Prey [2022]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 3. Oktober 2022
Genre: Science Fiction / Action / Horror

Originaltitel: Prey
Laufzeit: 99 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Dan Trachtenberg
Musik: Sarah Schachner
Besetzung: Amber Midthunder, Dane DiLiegro, Dakota Beavers, Michelle Thrush, Julian Black Antelope, Coco, Stormee Kipp, Mike Paterson, Bennett Taylor, Nelson Leis, Troy Mundle


Kurzinhalt:

Im Jahr 1719 lebt die junge Naru (Amber Midthunder) mit ihrem Stamm vom Volk der Comanche in den Great Plains. Auch wenn sie traditionell als Frau eine andere Rolle im Stamm einnehmen soll, möchte sie wie ihr Bruder Taabe (Dakota Beavers) eine Kriegerin werden. Als sie seltsame Lichter am Himmel sieht, glaubt sie, ihr Volk schwebe in Gefahr und auf der Suche nach der Ursache, muss sie mitansehen, wie ein Grizzlybär von einem unbekannten, unsichtbaren Jäger (Dane DiLiegro) erlegt wird – mit bloßen Händen. Anstatt auf ihre Warnungen zu hören, wird Naru von den übrigen jungen Kriegern ignoriert. Dabei sind sie alle bereits in das Visier eines Wesens geraten, das ihnen technisch weit überlegen ist. Für diesen Jäger sind die Menschen die Beute …


Kritik:
In seiner zweiten Spielfilmregiearbeit nimmt sich Regisseur Dan Trachtenberg (10 Cloverfield Lane [2016]) dem Genreklassiker Predator [1987] an und erzählt eine Vorgeschichte dazu, auf die Fans gewissermaßen seit über 30 Jahren warten. Damals erschufen die Autoren von Predator 2 [1990] mit einigen beinahe beiläufigen Anmerkungen ein ganzes Universum jenes Weltraumjägers, das Raum für Spekulation bot. Nachdem der „Predator“ selbst zuletzt beinahe zu einer Karikatur verkam, kehrt der Regisseur zu dessen Wurzeln zurück und besinnt sich darauf, was Arnold Schwarzeneggers Kampf gegen einen weit überlegenen Gegner seinerzeit auszeichnete. Aber gleichzeitig beugt sich Prey offenbar heutigen Studioerwartungen und verkennt damit, weshalb nicht zuletzt Predator - Upgrade [2018] als Fortsetzung so kolossal implodierte.

Das Konzept der Story bleibt dabei denjenigen der bisherigen vier Filme des Franchise treu: Eine Hauptfigur muss sich gegen einen technologisch weit überlegenen, außerirdischen Jäger behaupten, der mit modernsten Waffen Jagd auf seine Beute macht. Neu ist hier, dass Prey die Geschichte in das Jahr 1719 versetzt und darüber hinaus eine junge Frau des indigenen nordamerikanischen Volkes der Comanchen ins Zentrum rückt. Naru will sich in ihrem Stamm als Kriegerin beweisen, zumal ihr Bruder Taabe als ein eben solcher Krieger angesehen ist. Wiederholt wird Naru auf seltsame Geräusche und Lichter aufmerksam und ist sich sicher, dass ihrem Stamm Gefahr droht. Dabei ist nicht nur der Predator in der Großen Ebene unterwegs, sondern auch französische Trapper, die den fremden Jäger im Visier haben.

So simpel die Ausgangslage klingt, so gelungen ist die Stimmung, die Dan Trachtenberg vor allem im ersten Drittel erzeugt. Mit mehr Augenmerk auf Authentizität, beginnend bei der Kleidung der Figuren, dem Aussehen oder allein der Beleuchtung, als man erwarten würde, etabliert Prey eine stimmige und unheilvolle Atmosphäre. Die erste Bedrohung, der sich Naru und Taabe gegenüber sehen, scheint im Gegensatz zu dem außerirdischen Jäger geradezu beherrschbar: Ein Stammesmitglied wurde von einem Berglöwen schwer verwundet und zusammen mit einem weiteren Jäger machen sich die Geschwister auf, das Tier zu töten. Bewaffnet mit Axt sowie Pfeil und Bogen oder einem Speer, gestaltet sich das für die junge Kriegerin als schwieriger, als erwartet. Dies könnte (und sollte) als Ausgangspunkt verwendet werden, um dem Publikum vor Augen zu führen, wie schier unlösbar die Herausforderung sein muss, wenn sich Naru dem weit überlegenen Predator stellt, doch die Art und Weise, wie das Drehbuch die Bedrohung steigert, ergibt letztlich nur wenig Sinn.

Blickt man zurück auf John McTiernans Predator, war die Ausgangslage damals so aufgebaut, dass eine bis an die Zähne bewaffnete Truppe Elitesoldaten im Dschungel von einem außerirdischen Jäger dezimiert wurde. Zu sehen, wie diese testosterongeladenen Kämpfer mit ihren Granaten und regelrechtem Kriegsgerät nicht nur um ihr Leben fürchteten, sondern einer um den anderen dem Angreifer zum Opfer fiel, war Furcht einflößend. Denn wenn diese Elitesoldaten mit ihren Waffen machtlos waren, wie würde es einem selbst ergehen? In Prey hätten die Verantwortlichen zeigen können, wie schwer es Naru und ihrem Bruder fällt, den Löwen als Jagdtier zu erlegen, oder wie überlegen die französischen Trapper den einfachen Waffen der Comanche sind, um den Predator mit seinem Tarnanzug, gesteuerten Pfeilen oder seiner schieren Gewalt nochmals darüber zu etablieren. Doch stattdessen konfrontiert der Film relativ früh die Ureinwohner Amerikas mit dem außerirdischen Jäger. Was folgt, ist kein Kampf – es ist ein sinn- und hoffnungsloses Gemetzel. Insofern wundert es nicht, dass der Moment, in dem sich Naru gegen einen Bären wehren muss, bedeutend spannender ist, als wenn sich ihre Stammesbrüder oder aber die Trapper dem Predator gegenüber sehen. Dass sie ihm unterlegen sind und einen grauenvollen Tod sterben werden, ist keine Überraschung. Die Frage ist nur, wie.

So wird auch die Frage in den Hintergrund gerückt, wie Naru den Angreifer selbst besiegen will. An dessen Stelle setzt Prey eine Sequenz, in der die französischen Trapper das Wesen in einen Hinterhalt locken wollen, nur um in einer ewig langen Sequenz dahingerafft zu werden. Der Metzelei solch namenloser Figuren beizuwohnen, die allesamt nicht sympathisch sind, ist aber ebenfalls kaum mitreißend. So ergeht es auch der Geschichte insgesamt, die bis auf wenige Momente nie packt. Das bedeutet nicht, dass Trachtenbergs Film nicht gelungen wäre. Das Design, insbesondere die Anpassung des Aussehens und der Waffen des Predators an eine Zeit mehr als 250 Jahre, bevor er im ersten Film der Reihe auftritt, ist bemerkenswert und schlüssig. Auch dass die Gewalt oftmals im Hintergrund stattfindet oder aus großer Entfernung, anstatt sie unmittelbar vor der Kamera zu zelebrieren, ist eine gute Entscheidung. Doch an der bestehenden Formel, die die ersten Filme ausgezeichnet haben, verändert der inzwischen fünfte Teil zu wenig, trotz der ungewohnten zeitlichen Umgebung. Dafür erscheint das Gemetzel im letzten Drittel schlicht unnötig und richtet sich mutmaßlich an einen Teil des Publikums, das auf den Splatter-Aspekt Wert legt.

In vielen Belangen konzentriert sich Dan Trachtenberg darauf, was insbesondere den ersten Teil der Predator-Reihe ausgezeichnet hat. Das Geschehen in jene Zeit zu verlagern, ist ein ebenso guter Einfall, wie das Gezeigte aus Sicht der jungen Comanchen-Kriegerin zu schildern. Doch werden die Figuren wenig vertieft oder gar vorgestellt. Über Narus Hintergrund erfährt man kaum etwas. Dass sie mit ihrer Mutter im Stamm lebt, muss man sich ebenso erschließen, wie dass beispielsweise der junge, vom Berglöwen angegriffene Krieger stirbt. Zu den namenlosen Opfern des Jäger, insbesondere in der zweiten Filmhälfte, hat das Publikum gar keine Verbindung, insoweit interessiert ihr Schicksal nicht. Und so interessant die Erwähnung eines Artefakts aus Predator 2 ist, wie es am Ende in die Hände jener Wesen gelangen soll, erfährt man ebenso wenig. Was wäre gewesen, hätte sich Naru dem Predator nicht allein stellen müssen, sondern die Geschwister gemeinsam, um ihren Stamm zu schützen? Was, wenn sie auf eine Gruppe dahingeraffter Trapper gestoßen wären und sich gefragt hätten, welche Kraft es braucht, diese ihnen waffentechnisch überlegenen Männer zu ermorden, ohne Spuren zu hinterlassen?
Es wäre vielleicht zumindest ein erfrischenderer Ansatz gewesen, als Prey seinem Publikum präsentiert.


Fazit:
Prey besitzt eine tolle Stimmung zu Beginn und ist tadellos ausgestattet. Handwerklich gibt es kaum etwas auszusetzen, auch wenn Narus Kampfszenen übersichtlicher in Szene gesetzt sein könnten. Bedauerlich ist jedoch, dass ohne eine Verbindung zu den Figuren ihr Überlebenskampf kaum interessiert und die Geschichte selbst nach bekanntem Muster verläuft. Wie dies anders sein könnte, zeigt der Angriff des Bären, der durchaus packt. Nur ist der nicht der eigentliche Bösewicht. Insoweit ist der fünfte Teil der Reihe immer noch spürbar gelungener als der letzte und wartet für diejenigen, die mit den ersten Filmen vertraut sind, mit genügend Ideen auf, um für Erwachsene geeignete Science Fiction-Horror-Unterhaltung zu bieten. Doch wollte Regisseur Dan Trachtenberg hier spürbar mehr und das ist ihm leider nicht in letzter Konsequenz gelungen.