Rebel Ridge [2024]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 30. Dezember 2024
Genre: Krimi / ActionOriginaltitel: Rebel Ridge
Laufzeit: 131 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Jeremy Saulnier
Musik: Brooke Blair, Will Blair
Besetzung: Aaron Pierre, Don Johnson, AnnaSophia Robb, David Denman, Emory Cohen, Steve Zissis, Zsané Jhé, Dana Lee, James Cromwell, CJ LeBlanc
Kurzinhalt:
An sich möchte der ehemalige Marine Terry Richmond (Aaron Pierre), der sich mit dem Fahrrad auf nach Shelby Springs in Louisiana macht, nur die Kaution für seinen Cousin hinterlegen, bevor dieser in ein Staatsgefängnis verlegt wird. Doch ein Polizist von Shelby Springs hält ihn unsanft an und entdeckt das Bargeld in seinem Rucksack. Unter einem Vorwand wird das Geld beschlagnahmt, doch es bleiben Terry noch ein paar Tage, die Kaution zu hinterlegen. Deshalb wendet er sich an Sheriff Chief Sandy Burnne (Don Johnson), in der Hoffnung, das Missverständnis beilegen zu können. Der zeigt sich allerdings unnachgiebig und wiegelt die implizierte Willkür und Gewalt durch seine Polizeieinsatzkräfte ab. Die Gerichtsmitarbeiterin Summer (AnnaSophia Robb) bietet Terry an, zu helfen, doch nachdem sie zu den beschlagnahmten Bargeldsummen und jüngsten Inhaftierungen recherchiert, hat sie nur mehr Fragen als Antworten und die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich gezogen. Terry läuft die Zeit davon und die Situation in Shelby Springt spitzt sich immer weiter zu …
Kritik:
Von der ersten bis zur letzten Minute an brodelt es in Rebel Ridge, Jeremy Saulniers Krimi, der sich schon deshalb erschreckend authentisch anfühlt, weil sich der Filmemacher offenbar von realen Fällen inspirieren ließ. Die Geschichte eines Kampfausbilders der U.S. Marines, der unbeabsichtigt in ein Netz aus Intrigen und Polizeikorruption gerät, bietet dabei deutlich mehr Krimi als Action, doch ist gerade dieser Aspekt seine große Stärke. Tadellos in Szene gesetzt und gut gespielt ist er obendrein.
Im Zentrum der Geschichte steht der wortkarge, aber stets freundliche und höfliche Ex-Marine Terry Richmond, der mit seinem Fahrrad nach Shelby Springs in Louisiana radelt, um dort die Kaution für seinen Cousin Mike zu hinterlegen. Doch noch bevor er das Gericht erreicht, wird er von der Polizei angehalten. Als die Polizisten seinen Rucksack durchsuchen, finden sie darin 36.000 Dollar, von denen 10.000 für die Kaution gedacht sind. Unter Anwendung eines Gesetzes zur Beschlagnahme von Privatbesitz durch die Polizeibehörden nehmen die Polizisten das gesamte Geld an sich mit der Begründung, es bestehe der Verdacht, es könnte aus Drogengeschäften stammen. Wie Terry von der Gerichtsmitarbeiterin Summer erfährt, hat er nur die Möglichkeit, die Herausgabe einzuklagen, doch das ist teuer und kostet viel Zeit. Zeit, die Terrys Cousin nicht hat. Deshalb versucht Terry, die Situation mit Sheriff Chief Burnne direkt zu klären, was ihm allerdings nicht gelingt. Vielmehr eskaliert der schwelende Konflikt immer weiter, was auch daran liegt, dass Terry und Summer mit ihren Fragen zur Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme offenbar in ein Wespennest gestochen haben.
So paradox die Ausgangslage scheint, dass Terry die Rechtmäßigkeit seines Geldes nachweisen muss, um es zurück, anstatt dass die Polizei dessen Unrechtmäßigkeit zu belegen hat, um die Beschlagnahme aufrecht zu erhalten, über diese Möglichkeit verfügt die Polizei in den Vereinigten Staaten tatsächlich. Dies führte unter anderem dazu, dass einem Kriegsveteranen im Jahr 2021 seine gesamte Pension, die er bei sich führte, abgenommen wurde. Eine Stadt in Louisiana war zudem bereits vor vielen Jahren berüchtigt für ihre exzessive Beschlagnahme von Privatbesitz. Wie diese funktioniert und was es für die Betroffenen bedeutet, erläutert Rebel Ridge im Vorbeigehen, um davon ausgehend eine Geschichte über Rassismus, Polizeigewalt und Korruption zu erzählen. Ob es zu Beginn rassistische Ressentiments sind, die die Polizisten dazu verleiten, Terry anzuhalten, wird nie laut ausgesprochen, doch man glaubt, es aus vielen ihrer Äußerungen heraushören zu können. Gleichzeitig missbrauchen sie ihre Machtstellung und üben körperliche Gewalt gegen ihn aus, stets jedoch an der Grenze dessen, was sich ihnen nur schwer vorwerfen lässt.
Ihnen gegenüber steht der Ex-Marine, der sich der Gefahr der Situation durchweg wohl bewusst ist und seine Fragen zur Legitimation des Polizeihandelns nur so lange stellt, wie es die Situation nicht eskalieren lässt. Nichtsdestotrotz erweckt Terry den Eindruck, als würde er das Unrecht bewusst über sich ergehen lassen, als wäre es seine Entscheidung und als wäre er den Polizisten im Grunde deutlich überlegen. Mehrmals versucht er, auf Chief Burnne einzuwirken, ihn zu einer Einigung zu bewegen. Und immer wieder fragt man sich, welcher Tropfen das Fass zum Überlaufen bringen wird, bis die Beherrschung, um die Terry in manchen Momenten sichtlich ringt, dem weicht, was immer er in den Konflikt hineintragen kann. Dies erinnert von der Ausgangslage her gleichermaßen an Jack Reacher wie an Rambo [1982], erweitert um das Komplott, in das Terry unfreiwillig und unwissend mit Summer hineinstolpert.
Dieses ist es auch, das das Publikum hauptsächlich interessieren sollte, denn die lange aufgebauten und durchaus packend umgesetzten Actionmomente veredeln die Story zwar, prägen sie aber nicht. Zu sehr ist Terry Richmond mit seinem kampferprobten Hintergrund darauf aus, Situationen zu entschärfen, anstatt den Konflikt mit Gewalt zu lösen. Das heißt jedoch nicht, dass Rebel Ridge Konfrontationen scheuen würde, im Gegenteil. Die zahlreichen Momente, in denen Terry der Polizei gegenübersteht oder an einem System zu verzweifeln droht, das ihm nur Steine in den Weg legt, sorgen merklich für eine stetig steigende Anspannung, die sich schließlich in Momenten entlädt, die beinahe an einen Western erinnern. Dabei erzählt Filmemacher Saulnier eine in sich geschlossene Geschichte, greift selbst Nebenhandlungen oder nur erwähnte Figuren wieder auf. Das bedeutet nicht, dass man die Erzählung nicht hätte straffen können, doch wer sich auf einen stets steigernden, ruhigen Crime-Thriller mit actionreicher Spannung einstellt, wird hier nicht enttäuscht.
Fazit:
Nach etwa der Hälfe der Erzählung würde man beinahe vermuten, dass die Geschichte an ihrem Ende angekommen ist. Doch dann greift Regisseur und Drehbuchautor Jeremy Saulnier diejenigen Elemente des Krimis auf, die er zuvor beinahe nebensächlich eingestreut hat, um sich dem Kern der eigentlichen Korruption zu nähern. Zu sehen, wie der charismatische Terry, der nie eine Konfrontation sucht und sie lieber entschärft, als sie für sich zu entscheiden, auch hier unfreiwillig gegen ein Unrecht vorgeht, das ihn selbst gar nicht betrifft, ist so packend, wie die Actionmomente mitreißend umgesetzt. Statt ausufernder Schusswechsel und Faustkämpfe steht in Rebel Ridge die unheilvolle, mit Händen zu greifende Stimmung im Zentrum. Wie es in Terry brodelt, kann man Aaron Pierre förmlich ansehen und seine Momente mit einem starken Don Johnson zählen auch hinsichtlich der Dialoge zu den Highlights des Films. Genrefans, die sich auf niedrig- aber beständig köchelnde Krimispannung einlassen, werden hier nicht enttäuscht und lernen eine Hauptfigur kennen, die man gern weiter begleiten möchte.