Pärchenabend [2024]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 10. August 2024
Genre: Komödie

Laufzeit: 88 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt

Regie: Leo Khasin
Musik: Martin Todsharow
Besetzung: Alwara Höfels, Serkan Kaya, Adina Vetter, Ken Duken, Carol Schuler, Jacob Matschenz, Marleen Lohse


Kurzinhalt:

So gut die Absichten, es klingt für alle Beteiligten wie eine schlechte Idee, als Caro (Alwara Höfels) sich entscheidet, einen Pärchenabend zu organisieren, an dem sie mit ihrem Mann Tarek (Serkan Kaya) ein Essen für Anne (Adina Vetter) und Phillipp (Ken Duken) sowie Matze (Jacob Matschenz) und dessen neue Freundin Nesrin (Carol Schuler) ausrichtet. Vor zwei Jahren kam es zum Bruch der ehemaligen Freundesclique, die sich seither aus den Augen verloren hat. Phillipp hat nur zugesagt, da er hofft, Tarek zur Rede stellen zu können, den er dafür verantwortlich macht, dass das Leben von Matzes damaliger Freundin Mona (Marleen Lohse) einen solchen Knick erfahren hat. Matze selbst will im Grunde gar nicht hingehen, doch Nesrin ist gespannt darauf, seine Freunde kennen zu lernen. Sie ahnen nicht, dass an diesem Abend mehrere Geheimnisse ans Licht kommen, die alle einem Pulverfass für ihre Freundschaft gleichen …


Kritik:
Basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Alexandra Maxeiner aus dem Jahr 2017 erzählt Pärchenabend eine so bekannt klingende wie auch vielversprechende Geschichte. Über den Verlauf eines gemeinsamen Abends dreier Pärchen kommen Geheimnisse ans Licht und die wahre Dynamik der Freundschaften wird offengelegt. Doch anstatt Mut zu beweisen und die Figuren tiefer zu ergründen, verbleibt die Erzählung gleichermaßen oberflächlich wie absehbar. Unterhaltsam ist es dennoch.

Es beginnt damit, dass Caro, die mit Tarek verheiratet ist, auf die Idee kommt, ein gemeinsames Abendessen für die ehemalige Clique um sie, Anne und Philipp sowie Matze und dessen neue Freundin Nesrin auszurichten. Die Gruppe hat sich vor beinahe zwei Jahren aus den Augen verloren, nachdem Matzes damalige Freundin Mona gewissermaßen unfreiwillig die Clique verlassen hat. Was es damit auf sich hat, liegt ebenso im Kern von Leo Khasins Erzählung, wie was seit geraumer Zeit innerhalb der jeweiligen Paare für eine schleichende oder bereits fortgeschrittene Entfremdung sorgt. Dass Tarek Caro betrügt, wird beispielsweise bereits beim Vorspann gezeigt und mit wem er sie hintergeht, kann sich selbst ein Gelegenheitspublikum lange erschließen, noch bevor die Information die Gespräche des Abends in eine ganz andere Richtung lenkt. So wenig überraschend dieser Aspekt der Geschichte ist, so unerwartet ist doch, wie früh speziell dieses Geheimnis gelüftet wird. Man würde vermuten, dass dies erst beim großen Finale der Fall ist, nachdem sich die Situation immer weiter hochgeschaukelt hat. Tatsächlich kommt diese Wahrheit bereits nach der Hälfte der Laufzeit ans Licht, dicht gefolgt von einem weiteren Geheimnis, das zwei andere Figuren miteinander verbindet, die diese Verbindung nicht öffentlich wissen wollen.

Führt man sich nun vor Augen, dass Pärchenabend die zwei größten Enthüllungen so zeitig aufdeckt, fragt man sich zurecht, was Regisseur Kashin seine Figuren während des restlichen Abends erleben lässt. Spätestes, wenn die zweite sprichwörtliche Bombe geplatzt ist, würden die meisten Menschen, die an diesem Tisch sitzen, das Weite suchen. Doch statt eine Begründung zu finden, weshalb sie bleiben – beispielsweise einen Stromausfall oder ein verheerendes Unwetter, das sie am Gehen hindert – entscheiden sie sich hierzu einfach. Es spiegelt gewissermaßen wider, dass sich diese Figuren überhaupt zusammensetzen, obwohl was immer sie einmal verbunden hat, lange bereits vergangen ist. Es ist ein ganz offensichtlicher Vorwurf, den man der kammerspielartigen Komödie machen muss, denn die sechs zentralen und doch so unterschiedlichen Figuren werden kaum vorgestellt, geschweige denn vertieft.

Was Tarek und Caro von Beruf sind, ist am Ende ebenso ein Rätsel wie für die Geschichte unwichtig. Sie sind augenscheinlich ebenso wohlhabend wie Anwalt Phillipp und seine Frau Anne, deren beruflicher Werdegang ebenso ein Rätsel bleibt, wie Matzes Beschäftigung. Immerhin hat es bei ihm den Anschein, als würde er nicht im gentrifizierten Neubauluxus leben, doch thematisiert das Drehbuch ein finanzielles Gefälle zwischen den befreundeten Pärchen nicht. Stattdessen stellt Pärchenabend mit allzu bekannten Floskeln die Rollenverteilung von Mann und Frau in der Ehe in den Mittelpunkt, lässt Caro und Anne davon erzählen, dass sie den Großteil der sogenannten Care-Arbeit übernehmen und dafür beruflich zurückstecken mussten. Das ist inhaltlich nicht falsch und thematisch wichtig, doch dies allein an zwei finanziell besser gestellten Familien zu beschreiben, verkennt die gesellschaftliche Realität ebenso, wie Tareks und Phillipps reflexartige Erklärung ihrer jeweiligen Wahrnehmung der stagnierenden Ehe, in der sie sich kaum gesehen fühlen, nur Klischees bedient. Dass Matze und Nesrin bei alledem außen vor bleiben, würde sie grundsätzlich in die Position versetzen, die vorgebrachten Argumente objektiv zu bewerten, doch dazu kommt es nicht.

Zu sehr kreist die Erzählung um die spezielle Dynamik dieser Dreiecksfreundschaft, deren Kern trotzdem nie auch nur gestreift wird. Wie sich diese so unterschiedlichen Charaktere getroffen haben, was sie einst verband und wann ihre Lebensentwürfe auseinander gedriftet sind, wird nie auch nur angesprochen. Das ist auch deshalb ein Versäumnis, da man so nie vermittelt bekommt, was sie verloren haben, als ihre Freundschaft vor ein paar Jahren zerbrach. Pärchenabend traut sich nicht, die Wut und Enttäuschung der Figuren tatsächlich ins Zentrum zu rücken. Die Wut darüber, betrogen worden zu sein und damit die Sicherheit der eigenen Familie im Kern zerrüttet um sehen. Oder die Enttäuschung darüber, dass die eigenen Erwartungen an die Affäre und eine gemeinsame Zukunft nicht erfüllt werden. Nicht einmal ein bittersüßer Beigeschmack darf am Ende bleiben, dass die Figuren ihr eigenes Glück aufs Spiel oder in den Sand gesetzt haben. Vielmehr muss sich für jedes der Pärchen eine gewisse Auflösung finden, die die Verletzung der Taten der bzw. des jeweils anderen aufwiegt und in Luft auflöst.

Das trägt zusammen mit den mitunter durchaus spritzigen Dialogen dazu bei, dass Leo Khasins Komödie leichtfüßig und unterhaltsam bleibt. Doch es beweist auch, wie oberflächlich der Fingerzeig auf die thematisierten gesellschaftlichen Gefälle ist und wie realitätsfern die romantisierte Erzählung im Allgemeinen.


Fazit:
Eine der ersten Fragen, die man sich bei Leo Khasins Theaterstückadaption stellt, ist, weshalb die Verantwortlichen ein so offensichtlich computergeneriertes Kaninchen derart prominent in Szene setzen. Dabei findet sich der fehlende Realismus in vielen Aspekten der Geschichte wieder. Angefangen davon, dass keine der Parteien gehen will, obwohl sie sich offenbar nichts mehr zu sagen haben, bis hin zu klischeehaften Vorhaltungen der unterschiedlichen Geschlechter oder wie sie alle damit umgehen, dass ihr Leben gewissermaßen auf den Kopf gestellt wird. Nicht nur, dass für allfies keine Lösungen aufgezeigt werden, die Spannungen haben sich in jeder Hinsicht am Ende des Abends beinahe in Wohlgefallen aufgelöst, so dass niemand irgendjemandem böse sein soll. Aber selbst, wenn nichts davon tatsächlich greifbar wird, das Kammerspiel würde grundsätzlich das Potential besitzen, dem Publikum den Spiegel vorzuhalten. Doch dafür müsste es tatsächlich hinter die Fassade dieser Figuren blicken, was kaum der Fall ist, und wenn, entdeckt man nur Altbekanntes. Pärchenabend ist eine Komödie, die stets oberflächlich verbleibt und deren überraschende Wendungen weit absehbar sind. Doch bedeutet das nicht, dass man sich nicht durchaus gelungen unterhalten lassen könnte. Die Dialoge sind teils überraschend spitz, die Besetzung merklich gut gelaunt und die Eskalation des Abends durchaus gelungen. Es ist eine Komödie ohne realistischen Anspruch, aber mit einem Unterhaltungswert, der die meisten Pärchenabende bei weitem übertrifft.