Rango [2011]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. März 2010
Genre: Animation / Western / Komödie

Originaltitel: Rango
Laufzeit: 107 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2011
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Gore Verbinski
Musik: Hans Zimmer
Stimmen: Johnny Depp (David Nathan), Isla Fisher (Angela Wiederhut), Abigail Breslin, Ned Beatty (Otto Mellies), Alfred Molina (Klaus Sonnenschein), Bill Nighy (Michael Kessler), Stephen Root, Harry Dean Stanton, Timothy Olyphant, Ray Winstone, Ian Abercrombie, Gil Birmingham, James Ward Byrkit (Martin Semmelrogge), Claudia Black, The BossHoss


Kurzinhalt:
So sehr sich das Chamäleon (Johnny Depp / David Nathan) im Terrarium auch einsam gefühlt hat – die meisten Abenteuer hat es in seiner Phantasie bestanden – irgendwie war ihm dort doch auch sehr wohl. Von einem Moment auf den anderen befindet es sich mitten in der Wüste am Straßenrand. Ein überfahrenes Gürteltier (Alfred Molina / Klaus Sonnenschein) weist ihm den Weg mitten in die trockene Wüste, dort liegt "Dreck", eine Kleinstadt mitten im Nirgendwo. Dort angekommen stellt sich das Chamäleon den Dorfbewohnern als Rango vor und zieht die Bürger mit seinen Erzählungen von großen Abenteuern in seinen Bann, auch wenn sie allesamt erfunden sind.
Doch nachdem Rango einen schrecklichen Feind des Dorfes durch einen glücklichen Unfall zur Strecke gebracht hat, wird er von Bürgermeister John (Ned Beatty / Otto Mellies) zum Sheriff ernannt. So weit so gut, immerhin gibt es in "Dreck" nicht zu viel für einen Gesetzeshüter zu tun. Dann wird der klägliche Rest Wasser aus der Bank gestohlen und die durstigen Dorfbewohner proben den Aufstand. Rango macht sich mit einer Truppe, darunter auch Bohne (Isla Fisher / Angela Wiederhut), auf, den Wasserdiebstahl aufzuklären. Dabei hat es den Anschein, als ob jemand absichtlich Wasser versickern ließe. Denn wer das Wasser kontrolliert, der kontrolliert die Welt ...


Kritik:
Um Rango richtig wertschätzen zu können, muss man sich erst einmal vor Augen führen, wie selten ein solcher Film heute ist. Zugegeben, Animationsfilme gibt es derzeit wie Sand am Meer, auch wenn es eine mutige Entscheidung zu sein scheint, einen solchen Film zu veröffentlichen, den man nicht durch eine 3D-Brille sehen muss. Rango ist in 2D gemacht und veröffentlicht – und er sieht großartig aus. Vor allem aber ist es ein Animationsfilm, der sich nur in zweiter Linie an ein kindliches Publikum richtet. Und genau das ist auch sein größtes Problem, denn während ganz junge Zuschauer viele Anlehnungen oder Hintergründe schlicht nicht verstehen werden, wünscht man sich als Erwachsener, dass die Geschichte den nächsten offensichtlichen Gag überspringen würde, und schneller zum Zug kommt.
Gemacht ist der Film von Industrial Light & Magic, jener Animationsfirma, die unter anderem die Star Wars- und Fluch der Karibik-Filme zum Leben erweckte, unter der Regie von Gore Verbinski (Mäusejagd [1997], The Ring [2002]). Für ILM war es der erste abendfüllende Animationsspielfilm. Es wäre interessant zu wissen, von wem die skurrilen Ideen in Rango stammen, denn auch wenn der Film letztlich ein gemeinschaftliches Projekt ist, man erkennt durchaus die Handschrift des Regisseurs, aber auch des Studios.

Alles beginnt damit, dass das Chamäleon Rango, Zeit seines Lebens gefangen in einem einsamen Terrarium und nur mit seiner Phantasie als Zufluchtsmöglichkeit, mitten in der Wüste auf der Straße landet. Widrigen Umstände zufolge wird er in dem kleinen Dorf "Dreck" mitten in der staubigen Wüste als Held gefeiert, immerhin hat er einen der größten Schrecken der Dorfbewohner erlegt. Rangos gesamte Geschichte wird dabei von einer Mariachi-Band bestehend aus Kaninchenkauzen besungen und in "Dreck" begegnet er seltsamen Kreaturen wie unter anderem der Wüstenleguandame Bohne, einer Krötenechse, einer Wüstenmaus, einer Klapperschlange und nicht zuletzt der Schildkröte Bürgermeister John (zusammen mit unzähligen anderen). Der stellt Rango nach seiner unfreiwilligen und glücklichen Heldentat als Sheriff ein. Wozu genau, weiß Rango nicht, denn viele Verbrechen scheint es in der Gemeinschaft nicht zu geben. Doch werden die Dorfbewohner unruhiger, der Wasservorrat der Bank geht zur Neige, wie aussichtslos die Situation ist, sollten die Bürger lieber nicht erfahren. Zuerst ist Rango der Held, dann wird er von den Bewohnern verteufelt, er wäre verantwortlich für die Knappheit, doch mit seiner Schlagfertigkeit und seiner Redekunst gelingt es ihm immer wieder, die Leute auf seine Seite zu ziehen. Als der Wasservorrat gestohlen wird, macht er sich mit einer Truppe tapferer Dörfler auf, das Wasser zu suchen. Und langsam dämmert es ihm und dem Publikum, dass die Wasserknappheit ganz andere Ursachen hat.
Würde man die Geschichte lesen, ohne als Einführung zu sagen, dass es sich dabei um einen Animationsfilm mit tierischen Figuren handelt, könnte man meinen, Rango wäre ein normaler Western mit modernen Themen. In der Tat hat man häufig das Gefühl, Verbinski und sein Team hätten keinen Animationsfilm gemacht, sondern sich nur zum Ziel gesetzt, eine Geschichte mit skurrilen Figuren zu erzählen. Herausgekommen ist ein Film, der sich bei vielen Western bedient und auch ein ebenso passendes Flair entwickelt, das aber mit den Themen der Industrialisierung und Modernisierung bedeutend aktuellere Themen anspricht. Vielleicht ist es ja sogar als Metapher zu sehen, dass die Verweigerung gegenüber dem blendenden Fortschritt, der aber keine Besserung bedeutet, sich in der 2D-, statt einer 3D-Präsentation des Films offenbart. In gewissem Sinn bleibt Rango dabei ein klassischer Western mit einem Helden als Hauptfigur, der ein solcher nicht sein möchte, und auch nur unfreiwillig wird, der die Dorfbewohner mit seinen Taten aber inspiriert und mobilisiert. Ohne es zu ahnen erfüllt er seine Bestimmung und wächst dabei in seine Rolle erst noch hinein. Er gibt Hoffnung, wo alle Hoffnung verloren scheint, und auch wenn er als der Betrüger entlarvt wird, der er eigentlich ist, heißt das nicht, dass wofür er steht ebenso nichtig ist.

Diese Elemente werden den kleinen Zusehern verborgen bleiben, und man mag sogar vermuten, dass das eigenwillige Aussehen der Figuren, die Verwendung von Schusswaffen, Explosionen und die Bedrohung der Helden ein junges Publikum überfordert. Erwachsene werden hingegen Parallelen zu Antikriegsfilmklassikern erkennen (nicht zuletzt auf Grund der musikalischen Untermalung), oder Nebenfiguren wie den Geist des Westens in Rangos Vision als die Westernlegende erkennen, die damit gemeint ist. Für Kenner ergeben sich beim Design viele Parallelen zur Videospielreihe Oddworld, die derzeit eine Renaissance erlebt. Dazu trägt vor allem die exzellente Präsentation bei, die sich hinter Pixar, DreamWorks und den übrigen Studios nicht zu verstecken braucht, im Gegenteil. Die Liebe zum Detail und der Mut zur Exzentrik heben Rango merklich von den Genrekollegen ab. Auch wenn man sich wünschen würde, die Macher hätten sich deutlich auf ein erwachseneres Publikum als Zielgruppe beschränkt – dann wären auch zynische und makabere Seitenhiebe möglich gewesen. Diese blitzen versteckt mitunter durch, aber die kindgerechte Ausbalancierung lassen sie nicht nach draußen.


Fazit:
Nach den ersten paar Minuten weiß man Rango nicht so recht einzuschätzen. Es ist ein Gefühl, das zehn Minuten später noch nicht nachlässt. Ist das erste Drittel jedoch geschafft und hat man sich an den ungewöhnlichen Look des Films gewöhnt, erkennt man dahinter die feinen Anspielungen, die auch was den Hintergrund der Geschichte angeht, für einen Animationsfilm erstaunlich komplex geraten sind.
Die Visionen und Traumsequenzen wären schon skurril genug, doch das Universum, das Regisseur Gore Verbinski entwirft, ist so erfrischend andersartig, dass man es durch die außergewöhnlichen Bilder glatt übersehen könnte. Die Geschichte ist packend und so actionreich wie lustig dargebracht. Einzig die Tatsache, dass manche Gags arg vorhersehbar, beziehungsweise für eine kindgerechte Präsentation eingestreut sind, zieht für Erwachsene die etwas mehr als eineinhalb Stunden in die Länge. Dabei werden Kinder mit den dahinter liegenden Themen ohnehin wenig anzufangen wissen. Und je mehr Filme und Western man gesehen hat, umso mehr Anspielungen in Rango wird man auch erst verstehen.