Music [2021]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. Februar 2021
Genre: Drama / Musik

Originaltitel: Music
Laufzeit: 107 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Sia
Musik: Craig DeLeon
Besetzung: Kate Hudson, Maddie Ziegler, Leslie Odom Jr., Héctor Elizondo, Mary Kay Place, Beto Calvillo, Ben Schwartz, Juliette Lewis, Brandon Soo Hoo, Tig Notaro, Kathy Najimy, Henry Rollins, Parvesh Cheena


Kurzinhalt:

Das autistische Mädchen Music (Maddie Ziegler) benötigt einen geordneten Alltag mit festen Abläufen. Ihre Großmutter Millie (Mary Kay Place) sorgt eben dafür und dank hilfsbereiter Nachbarn wie George (Héctor Elizondo), Ebo (Leslie Odom Jr.) oder auch dem schüchternen Felix (Beto Calvillo) ist Music, die immerzu einen Kopfhörer trägt, um die sie überwältigenden Umgebungsgeräusche auszublenden, in ihre Umwelt integriert. Doch dann verstirbt ihre Großmutter plötzlich und fortan soll sich Musics Halbschwester Kazu (Kate Hudson) um sie kümmern. Kazu, selbst Alkoholikerin und auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen, ist jedoch mehr als genug mit sich selbst beschäftigt und scheut die Verantwortung. Erst durch die Menschen in Musics Nähe lernt Kazu schätzen, was es heißt, nicht immer auf sich gestellt zu sein – und kommt so auch ihrer Schwester näher …


Kritik:
Das Spielfilmregiedebüt Music der australischen Sängerin Sia verliert einen Großteils seines Charmes bereits, wenn der Abspann zu laufen beginnt. Trotz der drei gelungenen und sehenswerten Darbietungen im Zentrum der Geschichte. Die verleiht einem wichtigen Thema eine ungeahnte und greifbare Perspektive, doch weiß das Drama, das auch durch eine Reihe von Musikeinlagen erzählt wird, bedauerlicherweise nichts daraus zu machen. Schlimmer noch, sind die Aussagen, die der Film nebenbei trifft, mehr als nur bedenklich.

Das Drama handelt von dem Titel gebenden Mädchen Music, gespielt von Sia-Protegé und Sängerin bzw. Model Maddie Ziegler. Music ist Autistin und lebt bei ihrer Großmutter Millie in einem kleinen Apartment. Music braucht Struktur in ihrem Leben, feste Abläufe. Schon kleine Abweichungen lassen ihre Welt zusammenbrechen. Außer ihrer Großmutter gibt es viele Menschen, die mithelfen, dass Music jeden Tag bewältigen kann. Angefangen vom gutherzigen Vermieter George, über den fürsorglichen Nachbarn Ebo, bis hin zu dem schweigsamen Nachbarsjungen Felix, der dafür sorgt, dass Music am Stand ein Stück Wassermelone bekommt. Doch dieser geregelte Tagesablauf steht vor dem Aus, als Musics Großmutter überraschend verstirbt und sich die gerade auf Bewährung entlassene Kazu um ihre Halbschwester kümmern soll. Dass Zu, wie Kazu lieber genannt wird, kein Interesse an dieser Verantwortung hat, sondern möglichst schnell möglichst viel Geld zusammen bekommen will, um auszuwandern, macht die Situation noch komplizierter Es gäbe in Music somit genügend Potential für ein packendes Drama, immerhin stellt es Music vor unvorstellbare Herausforderungen, mit Veränderungen zurecht zu kommen.

Filmemacherin Sia findet dabei einen ungewöhnlichen Weg, Musics Sicht auf die Welt greifbar zu machen: Knallbunte Musikeinlagen scheinen widerzuspiegeln, welche Eindrücke sie von der Welt hat und wie sie diese deutet. Es ist eine einfallsreiche und durchaus sehenswerte Herangehensweise an ein solch komplexes Thema, doch drängen sich an Hand der vielen Musikeinspieler zwei Fragen auf. Zum einen, ob diese tatsächlich etwas mit der Geschichte zu tun haben und zweitens, ob diese Art, Musics Welt greifbar zu machen, etwas verdeutlicht, das sonst nicht deutlich würde? Die Antwort auf beides lautet „teilweise“.
Spiegeln manche musikalische Untermalungen die Szenerie, in der sich Music befunden hat, bewusst wider und sind insoweit in die Erzählung selbst eingebettet, erwecken andere den Eindruck, als wären sie mehr Musikvideo, inhaltlich losgelöst von der filmischen Grundlage. Beispielsweise dann, wenn die Einspieler etwas aufgreifen, was Music in der Form gar nicht beobachtet hat oder wissen kann. Nicht jeder Song ist daher notwendig, geschweige denn sinnvoll. Die Menge an musikalischen Unterbrechungen, die den eigentlichen Erzählfluss beinahe zum Erliegen bringen, ist darum auch schlicht zu groß.

Sie täuschen auch nicht darüber hinweg, dass Music lange braucht, um sich zu entscheiden, wohin sich der Film entwickeln möchte. Zu Beginn ist Kazu keine sehr sympathische Person und die Tatsache, dass sie ihr Geld als Drogendealerin verdient, macht das nicht wirklich einfacher. Da hilft es auch nicht, dass sie eine „nette“ Drogendealerin ist und auch ihr Großhändler Rudy „nett“, geradezu brüderlich mit ihr umgeht. Welche Außenwirkung eine solche Darstellung von Drogenkriminalität hat, sollte man sich an dieser Stelle lieber gar nicht fragen. Dass Kazus Pläne nicht aufgehen, die Geschichte auf einen obligatorischen Tiefpunkt zusteuert, ist ebenso absehbar wie die letztendliche Entwicklung der Story. Doch scheint der Verlauf lediglich so geschrieben und ergibt schlichtweg keinen Sinn. Was die Wandlung von Kazu als Figur auslösen soll, wird ebenso wenig greifbar, oder verständlich, wie ihr das allein gelingen soll. Die schwierigen Momente, der langwierige Entwicklungsprozess der Figur werden hier einfach übersprungen. Als wäre das nicht genug, hat keine einzige von Kazus Handlungen irgendeine Konsequenz für sie.

Es scheint, als hätte die Regisseurin, die auch die Idee zum Film lieferte, gewusst, wie die Ausgangslage und wie das Ende aussehen sollen – aber es gelingt Drehbuchautor Dallas Clayton nicht, die Figuren auf eine wirkliche Reise von A nach B zu schicken. Viele Nebenhandlungen wie eben Kazus Lieferant Rudy, ihre Kundin (gespielt von Juliette Lewis) oder die Entwicklung von Nachbar Felix, der heimlich in Music verliebt ist, haben am Ende keine Auswirkung auf die Geschichte und wirken nicht notwendig. Dass Music darüber hinaus weniger von der Titelfigur erzählt, als ihrer Halbschwester Zu, ist bedauerlich. Sie nimmt zu Beginn mehr Platz ein, als im Verlauf des Films. Und das, obwohl ihre Geschichte die bedeutend interessantere ist.


Fazit:
Stets weiß gekleidet, mit ihren aufgesetzten Kopfhörern und ihrer Bauchtasche, erweckt Music mit ihren Zöpfen und dem Lächeln meist den Eindruck, als wäre sie fröhlich, selbst wenn in ihrem Kopf ein wahrer Aufruhr an unterschiedlichsten Gedanken herrscht. Die ebenso kraftvolle wie eindringliche Darbietung von Maddie Ziegler ist der Ankerpunkt des Films, aber nicht sein Zentrum. An ihrer Seite stehen die ebenso überzeugend agierenden, geradezu entfesselte Kate Hudson und Leslie Odom Jr., die spürbar mehr zu tun bekommen. Beinahe, als hätte der Film kein Vertrauen, dass seine Hauptdarstellerin eine Szene für sich bestreiten könnte. Nicht nur, dass die Entwicklung der Figuren wenig greifbar ist, manche sind am Ende genau dort, wo sie angefangen haben. Die Geschichte mäandriert lange Zeit ohne ein wirkliches Ziel und in der Beziehung zwischen Music und Kazu fehlt es an Höhen und Tiefen. So sehenswert das eindrucksvolle Talent vor der Kamera, weiß das Drama nicht, wie es dieses inhaltlich nutzen soll. Die Ausgangsidee, die Gedankenwelt der autistischen Hauptfigur durch Musik sicht- und greifbar zu machen, ist toll, aber nicht alle Musikeinlagen notwendig oder sinnvoll. So ist Music mehr Konzept als Durchführung und so sehr die Titelfigur und ihre Sicht der Welt Charme entfaltet und berührt, es fehlt dem Drama jeglicher Tiefgang. Das ist nicht nur in Anbetracht der Möglichkeiten einfach schade.


Music ist ab
12. Februar 2021 digital und
ab 5. März auf Blu-ray und DVD von
Alamode Film erhältlich!