Norman [2016]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. August 2017
Genre: Drama

Originaltitel: Norman: The Moderate Rise and Tragic Fall of a New York Fixer
Laufzeit: 118 min.
Produktionsland: Israel / USA
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Joseph Cedar
Musik: Jun Miyake
Darsteller: Richard Gere, Lior Ashkenazi, Michael Sheen, Steve Buscemi, Yehuda Almagor, Neta Riskin, Josh Charles, Dan Stevens, Harris Yulin, Charlotte Gainsbourg, Hank Azaria


Kurzinhalt:

Auch wenn Norman Oppenheimer (Richard Gere) in der Welt der Reichen und Mächtigen in New York behauptet, er wäre Geschäftsmann, was er genau tut, fällt selbst ihm schwer zu erklären. Um eine seiner Meinung nach sichere und sehr lukrative Geschäftsidee umsetzen zu können, knüpft er Kontakte und versucht Gefälligkeiten zu erfüllen, um selbige wieder einfordern zu können. Doch sein Plan geht nicht auf, bis er den israelischen Politiker Micha Eshel (Lior Ashkenazi) trifft, der in diesem Moment ebenfalls an einem Tiefpunkt angekommen ist. Norman zeigt sich erkenntlich und als Eshel wenige Jahre später Premierminister von Israel geworden ist, scheint Norman am Ziel angekommen. Mit dem Namen des Premiers versucht Norman, eine Reihe von Geschäften umzusetzen, die alle ineinander greifen müssten, damit sein Plan aufgehen würde. Als er stattdessen eine Kettenreaktion anstößt, die zu einer internationalen Katastrophe führen könnte, muss sich Norman eingestehen, dass er sich auf verheerende Art und Weise übernommen hat …


Kritik:
Es gibt eine Szene in Norman, in welcher die Titel gebende Hauptfigur am Straßenrand steht und einen Fahrradfahrer beobachtet, der anstatt bei einer roten Ampel abzusteigen, aufrecht auf dem Fahrrad balanciert. Beobachtet man seinen Blick, dann ist es beinahe, als würde er sich selbst erkennen. Es beschreibt in jedem Fall am treffendsten, was Norman beruflich macht (denn seine eigenen Beschreibung, er sei Geschäftsmann, ist ziemlich vage): Er balanciert Interessen. Dem zuzusehen ist dank der ausgezeichneten Darbietung von Richard Gere durchaus sehenswert.

Er spielt Norman Oppenheimer, einen so genannten "Fixer", der Menschen zusammenbringt, Verbindungen herstellt und das Unmögliche möglich zu machen hilft. Sei es, dass jemandes Sohn eine exklusive Universität besuchen möchte, oder jemand anderes eine großzügige Spende für eine Synagoge benötigt. Norman Oppenheimer kennt die entsprechenden Namen.
Als er den Politiker Micha Eshel trifft, der dem israelischen Handelsminister zuarbeitet und im Moment am Tiefpunkt seiner Karriere angekommen ist, gibt sich Norman intuitiv großzügig und hat – als Eshel zum Premierminister aufsteigt – eine wertvolle Verbindung geknüpft.

Dabei ist Oppenheimer nicht der eigennützige Blender, den man in der Figur vermuten würde. Er scheint von dem, was er sagt, durchaus überzeugt und selbst, wenn er sich manches nur selbst einredet, darin zumindest authentisch. Behauptet er Dritten gegenüber, dass er jemanden seit Jahren und gut kennt, selbst wenn er mit dieser Person nur einmal im Zug zusammengesessen hat, dann glaubt er tatsächlich, dass dem so ist. Anstatt all dies zum eigenen Profit zu tun, ist Norman an den Menschen, denen er zu helfen versucht, tatsächlich interessiert.
Dies geht soweit, dass wenn ihm selbst jemand begegnet, der ihn fragt, wie er ihm helfen könne, Norman mit der Frage an sich vollkommen überfordert ist. Er hat sie sich selbst bislang nie gestellt.

Als er versucht, seine Kontakte zum Premierminister Eshel zu nutzen, um ein ganzes Geflecht an Gefälligkeiten zu erfüllen, beginnt sein Kartenhaus, wie der Untertitel von Norman, "Der bescheidene Aufstieg und tragische Fall eines New Yorker Geschäftsmanns", bereits verrät, in sich zusammenzufallen. Es wäre leicht, Oppenheimer vorzuhalten, dass er all das selbst über sich gebracht hat und es ist ein Punkt, der schlicht nicht zu leugnen ist. Doch dank Richard Geres leisem, introvertiertem Spiel gewinnt die Figur eine Tragik, die die Vorhaltungen verpuffen lässt.
Dass man Norman nie in seinem Zuhause oder seiner Wohnung sieht, mag schlicht daran liegen, dass er sich dort so gut wie nie aufhält. Immer unterwegs, um Anknüpfungspunkte zu finden, scheint er unendlich rastlos.

Richard Gere weist einige herausragende Rollen auf – mit Norman Oppenheimer fügt er diesen eine weitere eindrucksvolle hinzu. Trifft ihn der Erfolg, dann sieht man ihm an, wie gut ihm die Anerkennung tut, die er immer erhalten wollte, ist er sich doch sicher, die Idee für einen lukrativen Deal zu besitzen, nur dass niemand auf ihn hört. Filmemacher Joseph Cedar erzählt sein Drama nicht schadenfroh, da er keinen Antihelden etabliert, sondern jemanden, der mit seinem Wunsch nach Anerkennung und Geltung eine der ureigensten Schwächen der Menschen verkörpert. Gleichzeitig ist Norman auch nicht erschütternd existenziell und dies ist es auch, was man dem Film am ehesten vorwerfen kann. Er ist weder eine bitterböse Satire, noch ein unter die Haut gehendes Drama. Es ist die Geschichte eines Menschen, der unbestritten ein Talent besitzt, Lösungen zu finden, indem er Gefälligkeiten einfordert oder anbietet. Zu sehen, wie er sich hier im entscheidenden Moment übernimmt, ist weniger tragisch, aber vielleicht zumindest lehrreich.


Fazit:
Zu sehen, wie Norman Oppenheimer mit Wirtschaftsmogulen, Politikern und Geistlichen jongliert, wird von Regisseur Joseph Cedar auch optisch mit einem einfallsreichen Split-Screen-Konzept interessant umgesetzt. Bemerkenswert ist dabei, dass er sämtliche wichtige Entscheidungen telefonisch erreicht, also nie mit den entsprechenden Personen im selben Raum ist – als würde er trotz allem nicht dazugehören. Dass sich Oppenheimer dabei selbst etwas vormacht, ist unbestritten. Aber dadurch, dass Richard Gere die Figur trotz ihrer Fehler auf eine entwaffnende Art und Weise aufrichtig und in ihrer persönlichen Realitätswahrnehmung ehrlich anlegt, besitzt ihre Geschichte eine berührende Tragik. Leise erzählt, stehen hier einige Darsteller hervor, darunter Lior Ashkenazi als Eshel, der eben Normans Ehrlichkeit vermissen lässt, Michael Sheen, Steve Buscemi und Charlotte Gainsbourg. Doch Richard Gere überstrahlt sie alle. Für ein anspruchsvolles Publikum sollte dies Grund genug sein und entschädigt dafür, dass sein Schicksal in Norman nicht so nahegeht, wie es sollte.