Official Secrets [2019]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. September 2019
Genre: Biografie / Drama

Originaltitel: Official Secrets
Laufzeit: 112 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Gavin Hood
Musik: Paul Hepker, Mark Kilian
Besetzung: Keira Knightley, Matt Smith, Matthew Goode, Rhys Ifans, Adam Bakri, Indira Varma, Ralph Fiennes, Conleth Hill, Tamsin Greig, Hattie Morahan


Kurzinhalt:

Zu Beginn des Jahres 2003 wirbt der damalige US-Präsident George W. Bush international für einen militärischen Einsatz im Irak. Als die Mitarbeiterin des britischen Nachrichtendienstes GCHQ Katharine Gun (Keira Knightley) eine NSA-E-Mail erhält, in der die Behörde aufgefordert wird, Material zu sammeln, mit dem UN-Vertreter dazu gezwungen werden können, für eine Kriegsresolution der USA zu stimmen, ist sie schockiert. Sie entscheidet sich, die vertrauliche Nachricht anonym an die Presse zu leiten, in der Hoffnung, der Aufschrei der Bevölkerung würde die britische Regierung abhalten, sich an dem Krieg zu beteiligen. Journalist Martin Bright (Matt Smith) der Tageszeitung The Observer veröffentlicht die Story, doch auf Grund eines Kardinalfehlers wird die Glaubwürdigkeit des Observer in Frage gestellt. Deshalb und um die Belegschaft des GCHQ vor weiteren internen Ermittlungen zu schützen, stellt sich Katharine. Sie wird wegen Geheimnisverrats durch Verstoß gegen den Official Secrets Act verhaftet. Während man fest entschlossen ist, an der Whistleblowerin ein Exempel zu statuieren, darf sie nach dem Gesetz nicht einmal mit ihrem Anwalt Ben Emmerson (Ralph Fiennes) über das sprechen, was beim GCHQ geschehen ist …


Kritik:
Das auf wahren Ereignissen basierende Politdrama Official Secrets von Filmemacher Gavin Hood ist ein ebenso gelungenes wie alarmierendes Plädoyer dafür, dass politische Angelegenheiten, die unzählige Menschenleben berühren, nicht in Kurznachrichtendiensten erklärt oder vollzogen werden können – oder sollten. In einer immer schnelllebigeren Welt ist ein Regierungsapparat, der in Debatten, Komitees und Ausschüssen arbeitet, auf Grund seiner Langsamkeit eine kaum zu fassende Institution. Umso wichtiger ist es, Hintergründe aufzuzeigen, Verknüpfungen herzustellen und den Werdegang bestimmter Abläufe festzuhalten. Blickt man mit genügend Abstand auf jene Zeit zu Beginn dieses Jahrtausends, in der an verheerenden Kriegsschauplätzen zig Tausende Menschen ihr Leben verloren, lassen sich Täuschungen erkennen, die diese Konflikte der Allgemeinheit gegenüber nicht mehr rechtfertigen lassen. Dem ist auch so dank der jungen Geheimdienstmitarbeiterin Katharine Gun, die als Whistleblowerin im Frühjahr 2004 vor einem britischen Gericht stand, weil sie Geheimnisverrat begangen hatte. Official Secrets erzählt ihre Geschichte. So aufschlussreich das ist, es lässt am Ende doch manche Aspekte im Dunkeln, die es wert wären, beleuchtet zu werden.

An sich ist Hoods Nacherzählung ein klassisches Gerichtsdrama, das in einem entscheidenden Moment beginnt und dann ein Jahr zurück springt, um zu schildern, wie es dazu kommen konnte, dass sich eine erst 29jährige Mitarbeiterin des GCHQ, Englands Nachrichten und Sicherheitsdienst, wegen Verstößen gegen den Official Secrets Act verantworten muss. Überraschend ist jedoch, wie wenig Official Secrets tatsächlich vor Gericht spielt.
Die eigentliche Geschichte beginnt im Januar 2003, als die Angestellten des GCHQ, die fremde Telefonate mithören und private Nachrichten mitlesen, um mögliche Gefahren für das britische Volk aufzuspüren, ein Memo des US-amerikanischen Nachrichtendienstes NSA erhalten. Darin werden sie aufgefordert, Informationen beizusteuern, mit deren Hilfe nicht ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats erpresst werden können, sodass diese einer amerikanischen UN-Resolution für einen militärischen Einsatz im Irak gegen Saddam Hussein zustimmen.

Diplomaten auszuspionieren, um sie erpressen zu können, klingt nach dem Stoff eines Agententhrillers, insofern wundert es nicht, dass es in Official Secrets zahlreiche Momente gibt, in denen man nur ungläubig tief Luft holen kann. Katharine Gun kann die Aufgabe nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren und informiert über Kontakte die Presse. Das Volk soll erfahren, mit welchen Mitteln die gewählten Vertreter das Land in einen Krieg im Nahen Osten stürzen. Dass der Film zu diesem Zeitpunkt den Blickwinkel ändert und die Journalisten beleuchtet, die gegen Widerstände die Story veröffentlichen, ist nachvollziehbar. Auch tut Gavin Hood gut daran, die zeitliche Komponente dem Publikum zu vermitteln. Als nach einem Monat der Artikel veröffentlicht wird, beginnt beim GCHQ eine Maulwurfsjagd und der Druck auf Katharine wächst.

Kommt schließlich der Moment, in dem sie entgegen aller Ratschläge ihres muslimischen Ehemanns, dessen Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, gesteht, um ihren Kolleginnen und Kollegen weitere intensive Befragungen zu ersparen und die Echtheit des Dokuments zu bestätigen, erzeugt der Film eine greifbar beklemmende Stimmung. Das liegt zum großen Teil an der fantastischen Darbietung von Keira Knightley, die dem Publikum stets einen Bezugspunkt verleiht, selbst wenn die Erzählung selbst selten so dramatisch gerät, dass man emotional mitgerissen wird. Das ist erst dann der Fall, wenn sie die Macht der von ihr vorgeführten Institutionen zu spüren bekommt. Ebenso wie ihr Mann.

All das ist tadellos dargebracht und vom Filmemacher auf eine Art und Weise eingefangen, dass die Figuren aus dem Hintergrund regelrecht herausgelöst scheinen, wenn was vor und hinter ihnen platziert ist, unscharf gezeigt wird. Die Frage ist jedoch, ob es über das Niveau hinauswächst, das man beispielsweise in Fernsehproduktionen zu sehen bekommt. Hierauf eine Antwort zu finden, ist überaus schwierig und würde man sagen, dass Official Secrets kein Film ist, den man unbedingt auf der größtmöglichen Leinwand gesehen haben sollte, dann ist das nicht negativ gemeint. Allein auf Grund der geschichtlichen Aktualität ist er wichtig und sehenswert. Nur nicht so packend oder schockierend, wie es Politik, konzentriert auf Tweets im Minutentakt, in der heutigen Zeit scheinbar sein müssen, um herauszustechen.


Fazit:
Der Ausgang der Gerichtsverhandlung von Katharine Guns Geheimnisverrat ist so unerwartet wie unbefriedigend. Filmemacher Gavin Hood gelingt es, die komplexen politischen Zusammenhänge aufzubereiten, ohne die Erzählung zu überfrachten. Ob man sich hier künstlerische Freiheiten genommen hat, spielt insofern keine Rolle, da die geschliffenen Dialoge mehr Subtext beinhalten, als man vermuten würde, und das Drama deshalb ebenso wie dank der Besetzung sehenswert und nie langatmig ausfällt. Allerdings stellt der Film zu keinem Zeitpunkt die Frage, wie groß der Vertrauensverlust der Bevölkerung ist, angesichts von Geheimnisträgern, die Geheimnisse nicht bewahren. Es ist ein Blickwinkel, der hier schlicht ausgeblendet wird. Hinzu kommt, dass die ausgewaschenen Farben, die langsam aufgebaute Dramatik so wirken, als würde hier bewusst zurückgehalten. Emotional wird Katharine Guns Geschichte nur selten. Official Secrets ist ein gutes und sehenswertes Politdrama, das kaum aktueller sein könnte. Doch es wächst nie über das hinaus, was zu demselben Thema bereits packender erzählt worden ist.