raum wieder auf. Ihr Entführer ist, wie sich herausstellt, eine gespaltene Persönlichkeit. So haben sie es abwechselnd mit Dennis, Patricia oder dem neunjährigen Hedwig zu tun. Aber egal, wie sehr sie sie auch beschwören, keine der Persönlichkeiten ist gewillt, ihnen zur Flucht zu verhelfen. Dabei wurden sie wohl nicht zufällig ausgesucht und sollen auch einem bestimmten Zweck dienen: Einer Bestie, die in Kürze eintreffen wird.
Klingt es eingangs beinahe amüsant, wenn der fast kahl geschorene Entführer mit der sanften Stimme einer Frau ähnlich spricht, gekleidet mit Absatzschuhen und Rock, oder als kindlicher Zeitgenosse auftritt, verliert die Situation jeglichen Humor, sobald klar wird, dass all diese Persönlichkeiten überaus real sind und für Dennis oder Patricia kein Zweifel besteht, dass Claire, Marcia und Casey ihrem Schicksal nicht entrinnen werden.

Von den drei jungen Frauen steht die introvertierte Casey im Zentrum der Erzählung. In zahlreichen Rückblenden zeigt Shyamalan, weshalb sie so zurückhaltend auftritt, beinahe, als würde sie sich mit der Situation arrangieren. Anya Taylor-Joy verleiht der Figur über lange Zeit eine gebrochene Aura, die sich erst im Verlauf in eine ungeahnte Stärke wandelt. Ihr gegenüber steht James McAvoy, der den einzelnen Persönlichkeiten seiner Filmfigur zum Teil so grundlegend verschiedene Charakteristika verleiht, dass es geradezu beängstigend ist, ihm bei den Wechseln von der einen zur anderen zuzusehen. Es ist eine starke und ebenso beunruhigende Darbietung.
Die übrigen Beteiligten kommen zwar entsprechend weniger zum Zug, aber sie alle sind gut besetzt, allen voran Betty Buckley in der Rolle von Dr. Karen Fletcher, die die psychologische Betreuung von Kevin – so der eigentliche Name des Entführers – übernommen hat.

So gelungen aber die Besetzung und so eindrucksvoll die Darsteller, es ist der Verlauf der Geschichte, der bei Split nicht sein volles Potential ausschöpft. Nach ihrem ersten Fluchtversuch werden die drei jungen Frauen aufgeteilt und wenig später ist jede für sich untergebracht. Doch ihre anfängliche Verzweiflung angesichts der Gefangenschaft scheint sofort einer Resignation zu weichen, durch die sie ihr Schicksal akzeptieren. Es dauert sehr lange, ehe sie erneut den Mut fassen, sich zu wehren und auch dann wirkt der Versuch nicht ansatzweise so durchdacht wie beim ersten Mal. Stattdessen beschäftigt sich der Filmemacher mit den beiden Figuren im Zentrum, zeigt die traumatischen Erlebnisse aus Caseys Kindheit und begleitet Dennis und die übrigen Persönlichkeiten regelmäßig zu Dr. Fletcher. Die Charakterbildung, die hier vorgenommen wird, ist alles andere als misslungen und hilft, die Handlungen der Figuren zu verstehen. Nur tritt der eigentliche Thriller, mit dem der Film begann, währenddessen merklich auf der Stelle.

Am Ende erweckt Split den Eindruck, als hätte M. Night Shyamalan seine Figuren an dem Ort, an dem er sie haben wollte. Beinahe, als ginge es ihm mehr darum, eine Geschichte vorzubereiten, als eine zu erzählen. Was er andeutet klingt durchaus interessant und man darf gespannt sein, wohin es führen wird. Aber es hilft nicht ganz über das Gefühl hinweg, dass hier mehr fehlt als nur die endgültige Auflösung.


Fazit:
Die letzten Minuten lassen bereits akustisch erahnen, wohin Filmemacher M. Night Shyamalan die Geschichte entwickeln wird, selbst wenn der eigentliche Twist am Ende noch gar nicht zu sehen ist. Fans von frühen Werken des Filmemachers wird das vermutlich zu gleichen Teilen hoffnungsvoll stimmen – und beunruhigen. Für sich genommen ist Split ein Film, der von zwei Darbietungen lebt. Einerseits der Tour de Force von James McAvoy, der nicht erst am Ende einen beängstigenden Auftritt hat. Zum anderen von Anya Taylor-Joy, deren Wandlung nicht weniger eindrucksvoll ist. Diese beiden Figuren sind vielschichtiger, als die eigentliche Story erzählt wird. Währenddessen kommt der Thriller lange nicht recht voran. Die handwerklichen Aspekte sind allesamt gelungen und auch die Details am Rand überzeugen. Trotz des Endes fehlt ein aber richtiger Abschluss; ob sich die Mühe also gelohnt hat, wird man abwarten müssen. Doch das heißt nicht, dass Genrefans hier nicht gut unterhalten werden. Ganz im Gegenteil.