Road to Perdition [2002]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Lars Adrian  |   Hinzugefügt am 04. September 2002
Genre: Drama / Krimi

Originaltitel: Road to Perdition
Laufzeit: 116 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Sam Mendes
Musik: Thomas Newman, John M. Williams
Darsteller: Tom Hanks, Paul Newman, Jude Law, Jennifer Jason Leigh, Daniel Craig, Tyler Hoechlin, Liam Aiken, Ciarán Hinds, Dylan Baker, Stanley Tucci, David Darlow


Kurzinhalt:
Das Amerika der 1930er Jahre – die Zeit der Prohibition – wird regiert von denen, die genug Geld haben, um sich die Macht zu erkaufen. Mike Sullivan (Tom Hanks) arbeitet für John Rooney (Paul Newman), einen einflussreichen Mann, der mit den großen Männern des von Al Capone geleiteten Chicagoer Syndikats in Verbindung steht. Für Rooney war Sullivan immer wie ein eigener Sohn, wohingegen ihn sein tatsächlicher Sohn, Connor Rooney (Daniel Craig), ständig enttäuscht.
Sullivans Frau Annie (Jennifer Jason Leigh) weiß, womit ihr Ehemann sein Geld verdient, spricht mit ihm jedoch nicht darüber. Seine beiden Söhne sieht er nur morgens und abends; sie ahnen nicht, was ihr Vater tags und auch nachts über tut.
Bei einem Routine-Auftrag, bei dem Connor und Sullivan einen Mann einschüchtern sollen, verliert Connor die Beherrschung und es kommt zu einer Schießerei mit mehreren Toten. Dabei werden die Profi-Killer allerdings von Sullivans älterem Sohn Michael (Tyler Hoechlin) beobachtet, der herausfinden wollte, wie sein Vater seinen Lebensunterhalt verdient. Sullivan und Rooney sind sich einig, dass der Junge nichts verraten wird, und belassen es dabei. Doch auf eigene Faust beschließt Connor, auf Nummer sicher zu gehen: Er schleicht sich abends in das Haus der Sullivans und tötet Annie und Mikes jüngeren Sohn Peter (Liam Aiken). Michael Jr. kann dem Blutbad unbemerkt entgehen.
Als Mike, der kurz zuvor ebenfalls einen von Connor eingefädelten Anschlag auf sein Leben abwenden konnte, nach Hause kommt, sinnt er – durch den Verlust schwer getroffen – auf Rache.
Damit stellt er sich aber nicht nur gegen Connor, sondern auch gegen seinen Ziehvater John Rooney und den Rest des Syndikats, das ihn beschützt. Zudem wird auch noch der Killer Harlen Maguire (Jude Law) auf Sullivan und seinen Sohn angesetzt.
Von nun an sind die beiden auf der Flucht und versuchen, den Racheplan in die Tat umzusetzen, während sie sich zugleich erst richtig kennen lernen müssen.


Kritik:
Über zweieinhalb Jahre ist es her, seit Sam Mendes' zu Recht mehrfach prämierter Film American Beauty [1999] (unter anderem fünf Oscars im Jahr 2000) in die Kinos kam und sowohl Kritiker, als auch Zuschauer zu Beisterungsstürmen veranlasste. Voller Spannung fragte man sich, welchem neuen Projekt sich der zuvor nur im Theater tätige und plötzlich in der Filmwelt gefeierte Regisseur als nächstes widmen würde. Als dann bekannt wurde, dass er an der Verfilmung eines Romans, beziehungsweise Drehbuchs, arbeiten würde, die von einer japanischen Comic-Serie inspiriert sind ("Lone Wolf and Club", auf der auch die japanische Manga-Film-Reihe Okami beruht) war die Überraschung natürlich umso größer.

Zur Beruhigung von manchen besorgten Cineasten kann eines vorweg gesagt werden: Ein typischer Comic-Film im Stil von Batman [1989], Spider-Man [2002] oder Blade [1999] ist Road to Perdition nicht geworden, dazu ist er zu ruhig und ohne schnelle Schnitte oder hektische Kamera inszeniert. Lediglich Parallelen zur düsteren Atmosphäre des erstgenannten Comic-Klassikers könnte man vielleicht ziehen.
Auch sonst hat der Film mit seiner indirekten Comic-Vorlage nur noch die Grundelemente der Geschichte gemeinsam: Ein Mann will an den Mördern seiner Familie Rache nehmen, während er zugleich seinen letzten noch lebenden Sohn beschützen muss. Der Protagonist ist kein Samurai-Krieger in Japan, sondern ein Verbrecher im Amerika der 1930er Jahre zur Zeit der Prohibition.

Die Verlagerung des Schauplatzes gibt auch den Weg vor, den der Film beschreitet: Road to Perdition ist ein Krimi-Drama im klassischen Sinne mit – in Bezug auf die Flucht von Vater und Sohn – Anleihen beim Genre des Road-Movies.
Der Zuschauer sollte allerdings kein komplexes Gangster-Epos im Stile von Francis Ford Coppolas Der Pate – Teil 1 [1972] und 2 [1974] oder Sergio Leones Es war einmal in Amerika [1984] erwarten.
Road to Perdition erzählt eine geradlinige, schnörkellose Geschichte, stilisierte Charakterstudien von Männern der "ehrenwerten" Gesellschaft. Überraschende Wendungen gibt es nur sehr wenige, das Meiste erahnt der Zuschauer schon nach der Hälfte des Filmes. Und selbst die Charaktere durchleben keine tiefgehende Entwicklung, sieht man von dem Verlust, den Sullivan und sein Sohn erfahren müssen, und dem Näherkommen zwischen beiden einmal ab.

Was in dem Film meines Erachtens ein wenig zu kurz kommt, ist eine detailliertere Charakterisierung seiner Protagonisten.
So sind zwar Mikes Rachegefühle infolge der Ermordung von Frau und Kind sehr gut verständlich, welche Motivation ihn aber letztendlich antreibt, überhaupt in dem Verbrecher-Syndikat zu arbeiten – denn ansonsten wirkt er wie ein ruhiger, sympathischer und liebevoller Vater –, wird nur am Rande mit einem Gefühl der Verpflichtung gegenüber seinem Gönner John Rooney erwähnt. Seine, wie auch Rooneys Vergangenheit bleibt weitestgehend im Dunkeln. Wenn Rooney an einer Stelle im Film sinngemäß sagt "Es sind nur Mörder in diesem Raum. Eines aber ist sicher: In den Himmel kommt keiner von uns.", so hat man fast das Gefühl, als hätten die Beteiligten hinsichtlich ihres Lebens keine Wahl gehabt. Eine konkrete Erklärung, weshalb dem so ist, wird nicht gegeben.
Auch Michael Jr. verkraftet die Erkenntnis, dass sein Vater ein berufsmäßiger Verbrecher ist, und den Verlust von Mutter und Bruder recht schnell, was meines Erachtens nicht ganz nachvollziehbar ist.
Dass Connor Rooney darauf erpicht ist, den von seinem Vater John bevorzugten Mike zu beseitigen, wirkt plausibel, nicht aber, dass John ihm schon nach kurzer Zeit verzeiht und ihn dabei unterstützt, obwohl Connor gegen seine Anweisungen handelt.

Der Spannung und vor allem der Atmosphäre des Filmes tut dies jedoch keinen Abbruch!
Viele Dinge sorgen dafür, dass es ein Genuss ist, sich Road to Perdition anzuschauen.

Zum einen wären da natürlich die herausragenden Darsteller zu erwähnen:
Tom Hanks verdeutlicht einmal mehr, dass er zu den besten seines Faches zählt. Mit sparsam eingesetzter Mimik und Gestik bringt er dem Zuschauer sämtliche Gefühlsregungen vom unbarmherzigen wortkargen Killer bis hin zum liebevollen Familienoberhaupt, das erstmals intensiv Zeit mit seinem Sohn verbringen muss, überzeugend nahe. Allein seine Augen und sein Gesichtsausdruck verdeutlichen die schockierende Erkenntnis, von seinem Ziehvater und Mentor verraten worden und nun auf sich allein gestellt zu sein, während er zugleich mit unerwarteten Fragen und Gefühlen fertig werden muss.
Tyler Hoechlin
braucht sich hinter den erwachsenen Profis nicht zu verstecken. In der Rolle von Michael Jr., der mit der wahren Natur seines Vaters zum ersten Mal konfrontiert wird, läßt er eine Erfahrung und Reife durchscheinen, die man nur wenigen Kindern zutraut. Einmal mehr beweist Mendes, dass er ein Gespür für die Führung von jugen Schauspielern hat.
Aber nicht nur die Haupt-, sondern auch auch die Nebendarsteller laufen zur Höchstform auf:
Allen voran Altstar Paul Newman, der zwar nur in wenigen Szenen zu sehen ist, in diesen jedoch eine unglaubliche Präsenz aufbaut. Sein bloßes Gesicht und seine Blicke sagen mehr als tausend Worte.
Mitreißend ist auch Jude Laws bisweilen ironischer, aber stets bedrohlicher Auftritt als skrupelloser Reporter, Fotograf und Auftragsmörder Harlen Maguire, der bei Bedarf selbst für seine Schlagzeilen sorgt.
Daniel Craig als Connor Rooney nimmt man die Unzufriedenheit und Enttäuschung des vernachlässigten Sohnes sofort ab.
In kleinen, aber gelungenen Kurzauftritten treten noch eine ganze Reihe von weiteren hervorragenden Darsteller auf, wie zum Beispiel Jennifer Jason Leigh (Dolores [1995]) als Mikes Frau Annie, Ciarán Hinds (der russische Präsident in Der Anschlag [2002]) und der aus Thirteen Days [2000] bekannte Dylan Baker.

Die Spannung bezieht Road to Perdition nicht nur aus der Geschichte an sich – denn auch der Zuschauer wünscht sich, dass Mike mit seiner Rache Erfolg hat –, sondern umso mehr aus dem Aufbau der einzelnen Szenen.
Ob es nun das Blutbad zu Beginn des Filmes ist, das Michael Jr. im Geheimen beobachtet, die Falle, in die Mike von Connor gelotst wird, die erste Begegnung zwischen Maguire und Sullivan in einem Restaurant, oder das letzte Aufeinandertreffen von Mike und John Rooney, um nur ein paar Beispiele zu nennen: Immer wieder zeigt sich, dass hier wahre Meister ihres Faches gearbeitet haben.
Subtile Details – wie eine winzige Schweißperle – werden für den Zuschauer ebenso wichtig, wie für die Charaktere.
Kamera und Schnitt, der zaghafte Einsatz von Zeitlupen, die hervorragende Musik von Thomas Newman (Die Verurteilten [1994], American Beauty [1999]): All dies beweist, dass die Macher jede Szene durchdacht haben und nichts dem Zufall überlassen wurde.
Das Ergebnis dieser handwerklich genialen Arbeit zu sehen, ist für den Zuschauer ein spannendes Erlebnis, obwohl eigentlich nicht viel tatsächliche "Action" stattfindet.

Was den Film aber ganz besonders auszeichnet, ist seine schwelgerische Optik: Mit unendlich langen Kamerafahrten und seinem für ihn typischen, ruhigen Inszenierungsstil und bedächtigen Erzähltempo hebt sich Sam Mendes wohltuend von der Masse an Filmemachern ab, die meinen, man könnte den Mangel an Substanz mit schnellen Schnitten und wirren Kamerafahrten ausgleichen. Farblich und in dem Spiel mit Licht und Schatten orientiert sich Road to Perdition dabei deutlich an den schwarz/weißen Film-Noir-Klassikern aus der Zeit, in der er spielt.
Exemplarisch seien nur die Fahrradfahrt durch das Arbeiterviertel am Anfang des Filmes und die Ankunft im Chicago von 1931 genannt. Man kann als Zuschauer gar nicht genug von der mitreißend betörenden Bildkomposition bekommen, die bisweilen schon an ein Gemälde erinnert. Und genau dessen ist sich Mendes bewusst. Deshalb kostet er die Momente mit der Kamera vollständig aus und behält stets die Übersicht.

Nur der Vollständigkeit halber seien die grandiose Ausstattung und hervorragenden – weil unauffälligen – Spezialeffekte erwähnt, die das Amerika von vor über 70 Jahren wiederauferstehen, und den Zuschauer nicht ein einziges Mal an der perfekten Illusion zweifeln lassen.

Der Titel selbst ist übrigens durchaus zeideutig zu verstehen: "Perdition" ist die Stadt, in der die Tante von Michael Jr. lebt, und zu der Vater und Sohn letztendlich gelangen wollen. Perdition bedeutet aber auch "Ewige Verdammnis".


Fazit:
Road to Perdition zählt zweifelsohne zu den besten und vor allem schönsten Filme der letzten Zeit. Ein ebenso spannendes, wie atmosphärisch dichtes Kinoerlebnis, das man sich schon wegen der brillianten Darsteller und unvergesslichen Bilder auf gar keinen Fall entgehen lassen sollte.