Pans Labyrinth [2006]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 08. Juli 2013
Genre: Fantasy / Horror / Drama / Kriegsfilm

Originaltitel: El laberinto del fauno
Laufzeit: 118 min.
Produktionsland: Spanien / Mexiko / USA
Produktionsjahr: 2012
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Guillermo del Toro
Musik: Javier Navarrete
Darsteller: Ivana Baquero, Ariadna Gil, Maribel Verdú, Sergi López, Doug Jones, Álex Angulo, Manolo Solo, César Vea, Roger Casamajor, Ivan Massagué, Gonzalo Uriarte


Kurzinhalt:
Ihr Vater ist aus dem Bürgerkrieg nicht heimgekehrt. Nach Jahren hat ihre Mutter Carmen (Ariadna Gil) den Hauptmann Vidal (Sergi López) geheiratet und so reist Ofelia (Ivana Baquero) mit ihrer hochschwangeren Mutter in die Berge Nordspaniens, da laut dem Hauptmann ein Sohn dort zur Welt kommen muss, wo sein Vater ist. Vidals Auftrag ist die Auslöschung der Rebellen, die sich auch 1944 noch gegen Francisco Francos Herrschaft stellen. Sie werden von Sympathisanten der Bevölkerung unterstützt, ein Zustand, gegen den er ebenfalls vorgehen will. Kurz nach ihrer Ankunft, erhält Ofelia Besuch von einem seltsamen Wesen, das sich als Fee entpuppt und sie durch ein Labyrinth führt, das sich in der Nähe von Vidals Quartier befindet. Dort trifft Ofelia auf einen Pan (Doug Jones), der ihr erzählt, sie sei die wiedergeborene Prinzessin eines alten Herrschers und könne zurück zu ihren wahren Eltern – wenn sie drei Prüfungen besteht.
In einem magischen Buch findet sie schon bald die Anweisungen für ihr erstes Abenteuer, das sie in eine Höhle tief unter einem sterbenden Baum führt. Während für Ofelia die Prüfungen immer gefährlicher werden, ergeht es ihrer Mutter immer schlechter. Und auch die Haushälterin Mercedes (Maribel Verdú), die verdeckt für die Rebellen arbeitet, gerät in immer größere Gefahr ...


Kritik:
Als jemand, der einige, wenn auch nicht alle Filme des Regisseurs Guillermo del Toro gesehen hat, habe ich mich immer gefragt, wie Fans so euphorisch reagieren konnten, als bekannt wurde, dass er statt Peter Jackson die Regie bei der Hobbit-Trilogie übernehmen würde. Insbesondere del Toros Horrortrash Blade II [2002] fällt einem hier ein. Sein Engagement beim Hobbit hat sich zwar zerschlagen, aber nach Pans Labyrinth kann ich zumindest verstehen, was ihn für das Fantasy-Epos um Mittelerde empfolen hätte. Das düstere Märchen, das erstaunlicherweise nicht auf einer Vorlage beruht, sondern von Guillermo del Toro vollständig ausgedacht wurde, überrascht mit einer ebenso einfallsreichen wie tragischen Mythologie, die fantasievoll umgesetzt wurde. Einzig, weshalb die Story vor dem realistischen Hintergrund der Kämpfe nach dem spanischen Bürgerkrieg spielt, ist unverständlich.

Die Geschichte beginnt im Norden Spaniens im Jahr 1944, wo die Armee unter Leitung von Hauptmann Vidal eine Gruppe Rebellen, die sich in den Bergen versteckt hält, ausmerzen soll. So unerbittlich das Vorgehen, so bemüht ist die Regierung Francos gleichzeitig, sich bei der Bevölkerung als Fürsorger zu präsentieren mit Essensausgaben und weiterer Versorgung. Vidals Hauptquartier ist in einer alten Mühle untergebracht, wohin er seine hochschwangere Frau Carmen und deren Tochter aus erster Ehe, Ofelia, bringen lässt. Die Elfjährige, die den neuen Mann ihrer Mutter nicht als Vater sieht, verliert sich gern in Büchern und versucht sogar, ihre Mutter und die Haushälterin Mercedes davon zu überzeugen, dass eine Fee sie besucht hat. Von ihr wurde sie in ein nahe der Mühle gelegenes, uraltes Steinlabyrinth gebracht, wo sie einem Pan begegnet ist. Der hat ihr erzählt, sie wäre die wiedergeborene Prinzessin Moanna, die vor langer Zeit aus Neugier das Königreich ihrer Eltern verlassen hatte. Um dorthin zurückzukehren, muss sie drei Prüfungen bestehen, ehe der nächste Vollmond aufgeht.

In diesem Moment würde man erwarten, dass sich das Drehbuch ganz auf Ofelia und ihre Abenteuer verlässt, wir ihr folgen bei ihren Prüfungen, um herauszufinden, was es mit den Versprechungen des Pans auf sich hat. Dies ist zum Teil auch richtig, aber der fantastische Teil nimmt nicht einmal die Hälfte von Pans Labyrinth ein. Der zweite Storyfaden umfasst die Bemühungen des skrupellosen, bösartigen Vidals, der Rebellen Herr zu werden und die Sympathisanten, die sie mit Essen und Medizin unterstützen, ebenso zu beseitigen. Dass seine Mercedes selbst eine ist, ist früh absehbar und wenn man es genau nimmt, ist sie die eigentliche Heldin des Films.
Weswegen es ein Anliegen del Toros war, seine Fantasy-Mär vor dem realen und gewalttätigen Hintergrund der Unterdrückung durch das Franco-Regime zu zeigen, wird sein Geheimnis bleiben. In jedem Fall ist es eine Mischung, die einen seltsamen Beigeschmack behält. Abgesehen davon, dass die gezeigte Gewalt sowohl relativ am Anfang, wie auch in einer späteren Folterszene über das notwendige Maß weit hinaus geht (und auch eine höhere Altersfreigabe notwendig machen würde), es scheint keine wirkliche Verbindung zwischen der fantastischen und der wirklichen Welt zu geben.

Dass Ofelias Abenteuer real sind, steht außer Frage, immerhin ist sie mittels einer magischen Kreide in der Lage, aus einem geschlossenen Zimmer zu entkommen – und auch die Gegenstände, die sie in den ersten beiden Prüfungen beschaffen muss, gibt es in der wirklichen Welt. Von dem Buch, in dem sich ihre Aufgaben selbst schreiben, ganz zu schweigen. Aber ebenso real ist die Grausamkeit Vidals und seiner Offiziere, die zahlreichen Toten auf Grund der Kämpfe der Armee und der Rebellen. Sehen wir in einem Moment eine gigantische Kröte drei verzauberte Bernsteine schlucken, oder eine Zauberwurzel, die sich wie ein Baby in einer Milchschale windet, beobachten wir im nächsten Moment eine Amputation bei einem Schwerverletzten oder sehen eine Partei in einen Hinterhalt geraten, bei dem ein Dutzend Männer erschossen werden.
So fantastisch und gelungen der Look der düsteren Variante von Alices Abenteuer im Wunderland [1903] ist, er verwässert auf seltsame Weise die Wirkung, welche die gezeigten Kriegsgräuel auf einen haben. Allein durch die Geschichte eignet er sich ohnehin nicht für ein junges Publikum, aber auch Erwachsene dürften Schwierigkeiten haben, hier einen Zugang zu finden.


Fazit:
Man erwartet am Ende, dass die Geschichte die Brücke zwischen der fantastischen und der wirklichen Welt schlägt, indem die Fabelwesen Ofelia beispielsweise zu Hilfe kommen und ihrem Alptraum ein Ende setzen. Doch Autor und Regisseur Guillermo del Toro trennt die Storyebenen bis zum Schluss, auch wenn er beide gleich real einstuft. Die Optik seines dunklen Märchens ist ebenso einfallsreich wie schaurig, die Prüfungen, die Ofelia zu bewältigen hat, packend und gefährlich. Doch auf emotionale Weise mitreißend ist bei Pans Labyrinth die zweite Story um die Rebellen, die sich einen erbitterten Kampf mit dem Militär liefern. Insbesondere, wenn die Grausamkeit von Hauptmann Vidal offenkundig wird.
Hier geht der Film in einigen Momenten zu weit in der Gewaltdarstellung und reißt uns dadurch aus der Fantasy-Welt. Am Ende ist es eher die unpassende Mischung aus historischem Hintergrund und fantasylastiger Erzählung, die in Erinnerung bleibt, als die tollen Darsteller, angeführt von einer starken Ivana Baquero und einer ebenso imposanten Maribel Verdú, oder die tolle Machart. Hätte sich del Toro entschieden, Ofelia vollständig in die verzauberte Welt eintauchen zu lassen, wäre ein stimmiges und stimmungsvolleres Märchen – auch für Erwachsene – möglich gewesen.